Wasserburg wird bunter
Vom „Brachland zur Oase“: Wie Wohnungslose die Wasserburger Altstadt beleben
Das Projekt InnGarten in Wasserburg zeigt, wie es gehen kann: Hand in Hand bepflanzen Wohnungslose ihre eigene Oase. Was dahinter steckt, wie die Anlage die Heimatlosen stärkt und warum im vergangenen Jahr ein Zucchini-Verbot ausgesprochen wurde.
Wasserburg – Rote Beete, Salat, Zucchini: Ein wahres Gartenparadies ist am Wasserburger Riedener Weg zu finden. Doch wer hier professionelle Gärtner erwartet, hat weit gefehlt. Denn hier legen Wohnungslose, die in Wasserburg untergekommen sind, Hand an.
Ins Leben gerufen wurde das Projekt von Alex-Sebastian Madincea. Der Psychologe arbeitet in der „Langzeit - und Übergangshilfe“ des Internationalen Bunds am Heisererplatz. Für ihn und Leiterin Ingrid Öfele war der neue Garten am Inn ein Herzensprojekt, wie an der Eröffnungsfeier deutlich wurde.
Budget für Schrebergarten eingeplant
Schon vor Jahren sei im Haushalt der Wohnungslosenhilfe Budget für einen Schrebergarten eingeplant worden. „Ein kleines zerfallenes Häuschen war unser Plan“, meint Öfele. Vergangenes Jahr konnte die Einrichtung dann den Zuschlag für die Fläche am Riedener Weg für sich gewinnen. Aus dem „zerfallenen Häuschen“ wurde aber nichts. „Hier war nichts außer fünf Haufen Erde und ein Wasserhahn“, sagt Öfele mit einem Augenzwinkern.
Jetzt, ein Jahr später, ist das kaum zu glauben. In Hochbeeten, aufgebaut nach den Prinzipien der Permakultur, wachsen Gemüse, Obst und Salate. Neben dem großen Gartenhäuschen ist ein Pizza-Ofen untergebracht. Drei bis vier mal in der Woche kommen Bewohner der Wohnungslosenhilfe, um sich um die Pflanzen zu kümmern, Pizza zu backen, die Seele baumeln zu lassen. Gartentherapie nennt sich das.
Vom Internationalen Bund wird sie als Erweiterung der ergotherapeutischen Einrichtung gesehen und soll die Wohnungslosen, die oft an Suchterkrankungen und/oder Depression leiden, in ihrer psychischen Gesundheit stärken. „Unser Ziel ist es, Menschen zu befähigen, ihren Alltag mit all seinen Herausforderungen zu meistern“, erklärt Madincea. Dazu könne der Garten helfen. Denn Garteln sei Gesund für Körper und Geist, ist Madincea überzeugt. „Man sieht Resultate, aber es gibt auch Probleme. Man muss Lösungen suchen. Man muss Geduld haben, aber am Ende kommt dann das Erfolgserlebnis.“
Psychologe von Experiment überzeugt
Der Psychologe ist deshalb schon nach einem Jahr des Experiments überzeugt: „Dieser Garten hat eine große, nachhaltige Wirkung auf die psychische Gesundheit der Männer“, glaubt Madincea. „Es ist wirklich ein Segen für unserer Bewohner. Unsere beiden Häuser in der Stadt haben keinen Außenbereich, aber hier können sie sich selbst eine Oase schaffen.“
Das Angebot sei inklusiv und freiwillig. „Jeder kann sich nach seiner Lust und seinen Fähigkeiten einbringen“, erklärt Madincea. So sei es auch in Ordnung, wenn Bewohner „nur“ zum Zeit verbringen hier in den Garten kämen. Für Jörn Scheuermann, Kuratoriumsmitglied der Stiftung Wohnungslosenhilfe Bayern, die auch Geldgeber für das Projekt war, steht fest: „Wasserburg und dieser Garten sind ein Leuchtturm in der Landschaft.“
Hier werde Inklusion wirklich gelebt. Denn noch immer sei ungewöhnlich, dass Menschen, wie Wohnungslose, die „nicht nur die Sonnennseiten des Lebens gesehen haben“ mitten im Ort untergebracht werden und aktiv am Stadtleben beitragen würde. Dabei bezog er sich unter anderem auf die Stadt Rosenheim, die seit Monaten für ihre marode Obdachlosenunterkunft, in der Kritik steht. Von Wasserburg und seinem neuen InnGarten könne hier noch einiges gelernt werden.
Die geernteten Lebensmittel werde übrigens zum Großteil von den Wohnungslosen selbst verwendet. Im vergangenen Herbst, als es zu einer wahren Zucchini-Flut kam, profitierten jedoch auch andere davon. „Wir bekamen ein Zucchini-Verbot von unseren Bewohnern“, erzählt Madincea lachend. Das überschüssige Gemüse wurde dann verschenkt.


