Hohe Beute innerhalb von drei Stunden ergaunert
Vorsicht vor neuer Betrugsmasche! Falsche Pfleger kassieren „wie die Heuschrecken“ Geld ab
Vorsicht vor falschen Pflegern: Betrüger tarnen sich im Chiemgau als Pflegedienstmitarbeiter und ergaunern hohe Bargeldbeträge. Was bisher bekannt ist, wie man sich schützen kann und welche Strafe den Gaunern droht.
Chiemgau – Sie kommen „wie die Heuschrecken“, sagt Werner Vietz von der Polizeiinspektion Prien und meint damit Betrüger. „Das waren damals diese falschen Handwerker, Dachverleger, Heizungsbauer oder Pflasterreiniger“, führt der Polizeihauptkommissar aus, „die einen Landkreis nach dem anderen abklappern.“ Jetzt imitieren sie eine neue Gruppe: Pflegedienste.
Hoher Bargeldbetrag entwendet
Die Polizeiinspektionen Prien und Grassau warnen vor der neuen Betrugsmasche, die bereits am vergangenen Sonntag (16. Juni) für einen erheblichen Vermögensschaden in fünf bislang bekannten Fällen sorgte. Getarnt als Mitarbeiter von Pflegediensten erschlichen sich die Täter das Vertrauen ihrer Opfer und gelangten so an einen hohen Bargeldbetrag, teilt die Polizeiinspektion Prien mit.
Ihre Beute ergatterten die Betrüger in einem kurzen Zeitfenster. Innerhalb von knapp drei Stunden suchten die Täter ihre Opfer zwischen 14 Uhr und 17 Uhr unter der Legende eines Pflegedienstes in Rimsting, Grassau und Bernau auf, lenkten diese geschickt ab und erbeuteten dadurch einen Bargeldbetrag im deutlichen fünfstelligen Bereich. Eine genaue Summe könne nicht angegeben werden, da die Ermittlungen noch andauern und die Polizei sonst Täterwissen weitergeben würde, erklärt Vietz.
Kein Bargeld in Pflegezimmern deponieren
„Wir verurteilen das aufs Heftigste“, sagt Michael Wittmann, Geschäftsführer der Vereinigung der Pflegenden in Bayern. Wichtig sei es, Mitarbeiter in Pflegediensten oder Mitarbeiter in Pflegeheimen zu sensibilisieren. „Das sind die Gesichter, die ich nicht kenne“, fährt der Geschäftsführer fort. „Das andere habe ich auch selber gemacht in meiner aktiven Pflegeheimzeit: die Bewohnerinnen und Bewohner auch regelmäßig darauf hinzuweisen, keine großen Bargeldbestände oder wertvolle Gegenstände in den Zimmern zu deponieren.“
Bei den mutmaßlichen Tätern handele es sich laut Polizeiinspektion um mindestens zwei weibliche Personen, von denen eine als 20 bis 30 Jahre alt, schlank und zierlich, mit dunklen Haaren und osteuropäischer Erscheinung beschrieben wird. „Sie sprach gebrochen Deutsch mit Akzent und war mit weißer Pflegedienstkleidung und einem Mundschutz bekleidet“, sagt Jürgen Thalmeier, Erster Polizeihauptkommissar, Polizeiinspektion Prien. Von der zweiten Frau sei nur eine vage Beschreibung vorhanden: Sie sei größer als die erste Täterin und habe blonde Haare.
Aufklärungsarbeit kann helfen
„Ich denke, dass man im Grunde hier nur mit großflächiger Aufklärungsarbeit etwas erreichen kann“, sagt Bernaus Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber. Von dem örtlichen Pflegedienst wisse Biebl-Daiber, dass es dort mittlerweile Vereinbarungen gibt, wie sich die Mitarbeiter an der Tür melden. „Das gibt den Patienten Sicherheit.“ Dieser Meinung schließt sich Rimstings Bürgermeister Andreas Fenzl an.
In Rimsting habe es in Zusammenarbeit mit der Polizei schon Infoveranstaltungen gegeben, auf denen Senioren über die gängigen Betrugsmaschen aufgeklärt wurden, berichtet der Bürgermeister. „Ich glaube, dass wir auch lernen müssen, dass so etwas überall passieren kann – auch in einem kleinen Dorf, wie wir es sind.“ Wichtig sei es, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, sagt Fenzl.
Gewerbsmäßiger Bandendiebstahl
Bei den Fällen im Chiemgau gehen die Ermittler von einem organisierten Diebstahl aus – „einem gewerbsmäßigen Bandendiebstahl“, sagt Polizeihauptkommissar Thalmeier. „In unserem Bereich sind drei Pflegeheime betroffen gewesen“, sagt Thalmeier. Genaue Lokalitäten gibt die Polizei nicht bekannt, allerdings spricht sie auch von „betreuten Wohnanlagen“.
„Ich muss sagen, dass es bei uns, Gott sei Dank, noch nicht vorkam“, sagt Marina Egart, Einrichtungsleiterin des Pflegeheims in Grassau. „Natürlich kann es passieren, dass jemand bei der Tür reinkommt“, sagt die Einrichtungsleiterin. Allerdings seien die Pflegekräfte mit Namensschild und einheitlicher Kleidung ausgestattet und neue Mitarbeiter werden den Bewohnern vorgestellt. Die aktuellen Vorfälle findet sie „furchtbar, also ganz, ganz schrecklich, weil die Angst ist eh schon da“ und bezieht sich dabei auf Schockanrufe, SMS oder falsche Handwerker an der Tür.
„Uns sind bisher keine vergleichbaren Fälle bekannt geworden“, sagt Rainer Vietze, Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Traunstein. Das Ermittlungsverfahren zu dem aktuellen Fall laufe bei der Staatsanwaltschaft Traunstein in der Spezialabteilung zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität.
Bis zu zehn Jahre Haft
„Nach den bisherigen Erkenntnissen besteht der Verdacht des schweren Bandendiebstahls“, führt der Oberstaatsanwalt aus. Der Strafrahmen reiche von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe – für jeden einzelnen Fall. Da sich das Ermittlungsverfahren noch ganz am Anfang befinde, können hierzu derzeit keine weiteren Auskünfte erteilt werden.
Bisher noch keine Spur
Zur Klärung des Sachverhalts bitten die Polizeiinspektionen Prien und Grassau um Mithilfe aus der Bevölkerung, Hinweise werden auch von jeder anderen Polizeidienststelle entgegengenommen: Wer hat am Sonntagnachmittag (16. Juni) auffällige Personen oder Fahrzeuge in der Nähe von Pflegeeinrichtungen, insbesondere westlich und südlich des Chiemsees, gesehen? Wem sind die beschriebenen Frauen auch in der Nähe von Pflegeeinrichtungen aufgefallen oder kennt deren mögliche Aufenthaltsorte?