„Drama am Waginger See“
Schüsse, Hiebe und schließlich ertränkt: Dieser brutale Mord erschütterte die Region 1923
Inmitten der ohnehin unsicheren Zeiten von Inflation und politischen Unruhen erschütterte 1923 ein Mord in Kirchanschöring die Region. Die Leiche des 31-jährigen Ferdinand Schwangler wird am Waginger See gefunden. Er wurde auf brutale Weise umgebracht. Wir haben aus Berichten aus dem Zeitungsarchiv den Fall nachgezeichnet.
Kirchanschöring - „In der Nacht von Sonntag auf Montag fiel der 31-jährige Bauer Ferdinand Schwangler einem Verbrechen zum Opfer“, meldete am Mittwoch, den 12. September 1923 der „Rosenheimer Anzeiger“, „Schwangler wurde gestern nachmittags 2 Uhr einen Kilometer vom Tatort entfernt mitsamt seinem Rade im See liegend tot aufgefunden. Der Ermordete wies drei tödliche Wunden auf und war seiner Barschaft im Betrag von circa 100 Millionen Mark beraubt.“ Der absurd hohe Betrag erklärt sich daraus, dass wir gerade mitten in der Hochzeit der sogenannten „Deutschen Inflation“ von 1914 bis 1923 sind. Es sind wirtschaftlich und politisch schwierige Zeiten, inmitten derer sich diese Tat geschieht, deren Ahndung die Region noch für die nächsten Monate verfolgen wird.
„Festgenommen und in das Landgerichtsgefängnis nach Traunstein nach Traunstein eingeliefert wurde die Piracher Bäuerin Anna Schwangler, da sie eingestanden hat, den Mord am 9. September an ihrem Manne Ferdinand Schwangler angestiftet zu haben“, verkündet der „Anzeiger“ dann am 4. Oktober. Zuvor habe es bereits eine weitere Verhaftung gegeben, „die nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt“ habe. Nun sei die als wohlhabend bekannte Frau verhaftet worden. „Es wird nun bekannt, dass die Piracherbäuerin ihren Mann, der als seelenguter tadelloser Charakter geschildert wird und überaus beliebt war, nicht leiden konnte, und längst die Absicht hatte, ihn zu beseitigen. Bereits im Vorjahr soll sie einen Wilderer dazu gedungen haben, der damals aber ablehnte.“ Der Täter werde nun unter den „verschiedenen Hausfreunden“ der Frau vermutet.
Drei Schüsse und Hiebe auf den Kopf: Dieser brutale Mord erschütterte die Region 1923
Auch zum Ablauf der Tat wurde nun mehr bekannt. Demnach habe sie ihren Mann unter einem Vorwand in ein nahe gelegenes Wäldchen gelockt. Dort „wurden ihm drei Kugeln in den Kopf gejagt. Schwangler war aber nicht sofort tot und da die Leiche einen Schädelbruch aufweist. muss er Hiebe auf den Kopf erhalten haben. Aber auch dann scheint der Tot noch nicht eingetreten zu sein, denn die Sektion der Leiche ergab in den Lungen Wasser, so dass der Tod durch Ertrinken eintrat.“ Es werde daher davon ausgegangen, dass er noch lebend mitsamt seinem Fahrrad zum Waginger See gebracht und darin versenkt wurde. „Die Bevölkerung ist wütend“, schließt der Bericht. Danach ist es zunächst ruhig um den Fall, nur Anfang November wird gemeldet, die Frau sei zur Beobachtung in eine psychiatrische Klinik nach München gebracht worden. Am 22. November wurde dann bekannt, dass die Hauptverhandlung „gegen das Schandweib“ demnächst stattfinden würde,.
Am 30. Januar des folgenden Jahres war es dann soweit. „Unter großem Andrang des Publikums begann gestern vor dem [Traunsteiner] Volksgericht die Verhandlung gegen die reiche Bäuerin Anna Schwangler von Pirach und ihren Geliebten Alois Kugler und dessen Bruder Bartholomäus, Bauerssöhne von Rechenberg bei Waging, sowie gegen die Mutter der beiden Kugler, wegen Mordes“, so der Anzeiger über den Prozessauftakt, „Die Zeugenvernehmung nahm geraume Zeit in Anspruch. Sie entrollte ein übles Bild der gesunkenen Moralität der Angeklagten und zeitigte das überraschende Ergebnis, dass als geistige Urheberin des schamlosen Mordes die Mutter der beiden Kugler anzusehen ist, die in ihrer Habgier auf das Anwesen des Ermordeten spekulierte.“ 21 Zeugen seien gehört worden. „Die Piracherbäuerin stand bislang in keinem schlechten Rufe und niemand würde ihr diese Tat zugetraut haben.“ Der Antrag der Staatsanwaltschaft lautete auf die Todesstrafe für Schwangler und Alois Kugler sowie 5 beziehungsweise zehn Jahre Haft für den Bruder und die Mutter Kuglers. Danach verliert sich kurzzeitig die Spur, erst am 18. März meldet der Anzeiger wieder: „Die Mörder des Piracherbauer begnadigt -.Die Piracherbäuerin Anna Schwangler und Alois Kugler, welche wegen Mord vom Volksgericht zum Tode verurteilt worden waren, wurden zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt.“
hs