Über „erdige“ Gefühle und die „Leerplatz-Phobie“
Im schönsten Garten Wasserburgs: Hier wirkt eine Hobby-Gärtnerin mit stadtbekanntem Namen
Der Gartenbauverein Wasserburg feiert am 21. Oktober das 125-jährige Bestehen. Bekanntlich haben die Mitglieder die schönsten Gärten der Stadt. Einer sticht heraus. Ein Besuch im Paradies, in dem die wohl bekannteste Hobby-Gärtnerin in Wasserburg ihren grünen Daumen beweist.
Wasserburg – Nachmittags ist Margarete Kölbl, Ehefrau des Bürgermeisters von Wasserburg, fast immer im Garten anzutreffen. Zwei bis drei Stunden pro Tag verbringt sie hier – selten gemütlich auf der Sonnenliege, meistens in Aktion, „bewaffnet“ mit Schere, Spaten, Eimer und Schubkarre. Denn es gibt immer was zu schneiden, zu zupfen, stets was zu graben und zu gießen.
So auch heute, an einem kühlen Herbstnachmittag. Kölbl hat derzeit sogar besonders viel zu tun. Denn es gilt, den Garten am Klosterweg winterfest zu machen. Bergeweise abgeschnittenes Grüngut wird sich in den nächsten Tagen ansammeln. Das ist der Moment, an dem ihr Mann ausnahmsweise auch zum Gärtner wird. Rathauschef Michael Kölbl hat die Aufgabe, die abgeschnittenen Blätter und Zweige sowie verwelkten Blüten zum Wertstoffhof zu fahren, berichtet seine Frau. Das Sagen im Garten, das ist deutlich herauszuhören, hat aber sie. Kölbl hat den grünen Daumen, selten, dass eine Pflanze sich bei ihr nicht wohlfühlt. Manchmal dauere es halt, bis die liebevolle Zuwendung Früchte trage, betont sie.
Zu Besuch im schönsten Garten von Wasserburg




Steiles Hanggrundstück ist eine Herausforderung
Denn der Standort des Einfamilienhauses der Kölbls, 1993 bezogen und 2003 umgebaut sowie erweitert, ist kein einfacher: ein steiles Hanggrundstück mit Traumblick Richtung Altstadt, aber auch mit viel Schatten. Mauern, Treppen und Terrassen helfen, das starke Gefälle auszugleichen. Zwei Bäume stehen hier, die schon um das Jahr 1924 gepflanzt worden sind, als das Haus der „Postbotensiedlung“, wie das Areal aufgrund der vielen hier bauenden Postler damals genannt wurde, entstand. Die Bäume sind alt, etwas verschrumpelt und dienen als Rank-Hilfe für drei Rosenarten.
Ein Gartenweg weist noch alte Waschbetonsteine auf, ansonsten beherrscht Naturstein das Bild. Außerdem: Töpfe, Töpfe, Töpfe, bepflanzt mit Blumen, Stauden, Kräutern, Gemüse. Auch in den Beeten ist selbst jetzt noch vieles grün, naturgemäß jedoch nicht mehr ganz so satt wie im Sommer. Sogar viele Blüten sind noch als Farbtupfer zu sehen.
Blanke Erde gibt es bei den Kölbls kaum
Braune Erde dagegen gibt es kaum. Denn der Garten der Kölbls ist nicht nur einer der schönsten, sondern auch einer der wildesten in Wasserburg. „In der Natur gibt es keine blanke Erde“, erklärt die Gärtnerin. In ihrem grünen Reich darf sich alles ausbreiten, wachsen, vermehren. „Ich bin keine, die ständig auszupft“, sagt Kölbl. Sie spritzt grundsätzlich nicht, bekämpft Unkraut stattdessen mit selbst aufgesetzten Suds. Der Phlox hatte heuer Mehltau, „dann ist das halt so“, sagt sie. Pflanzen dürfen bei ihr auch mal „krank“ sein. „Ich mag es nicht geschleckt“, erklärt Kölbl. Und zitiert lachend ihren Mann: „Der sagt immer, ich hätte eine Leerplatz-Phobie“, will heißen: Wo immer ein Eckchen frei wird im Garten, pflanzt oder sät sie nach.
Wo was hinkommt, das entscheidet die Gärtnerin aus dem Bauch heraus. „Ich habe grundsätzlich keinen Plan“, sagt sie. „Ein Garten muss sich entwickeln.“ Wie er das am besten kann, hat sie von ihren Eltern gelernt. Als Kind und Jugendliche interessierte sie sich jedoch gar nicht so sehr dafür, „erst nachdem wir hier eingezogen sind, kam die sicherlich in mir schlummernde Leidenschaft für das Garteln zum Vorschein“, erinnert sie sich. Beim Werkeln bekomme sie den Kopf frei, die Bewegung tue ihr gut. „In den Garten zu gehen, ist für mich überhaupt kein Stress, keine Verpflichtung, sondern nur reine Freude.“ Die fehlt ihr alljährlich im Winter, wenn der Garten in den „Winterschlaf“ geht. Doch auch dann hat Kölbl zu tun: Die leidenschaftliche Krippenbauerin werkelt im Keller an Krippenlandschaften.
Hinter vielen Pflanzen steckt eine Geschichte
Denn sie arbeitet gerne mit den Händen, liebt im Garten vor allem das „erdige Gefühl“. Sie verfolgt mit Leidenschaft, wie sich im Kreislauf der Jahreszeiten die Bepflanzung in Beeten und Töpfen rund ums Haus entwickelt. Im Frühjahr tauchen hier die Schneeglöckchen und Märzenbecher den Garten in ein Meer aus Farben, später bilden die Christrosen einen blühenden Wald, im Sommer haben die Lilien das Sagen, jetzt im Herbst gibt es noch immer Tupfer aus Rott und Pink, etwa von einer Geranie, dessen Ableger Margarete Kölbl vor 25 Jahren von ihrer Mutter bekommen hat.
Viele Pflanzen erzählen eine Geschichte, über Menschen: Sie sind Mitbringsel aus dem Urlaub auf Madeira oder in Kroatien, Geschenke aus den Gärten von Freunden und Verwandten. Manchmal wird aus einer Pflanze, die ein Dornröschendasein fristete, eine Wunderwerk der Natur: Eine „traurige Tulpenmagnolie“, die Kölbl für einen Euro gekauft hat, ist in ihrem Garten „explodiert“: Über einen Meter hoch, voller pinker Blüten. So knallig muss es nicht sein, die Hobbygärtnerin mag auch dezente Auftritte wie jene des Etagenbrandkrauts, beliebt bei Bienen. Sie finden im Garten der Kölbls viel „Futter“. Das gilt auch für die Vögel. Die Kornrade beispielsweise hat die Hobbygärtnerin extra angepflanzt. Denn es ist die einzige Pflanze, die der Distelfink liebt, er findet hier Samen zum Rauspicken.
Auch das sieht Kölbl gerne. „Es gibt immer was zu schauen“, selbst jetzt im Herbst. Und zu riechen: Die englische Rose „Crown Princess Margareta“, die den Namen der Wasserburger Hobby-Gärtnerin trägt, rankt sich durch den fast entlaubten Apfelbaum und duftet wunderbar.


