Am Westerhamer Wehr
Grünes Licht für Wasserkraftwerk an Mangfall – Naturschützer, Angler & Co. laufen dagegen Sturm
Die Stadtwerke München planen am Westerhamer Wehr den Bau einer Wasserkraftanlage: Warum Naturschützer, der Fischereiverband und Kanusportler gegen das Projekt an der Mangfall Sturm laufen. Und wie sich die Gemeinde Feldkirchen-Westerham positioniert.
Feldkirchen-Westerham – Fast 20 Jahre wird darüber diskutiert, jetzt soll sie kommen: Das Landratsamt Rosenheim hat kurz vor Weihnachten 2023 den Stadtwerken München (SWM) grünes Licht für den Bau einer Klein-Wasserkraftanlage am Westerhamer Wehr gegeben. Und damit für Unmut beim Bund Naturschutz, dem Fischereiverband Oberbayern sowie dem Bayerischen Kanu-Verband gesorgt. In einer gemeinsamen Pressemitteilung zweifeln die Organisationen nicht nur den von den SWM prognostizierten energetischen Ertrag an, sondern prophezeien auch negative Auswirkungen auf Flora und Fauna.
2006 war bei den Stadtwerken München erstmals der Gedanke aufgekommen, mit einem zusätzlichen kleinen Wasserkraftwerk an der Mangfall bei Westerham regenerative Energie zu erzeugen. Hatten die Planer zunächst noch mit einer Leistung von rund 220 Kilowattstunden (kW) gerechnet, waren es zuletzt sogar 310 kW, die die Anlage täglich an Strom produzieren könnte. Ende 2021 hatte der Bauausschuss der Gemeinde Feldkirchen-Westerham einstimmig dem Bau eines für den Betrieb notwendigen Betriebsgebäudes gestimmt. Ende 2023 hatte dann das Landratsamt Rosenheim als untere Wasserrechtsbehörde für den Bau der Anlage grünes Licht gegeben.
Landratsamt verweist unter anderem auf die Fischaufstiegsanlage
„Es galt, einerseits die Erzeugung erneuerbarer Energie an einem bereits seit weit über 100 Jahren bestehenden Wehr mit andererseits den Belangen des Naturschutzes und des Fischschutzes abzuwägen“, teilt Michael Fischer, Sprecher des Landratsamtes Rosenheim, auf OVB-Anfrage mit. „Die Fachbehörden Wasserwirtschaftsamt, untere Naturschutzbehörde des Landratsamtes Rosenheim und Fachberatung für Fischerei des Bezirks Oberbayern haben dem Vorhaben unter Auflagen zugestimmt. Diese Auflagen sind Teil der Bewilligung.“ So werde, um die Durchgängigkeit der Mangfall zu gewährleisten, eine Fischaufstiegsanlage errichtet, zudem die Möglichkeiten für den Fischabstieg verbessert. „Für den Schutz des Fischbestands sorgt außerdem ein Feinrechen vor dem Einlauf der Turbine“, teilt Fischer mit.
Argumente, die weder Bund Naturschutz (BN), noch Fischereiverband Oberbayern oder Bayerischen Kanu-Verband überzeugen. „Auch die in Aussicht gestellte Durchgängigkeit für flussaufwärts schwimmende Fische mittels serpentinenförmig angeordneter Betonbecken garantiert keineswegs eine freie und schadlose ökologische Durchgängigkeit in beide Richtungen“, kommentierte Udo Steinhörster vom Fischereiverband in einer gemeinsamen Presseerklärung der drei Organisationen die SWM-Planungen. Der geplante Feinrechen werde von ihm zwar begrüßt. „Jedoch werden kleinwüchsige Fische und Jungfische diesen Rechen ungehindert passieren und während der Turbinenpassage einer erheblichen Schädigungsgefahr ausgesetzt“, ist sich Steinhörster sicher.
Die drei Verbände ziehen zudem insgesamt den Sinn dieser Anlage in Zweifel. „Der energetische Nutzen einer solchen Anlage ist gering, der ökologische Schaden aber immens“, wird Dr. Gertraud Knopp, Vorsitzende der BN-Ortsgruppe Feldkirchen-Westerham, in dem Schreiben zitiert: „Wasserkraft ist keineswegs die umweltfreundliche Form der Energieerzeugung, als die sie von Seiten der Kraftwerksbetreiber hingestellt wird.“ Knopp weiter: „Sie verursacht erheblichen Schäden an den Gewässern und ihren Lebewesen.“
Verband spricht von „unbedeutendem Beitrag zur bayerischen Stromerzeugung“
Daher sprechen sich die drei Verbände auch deutlich gegen die geplante Wasserkraftanlage am Westerhamer Wehr aus. „Dieser Bau eines neuen Wasserkraftwerks nimmt den kommenden ein, zwei Genrationen jede Möglichkeit auf Wiederherstellung einer naturnahen Passierbarkeit der Mangfall für Menschen und Natur“, teilt Dr. Stefan Schmidt, Ressortleiter Umwelt & Gewässer beim Kanu-Verband, mit. „Das widerspricht nicht nur den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie, sondern auch der in den letzten Jahrzehnten erfolgreich vorangetriebenen ökologischen Renaturierung der Mangfall – und das alles für einen absolut unbedeutenden Beitrag zur bayerischen Stromerzeugung.“
Stadtwerke widersprechen Behauptungen
Behauptungen, denen die Stadtwerke München klar widersprechen. So ist den Stadtwerken zwar klar, dass das Kraftwerk nicht 365 Tage im Jahr „unter Volllast“ laufen werde. Dennoch rechnet das Unternehmen mit einer durchschnittlichen Ökostrom-Produktion von 1,5 Millionen Kilowattstunden jährlich. „Das entspricht einem Verbrauch von rund 600 Haushalten“, wie Michael Silva, Stellvertretender Pressesprecher der Stadtwerke München, gegenüber dem OVB betont.
In Hinblick auf die Kritikpunkte, die die Verbände vorgetragen hatten, verweist Silva darauf, dass die SWM diese „sehr ernst“ nehmen würden. Der Sprecher verweist aber letztlich darauf, dass das Projekt ein behördliches Genehmigungsverfahren durchlaufen habe, „in dem die unterschiedlichsten Aspekte beleuchtet und gegeneinander abgewogen wurden“. Ein klare Absage erteilt Silva hingegen den Forderungen nach einem Rückbau der Wehranlage – „zum einen aus Gründen des Hochwasserschutzes, zum anderen wegen der Nutzung des hier ausgeleiteten Mühlbachs durch ansässige Betriebe“. Die SWM stellten aber „die ökologische Durchgängigkeit an dem Standort in beide Richtungen“ her.
Kommune stellt sich auf die Seite des zukünftigen Betreibers
Auch die Kommune, auf deren Grund das Kraftwerk entstehen soll, positioniert sich klar auf Seiten des Betreibers. „Die Gemeinde Feldkirchen-Westerham begrüßt die Errichtung des Wasserkraftwerks am Westerhamer Wehr als einen bedeutenden Schritt in Richtung nachhaltiger Energieerzeugung“, teilt Karolin Lohwasser, Sprecherin der Kommune, auf OVB-Anfrage mit. „Die Nutzung erneuerbarer Energien ist für uns von zentraler Bedeutung, wenn wir unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen. In diesem Zusammenhang ist es essenziell, auf einen vielfältigen Mix an Energiequellen zu setzen.“
Die Gemeinde hat nach eigenen Angaben zwar „Verständnis für die Einwände von Wassernutzern wie Fischern und Wassersportlern“ und nehme diese ernst, aber: „Ihre Anliegen wurden im Entscheidungsprozess mit einbezogen um sicherzustellen, dass die Interessen verschiedener Gruppen angemessen berücksichtigt werden.“ Lohwasser: „Wir möchten betonen, dass die naturschutzrechtlichen Belange im Zusammenhang mit dem Wasserkraftwerk vom Landratsamt gründlich geprüft wurden und als Auflage festgelegt wurden.“
Feldkirchen-Westerham kommt zu einer anderen Schlussfolgerung
Die Mangfall, die teilweise reguliert werden könne, werde dabei im Einklang mit den Zielen des Naturschutzes gesteuert. „Die Anliegen von Naturschützern, insbesondere hinsichtlich des Wasserstands in der Mangfall wurden berücksichtigt“, so die Sprecherin weiter und ergänzt, dass die Gemeinde in Bezug auf die Auswirkungen auf Flora und Fauna sogar zu anderen Schlussfolgerungen kommt: „Durch einen möglicherweise durch die Wirtschaftlichkeit getriebenen höheren Wasserstand könnte es langfristigen sogar zu positiven Auswirkungen auf die Umwelt kommen.“
Und wie geht es nun weiter mit der Klein-Wasserkraftanlage am Westerhamer Wehr? Bis dort Öko-Strom erzeugt werden kann, wird noch viel Wasser die Mangfall herunterfließen, auch wenn die SWM nach eigenen Angaben „an einer zügigen Umsetzung des Projekts“ arbeiten. Das Problem: Da die Turbinen „für den jeweiligen Standort optimiert und individuell gefertigt werden“, wie Silva erklärt, gäbe es hier eben „kein Produkt von der Stange“. Silva: „Deshalb ist von einer Umsetzungszeit von mindestens drei Jahren auszugehen.“