Zuflucht in schweren Zeiten in Vogtareuth
Weihnachten mit der Sorge ums kranke Kind: Berührender Einblick ins Ronald McDonald-Haus
Die Sorgen um das kranke Kind sind erdrückend. Doch beim Betreten dieses Orts, weicht die Anspannung: Die Rede ist vom Ronald McDonald-Haus in Vogtareuth. Auch zu Weihnachten verleiht es ein Gefühl der Geborgenheit.
Vogtareuth – Welche Momente die besonderen bei Ihrer Arbeit sind? Tanja Forderer-Barlag überlegt einen Moment, dann geht ein Lächeln über ihr Gesicht: „Da gibt es viel, doch mit das Schönste ist, wenn die Familien hier rein kommen, ihr Zimmer sehen, dann das ganze restliche Haus und wenn man dann den Stein richtiggehend hören kann, der ihnen vom Herzen fällt“.
Ein echter Rückzugs- und Zufluchtsort
Da ist das Haus dann eine große, positive Überraschung: Es ist groß, hell, lichtdurchflutet und vor allem: es strahlt schon beim Eintreten ein „Sei willkommen“ und freundliche Wärme aus: Vielleicht ist es ja doch so, dass die Menschen, die in den Häusern leben und arbeiten, an sie etwas abgeben.
Und um Tanja Forderer Barlag und ihr Team zu beschreiben, bestehend aus derzeit einer hauptamtlichen Mitarbeiterin und zehn Ehrenamtlichen, braucht es eigentlich nur zwei Worte: Warmherzig und liebevoll. Für die Eltern ist dieser erste Eindruck durchaus sehr wichtig. Denn von Anfang an zu spüren, dass bei all dem Ungewissen, das auf das kranke Kind und damit die ganze Familie wartet, hier ein fester und sicherer Hafen sein wird, ein echter Rückzugs- und Zufluchtsort - das ist eine große Erleichterung.
Heimat auf Zeit
Und für viele wie etwa Manuela Mayer wird das Haus dann sogar zu einer Art Heimat auf Zeit. Ihr zweijähriger Sohn Florian liegt derzeit noch auf der Intensivstation. Das Haus macht es möglich, dass auch seine Brüder, die beiden neun Monate alten Zwillinge Adrian und Bastian vor Ort sein können.
Manuela Mayer muss sie jetzt nicht übers Wochenende bei der Oma abgeben, dann drei Stunden von Bad Saulgau nach Vogtareuth zu fahren, um bei dem kranken Florian zu sein, für den die Woche über Papa Roland da war. Die Gewissheit, dass sie auch Weihnachten hier in Vogtareuth verbringen werden, schreckt sie nicht: Die Großeltern, sagt Manuela Mayer, werden kommen und auch unter den Familien gibt es schnell Kontakt, zum Beispiel wenn gemeinsam gekocht wird.
Das Ronald-McDonald-Haus in Vogtareuth
Zwanzig Zimmer hat das Ronald-McDonald Haus in Vogtareuth. Die laufenden Betriebskosten des Hauses werden durch Spenden von Unternehmen und Privatpersonen gedeckt. Hierbei zählt jeder Spendeneuro. In einer Gemeinschaftsküche, die von vielen Familien benutzt werden, aber auch im Spielzimmer für die Geschwister der kranken Kinder geht immer etwas kaputt. Herzlichst willkommen wären auch all jene, die sich vorstellen könnten, ehrenamtlich tätig zu werden und etwas von Ihrer Zeit an das Haus und damit an Familien zu verschenken, denen die dadurch gewonnene Normalität durch eine ansonsten schwierige Zeit hilft.
Etwa zu Jennifer und Marc Spinnräker, die wegen ihrer Tochter Elise hier waren, rechtzeitig zu Weihnachten aber wieder nach Hause durften.
Ein Kontakt, der durchaus fröhlich ist. Als die Ehrenamtlichen für die Familien kurz vor Weihnachten einen Samstagsbrunch ausrichteten, gab es an den Tischen viel Gelächter - und ja, durchaus auch glückliche Gesichter. Für Tanja Forderer-Barlag liegt gerade darin ein wichtiger Zweck der Ronald McDonald Häuser: eben nicht nur Aufenthaltsmöglichkeit zu sein, sondern, so weit wie irgend möglich sowas wie ein Stück „Zuhause“ zu bieten. Dreiundzwanzig Häuser gibt es in ganz Deutschland, fünf in Bayern, das Haus in Vogtareuth dabei ganz neu, erst im vergangenen Mai eröffnet. Manches ist deshalb hier noch im Aufbau. So hofft Tanja Forderer-Barlag die Zahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter mit der Zeit auf etwa zwanzig steigern zu können. Erst mit ihrer Hilfe können dann besondere Veranstaltungen wie der Samstagsbrunch zu einer wöchentlichen Regel gemacht werden.
Ausgebaut werden soll auch die Idee des „Volunteerings“. Dabei kommen Firmen mit ihren Belegschaften ins Haus und das Ergebnis ist ein Erlebnistag für alle. Die Mitarbeiter der Firmen haben einen Tag zum Kennenlernen und Zusammenfinden, der einmal so ganz anders aussieht, als die sonst üblichen Veranstaltungen, Rafting etwa, oder gemeinsam irgendwo klettern. Und auch für die Familien im Haus sind solche Tage etwas Besonderes: Bei der letzten solchen Veranstaltungen stürmten die weiblichen Firmenmitglieder die Gemeinschaftsküche, um dort Plätzchen für alle zu backen, während die Männer sich nach draußen begaben, um im Wald stilecht einen Weihnachtsbaum zu „erlegen“ und dann auch gleich aufzustellen und zu schmücken.
Keine Familie ist allein
Kurz, es rührt sich ständig etwas im Haus, keine Familie ist mit sich und ihren Sorgen allein und auf sie zurückgeworfen. Und da sind, auch das kann man wohl nicht hoch genug einschätzen, ja immer wieder Beispiele von Krankheitsgeschichten, die mehr als positiv verlaufen und die auch anderen zeigen, dass man Hoffnung nie aufgeben darf.
Zum Samstagsbrunch vor Weihnachten etwa kam der siebzehnjährige Felix Mikhail mit seiner Familie. Er war an einer besonderen Form einer Gehirnhautentzündung erkrankt, bei der die Überlebenschancen minimal sind. Auch Felix war über Monate dem Tod näher als dem Leben, eine Komplikation folgte auf die nächste und als er aus dem Koma, in das man ihn zeitweilig versetzt hatte, erwachte, konnte er zunächst weder hören noch sehen, musste Gehen und Sprechen erst wieder erlernen.
Doch dem jungen Mann, der an jenem Samstag beim Brunch dabei war, ist all dies nicht anzumerken, auch nicht, dass er auf Prothesen läuft, weil seine zwei Unterschenkel amputiert werden mussten. Zwar musste er jetzt zur Nachkontrolle noch einmal in die Klinik, doch er ist voll und ganz dabei, wieder ins Leben zurückzufinden. Eine Tatsache, die er, wie er selber sagt, auch seiner Familie zu verdanken hat, Eltern und Geschwistern, die nie gänzlich die Hoffnung verloren, es könnte am Ende doch vieles wieder gut werden. Die aber sind sich einig: Dass sie selbst durchgehalten haben und nicht verzweifelten, liegt auch an der besonderen Atmosphäre im Ronald McDonald-Haus, dieser Heimat auf Zeit.



