Tonwerkgelände Kolbermoor
Wege durchs Biotop gesperrt: Warum das Miteinander von Mensch und Tier Hürden braucht
Die grüne Lunge Kolbermoors muss geschützt werden. Damit das Biotop nicht zum „Outdoor-Erlebnispark“ wird, mussten jetzt Wege gesperrt werden. Welche Folgen das für Radler und Wanderer hat.
Kolbermoor – „So ein schönes Stück Natur mitten im städtischen Bereich ist etwas ganz Besonderes.“ Maria Rabenbauer vom Fachbereich Naturschutz des Landratsamtes Rosenheim kennt das Biotop „Tonwerkgelände“ schon lange. Trotzdem ist sie jedes Mal aufs Neue fasziniert: „Vom Blick über den Weiher in die Berge, von den für Nasswiesen typischen Pflanzen und Tieren.“ 1987 wurde der industrielle Abbau von Lehm eingestellt. Sollte das Gebiet ursprünglich für Sportanlagen und einen Volksfestplatz genutzt werden, gelang es der Ortsgruppe des Bund Naturschutz Kolbermoor, den Erhalt der Feuchtflächen durchzusetzen.
Natur erobert das Areal zurück
Der Landkreis kaufte die Biotopflächen mit Zuschüssen aus dem Bayerischen Naturschutzfond. „Seitdem hat die Natur das Gebiet zurückerobert. Die Gruben füllten sich mit Regenwasser, Himmelsteiche entstanden – die Tonwerksweiher“, beschreibt Jürgen Halder vom Bauamt der Stadt Kolbermoor. Mit dem Wasser kehrten Pflanzen zurück, mit ihnen Insekten, Vögel und Wildtiere. „Grau-, Purpur- und Silberreiher sowie andere bedrohte Vogelarten haben sich angesiedelt“, beschreibt Rabenauer. „Am frühen Morgen hört man hier so ein intensives Vogelgezwitscher wie sonst nirgendwo in der Stadt“, weiß Jürgen Halder.
Damit die Natur erhalten bleibt, wird sie behutsam gepflegt. „Aus den Waldbereichen werden nur die Bäume entnommen, die die Sicherheit gefährden“, erklärt Rabenbauer. Landwirte mähen die Streuwiesen nur einmal im Jahr, damit sie nicht verbuschen.
Das etwa 25 Hektar große Areal des Tonwerkgeländes ist zu einem Rückzugsort für Mensch und Tier geworden. Damit das auch so bleiben kann, sollen Hinweisschilder und Hürden nun genau an dieses Miteinander erinnern. Denn aus alter Gewohnheit oder vielleicht auch auch Abenteuerlust benutzen Spaziergänger und Radler Nord-Süd-Abkürzungen quer durch das Biotop – wie beispielsweise den Mittelweg, der zwischen den Weihern hindurchführt. Die Gefahr dabei: Tiere werden aufgescheucht und vergrämt, Pflanzen plattgetrampelt. „Natürlich gibt es nach dem Bayerischen Naturschutzgesetz ein Allgemeines Betretungsrecht“, erklärt Dominik Schlosser. Er ist im Landratsamt der Fachmann für Naturschutzrecht.
Statt Verboten gibt es Hinweise
Deshalb seien die „Hürden“ auch eher psychologischer Natur, werden Hinweise gegeben und keine Verbote ausgesprochen: „Nutzen Sie nicht den Pfad zwischen den beiden Weihern“ oder „Bleiben Sie auf dem ausgeschilderten Rundweg, um das Rückzugsgebiet der Tiere nicht zu stören.“ Aus diesem Grund gilt im Biotop auch eine Anleinpflicht für Hunde bis zu einem Maß von 50 Zentimetern.
Der Rundweg ist knapp zwei Kilometer lang und führt vorbei an Wiesen- und Waldflächen. Gerade schießen die Bärlauchblätter aus dem Boden. Waldameisen haben sich angesiedelt und bauen emsig an ihrem Nest. „Wir haben zahlreiche Nistkästen aufgehängt, um Brutstellen für Vögel und Fledermäuse zu schaffen“, informiert Halder. Im Stadtgebiet sind es inzwischen etwa 80. Einmal im Jahr werden sie von einer Biologin kontrolliert, um ihren Wert für die Natur bemessen zu können. Selbst Fledermäuse haben die künstlichen Domizile angenommen. „Und die sind ganz schön wählerisch“, weiß Maria Rabenabauer. Die Nabu-Ortsgruppe Kolbermoor pflegt drei Aussichtspunkte an den Ufern, damit die Besucher die Weiher genießen können.
Im nördlichen Bereich, direkt am Bienenlehrstand, ist der Trampelpfad quer durchs Biotop erst nach dem Weiher gesperrt. „Schließlich sollen Wanderer das Wasser auch weiterhin genießen können“, macht Halder klar.
Zurück zu den Grundstücksgrenzen
Es sind nicht nur Trampelpfade, die das Biotop gefährden. An der Filzenstraße lassen Anwohner ihre Grundstücke „ausufern“ und nutzen auch den angrenzenden grünen Bereich für ihre privaten Zwecke. Der gehört ihnen allerdings nicht, sondern ist Teil des Biotops „Tonwerkgelände“.
Nach Informationen des Landratsamtes gibt es schon seit Jahren eine Vielzahl an Überschreitungen von Grundstücksgrenzen durch private Eigentümer rund um das landkreiseigene Biotop. Streuwiesen wurden zu Ziergärten umgewandelt und mit nicht einheimischen Pflanzen wie Thuja, Kirschlorbeer oder Bambus bepflanzt. Flächen wurden für die private Nutzung sogar eingefriedet. Schutt- und Grüngutablagerungen im Bereich des Biotops sind fast schon „normal“ geworden.
Nun will das Liegenschaftsamt der Behörde durchgreifen. Mit dem Ziel, so informiert Pressesprecher Michael Fischer, „die genauen Grundstücksgrenzen vor Ort festzulegen, im Anschluss eine Nutzungsunterlassung auszusprechen und den Rückbau bis zu den eigenen privaten Grundstücksgrenzen einzufordern.“


