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Ingenieurbüro stellt Abflussmodell vor

„Jeder Einzelne ist gefragt“: Wie die Söchtenauer Sturzfluten bändigen sollen

Nach verheerenden Unwettern in Söchtenau: Berhard Unterreitmeier (rechts, von oben) und Katja Förster-Bräu vom Aquasoli-Ingenieurbüro sowie Dr. Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim erläutern etwa 60 Söchtenauer Bügern (links), wie die Risiken von Sturzfluten minimiert werden können.
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Nach verheerenden Unwettern in Söchtenau: Berhard Unterreitmeier (rechts, von oben) und Katja Förster-Bräu vom Aquasoli-Ingenieurbüro sowie Dr. Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim erläutern etwa 60 Söchtenauer Bügern (links), wie die Risiken von Sturzfluten minimiert werden können.

Sturm, Starkregen, Sturzfluten – die Menschen in der Gemeinde Söchtenau haben schon alles erlebt. Künftig wollen sie die Unwetter-Folgen bändigen. Wie ihnen das Sturzflut-Risikomanagement dabei hilft.

Söchtenau – Sturm, Starkregen, vollgelaufene Keller, abgedeckte Dächer, zerstörte Stadl, entwurzelte Bäume – im Juli 2021 und August 2023 zogen verheerende Unwetter über die Gemeinde Söchtenau. Vor allem der Süden mit Schwabering, Untershofen und Krottenmühle war enorm betroffen. Aber auch im Norden waren starke Schäden zu beklagen – beispielsweise in Rachelsberg, Hayng und Söchtenau.

Förderprogramm für Vorsorge

Schon 2017 hatte der Freistaat Bayern ein Förderprogramm für das Sturzflut-Risikomanagement der Gemeinden aufgelegt. Nach der Sturzflut von 2021 beantragten viele Gemeinden des Landkreises Rosenheim Fördermittel - darunter auch Söchtenau. Das Aquasoli Ingenieurbüro aus Siegsdorf wurde mit den Untersuchungen beauftragt und ermittelte den „Ist-Zustand“. Ein digitales Abflussmodell wurde mit Daten unter anderem zu Topografie, hydrologischer Bodenbeschaffenheit und individueller Landnutzung gespeist. So konnte eine hundertjährliche Sturzflut mit lokal begrenzten Starkregenmengen von mehr als 40 Litern pro Quadratmeter und Stunde berechnet werden. Jetzt stellten Bernhard Unterreitmeier und Katja Förster-Bräu von Aquasoli den Söchtenauer Bürgern die Ergebnisse vor.

Kanalisation kann bei starken Unwettern nicht funktionieren

Mit einem wichtigen Vorab-Hinweis: „Die Kapazitäten der vorhandenen Straßenentwässerung wurden nicht betrachtet, denn die schaffen bei Unwettern keine Abhilfe, weil sie innerhalb weniger Minuten voll sind“, so Förster-Bräu. Zur Entwässerungsplanung einer Gemeinde gehört die richtige Dimensionierung des Kanalsystems, um die anfallenden Wassermengen schadlos ableiten zu können. „Deshalb wurde uns oft vorgeworfen, wir hätten die Kanäle zu gering dimensioniert“, berichtet Bürgermeister Bernhard Summerer. Doch Dr. Hadumar Roch vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim stellte klar: „Die Straßenentwässerungen sind auf Grundlage technischer Regelwerke auf kleinere Wassermengen als die von zehnjährlichen Starkregenereignissen ausgelegt.“ Eine größere Dimensionierung wäre weder technisch noch finanziell umsetzbar. „Dann hätten die Rohre keinen 40er, sondern einen 1000er-Durchmesser“, machte Roch klar. Zudem hätte das enorme Investitionen zur Folge, die über die Kanalgebühren auf den Bürger umgelegt werden müssten.

Mit einem Abflussmodell können die Fließrichtungen des Starkregens in der Gemeinde Söchtenau veranschaulicht werden. Dadurch wird beispielsweise deutlich, dass an der Tankstelle im Gewerbegebiet – topografisch eine Senke ohne Abfluss – bei Unwetter Wassertiefen von bis zu 60 Zentimetern erreicht werden können.

Fließrichtungen werden nachvollziehbar

Mit dem neuen Abflussmodell können die Fließrichtungen des Starkregens in der Gemeinde Söchtenau veranschaulicht werden. Entsprechend der topografischen Gegebenheiten fließen die Wassermassen von den Feldern über die Straßen in wassersensible Bereiche wie Senken, Gräben, Täler oder hinunter zum Simssee. „Ein Knackpunkt ist beispielsweise die Tankstelle im Gewerbegebiet – topografisch eine Senke ohne Abfluss“, zeigt die Geografin Förster-Bräu am Modell. Hier wurden Wassertiefen bis zu 60 Zentimetern berechnet.

Der Fuschbach sei eigentlich ungefährlich, sorge als Vorfluter bei Starkregen aber vor allem im Bereich der Filzen für größere Überschwemmungen. Gefährdet ist die Siedlung in Schwabering: „Bei Unwetter gelangt das wild abfließende Oberflächenwasser entlang der Straßen in Senken im Siedlungsbereich“, beschreibt Förster-Bräu. Im Bereich der Bebauung muss mit Wassertiefen bis zu 30 Zentimetern gerechnet werden.

Gefährdet ist auch die Siedlung in Schwabering: Bei Unwetter gelangt das wild abfließende Oberflächenwasser in Senken im Siedlungsbereich. Im Bereich der Bebauung muss mit Wassertiefen bis zu 30 Zentimetern gerechnet werden.

Auch Krottenmühl ist ein neuralgischer Bereich

Ein neuralgischer Punkt ist auch der Siedlungsbereich in Krottenmühl. Bei Starkregen staut sich das Wasser am Durchlass zum Simssee und erreicht Tiefen bis zu zwei Metern. Die Verrohrung reiche dort nicht aus, erläuterte Förster-Bräu. Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Bereich befindet sich an der Reithalle. Auch hier reiche die Leistungsfähigkeit der Verrohrung nicht aus. Der dadurch verursachte Rückstau führe zu Fließtiefen von etwa 30 Zentimetern.

Der Status-Quo ist ermittelt und bildete mit dem Abflussmodell genau das ab, was die Menschen in der Gemeinde Söchtenau in den vergangenen drei Jahren erlebt haben. Im nächsten Schritt geht es um Lösungsvorschläge. Einige haben die Experten von Aquasoli im Modell simuliert, um zu verdeutlichen, welcher Schutz wirklich erreicht werden kann. Beispiel Gewerbegebiet: Hier könnte eine Schutzlinie – beispielsweise aus Hochborden oder in Form von Geländemodellierungen – einen Großteil der Wassermassen auf landwirtschaftliche Flächen ableiten und die Fließtiefe von bislang 60 auf künftig 30 Zentimeter reduzieren.

Wie kann Schwaberinger Siedlung geschützt werden?

Im Bereich der Schwaberinger Siedlung würde eine Schutzlinie nur einen geringen Effekt erzielen – um etwa fünf Zentimeter geringere Fließtiefen. „Hier müssen wir prüfen, wie man die Gefahr im Siedlungsbereich selbst reduzieren kann“, erläuterte Förster-Bräu.

Durch eine Vergrößerung des Rückhaltevolumens der vorhandenen Anlagen und eine zusätzliche Schutzlinie würde für den Ort Untershofen selbst zwar nur eine geringe Verbesserung erreicht, zeigte die Geografin am Modellversuch. Allerdings könnten dadurch stark gefährdete Bereiche in Krottenmühl wie Bahnhofstraße, Wiesenweg und Seestraße entlastet und die Fließtiefe dort um 23 Zentimeter reduziert werden.

Schutz des Einen darf nicht zum Nachteil des Anderen werden

Die Risiken aus Sturzfluten können nur durch ein Bündel an Maßnahmen und Methoden wirkungsvoll und nachhaltig reduziert werden. „Das Abflussmodell ist das Herzstück. Es ist ein Instrument für jeden Einzelnen, zielgerichtet vorzusorgen, um sich zu schützen“, erläuterte Bernhard Unterreitmeier. Jeder Bürger könne nun zentimetergenau nachvollziehen, wie es im Falle einer Sturzflut beim ihm aussehen würde, und welche Schutzmaßnahmen wirklich Sinn machen, ohne sich auf die Sicherheit Dritter negativ auszuwirken. „Wir machen nichts, was den einen schützt und den anderen benachteiligt“, betonte Bürgermeister Summerer.

Anhand eines digitalen Abflussmodells können Katja Förster-Bräu (von rechts) und Bernhard Unterreitmeier vom Aquasoli Ingenieurbüro ermitteln, welche Auswirkungen eine Sturzflut auf jeden einzelnen Söchtenauer haben kann. Das Interesse an einer individuellen Beratung war schon nach der Bürgerversammlung groß.

Konkrete Maßnahmen entwickeln

Gemeinde, Unternehmen, Landwirte, private Akteure und Ingenieurbüro können nun anhand des Abflussmodells gemeinsam Maßnahmen entwickeln – eine Aufgabe für die nächsten Jahre. „Dafür ist ein breiter Dialog mit allen Beteiligten erforderlich, um abzuwägen, was jeder Einzelne tun kann“, machte Unterreitmeier klar. „Dabei sind die Erfahrungen und Lösungsvorschläge der Bürger gefragt, denn je genauer wir die Starkregensituation einschätzen können, desto zielorientiertere Lösungen können wir erarbeiten.“

Jeder Einzelne ist gefragt

Erste Ideen wurden von den Bürgern in der Informationsveranstaltung schon benannt. Sie können mit dem Abflussmodell nun direkt auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Aquasoli-Chef Unterreitmeier machte aber auch darauf aufmerksam, dass ein Sturzflutrisikomanagement ein langwieriger Prozess sei und deshalb der kurzfristige Schutz vor Starkregen im privaten Bereich beginnen müsse: mit Maßnahmen wie Versicherungsschutz, der bautechnischen Gefahrenabwehr am eigenen Haus oder einem Konzept für das richtige Verhalten im Notfall.

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