Landrat Walch spricht von „unkalkulierbarer Situation“
„Drama“ am Obinger „Seiml-Hof“? Landratsamt will Zwangsräumung wegen Ukraine-Flüchtlingen
Den Vertrag zur Unterbringung von Flüchtlingen im Obinger „Seiml-Hof“ hat das Landratsamt eigentlich längst gekündigt - doch 26 Ukrainer leben weiter in dem Inklusionsbetrieb, ohne dass der Eigentümer dafür Geld bekommt. Jetzt stand eine Zwangsräumung unmittelbar bevor. Die Situation sei „unkalkulierbar“.
Obing - Am „Seiml-Hof“ in Ilzham bei Obing herrscht momentan Aufregung und Unruhe. Seit Beginn des Krieges hat man dort Ukrainer untergebracht, 26 sind es aktuell. „Da sind Menschen mit schweren psychischen Problemen dabei, viele Kinder und manche behindert“, so Fabian Wiese, Geschäftsführer der „Seiml-Hof gGmbH“ im Gespräch mit chiemgau24.de. Doch am vergangenen Donnerstag (8. August) sollte der Hof geräumt werden. Nur, weil die Ukrainer kurzfristig Beschwerde beim Verwaltungsgericht einlegten, kam es nicht so weit. Noch nicht?
Landratsamt kündigte Beherbergungsvertrag - doch die Ukrainer blieben
Im März 2022 schloss das Traunsteiner Landratsamt einen Beherbergungsvertrag zur Unterbringung der Ukraine-Flüchtlinge ab. Der „Seiml-Hof“ bot sich dabei besonders für die „schweren Fälle“ an: Der Bio-Bauernhof ist seit 2019 Inklusionsbetrieb beschäftigt auch Menschen mit Behinderung. Anderthalb Jahre ging alles gut. Dann, im September 2023, kündigte das Landratsamt den Vertrag. „Die fühlten sich nicht mehr zuständig. Nur noch für Asylbewerber, aber das sind die Ukrainer ja nicht. Die sollten sich jetzt eigene Wohnungen suchen“, beschreibt Wiese es rückblickend.
Nachdem der Vertrag gekündigt war, floss kein Geld mehr auf den Hof bei Obing. Doch die Ukrainer blieben. Und die Arbeit wurde trotzdem weitergemacht. Nicht nur Unterkunft und Verpflegung, sondern auch Betreuung, Hilfe bei Arztterminen oder Schulangelegenheiten für die Ukraine-Flüchtlinge, verweist man. Außerdem wären einige von ihnen beim „Seiml-Hof“ inzwischen als Dolmetscher, Pädagogen oder landwirtschaftliche Helfer angestellt, so Geschäftsführer Fabian Wiese.
Walch: „Wir sorgen in dieser unkalkulierbaren Situation für Sicherheit“
„Dem Steuerzahler ist das nicht vermittelbar“, sagt dagegen Landrat Siegfried Walch (CSU) gegenüber chiemgau24.de. Auf 60.000 bis 70.000 Euro monatlich könnten die Kosten für Unterkünfte belaufen, die mit dem „Seiml-Hof“ vergleichbar seien, legt er die Karten auf den Tisch - „extrem hoch und dauerhaft nicht vertretbar“, so Walch. Außerdem: Man hätte mit den Bewohnern ja selbst Mietverträge abschließen können. Auch Bürgergeld steht den Ukrainern schließlich zu.
Immer wieder habe man den Flüchtlingen vom „Seiml-Hof“ andere Unterkünfte im Landkreis angeboten - ohne Erfolg. Zuletzt scheiterte im Juli ein „Abholtermin“ in Obing zum freiwilligen Umzug: „Deshalb wurde die Anordnung der Räumung der Unterkunft notwendig. Wir sorgen in dieser unkalkulierbaren Situation für Sicherheit und Ordnung“, so Traunsteins Landrat. Genauer äußert er sich nicht zu den Hintergründen. Die Räumung sei aber nur „vorübergehend ausgesetzt“. Und: „Es wird keinen neuen Vertrag mit dieser Unterkunft geben“, macht Walch klar.
Auch FDP-Politikerin schaltet sich jetzt ein
Einige Monate Aufschub hätten sich die Ukrainer allemal erkämpft, glaubt Fabian Wiese. Das Verwaltungsgericht prüft jetzt, ob die Klage gegen die Zwangsräumung zugelassen wird. Man hofft auch auf eine „Leistungsvereinbarung“ mit der Regierung von Oberbayern, dass der Hof doch noch Geld für die Unterbringung bekommt. Doch am „Seiml-Hof“ gibt es Zweifel, dass die Flüchtlinge vom Landratsamt passend untergebracht werden. „Die Sorge ist völlig unbegründet“, hält Siegfried Walch dagegen. Individuelle Bedürfnisse würden geprüft und entsprechende Hilfen bereitgestellt. Vor allem Menschen mit Behinderungen könnten auf die Unterstützung von Jugendamt oder dem Bezirk Oberbayern zählen.
Auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht aus Mühldorf hat sich jetzt in die Sache eingebracht. Drei Tage vor der drohenden Räumung schaute sie in Ilzham bei Obing vorbei. „Es ist unverständlich, warum das Landratsamt Traunstein die behinderten Flüchtlinge von einem ausgewiesenen Inklusionsbetrieb abziehen will“, so Bubendorfer-Licht. Sie spricht von einem „Drama“, das sich dort derzeit abspiele und schlägt einen „Runden Tisch“ vor, um eine Lösung zu finden. Doch dem erteilt Landrat Walch umgehend eine Absage: „Dazu gibt es keinen Grund. Die Entscheidung ist gefallen.“ (xe)