Neue Kommandanten gewählt
„So was gab‘s noch nie“: Warum Kolbermoorer Kameraden immer öfter einbrechen müssen
Mit einem Einsatz begann der Abend, mit zwei neuen Kommandanten und einer überraschenden Statistik endete er. Was die Jahreshauptversammlung der Kolbermoorer Feuerwehr ans Licht brachte.
Kolbermoor – Vorsitzender Markus Paukert hatte gerade die Stimme erhoben, um nach einer deftigen Brotzeit den offiziellen Teil der Jahreshauptversammlung des Kolbermoorer Feuerwehrvereins zu eröffnen, da schrillten die Piepser der Kameraden im Chor. Die Leitstelle alarmierte die Wehr zur Amtshilfe für den Rettungsdienst. Eine Wohnung sollte geöffnet werden, um eine verunglückte Frau zu versorgen. Drei Fahrzeuge und elf Kameraden rückten aus. Mehr als 70 aktive Feuerwehrler und Gäste warteten in der Feuerwache auf ihre Rückkehr.
187 Einsätze im Jahr 2022
„So etwas gab‘s noch nie“, sagte Franz Wudy, der an diesem Abend ein letztes Mal als Kommandant die ehrenamtliche Arbeit von 101 aktiven Kameraden in den Fokus rückte. „Glücklicherweise wurden wir von Unwettern, Hochwassern und sonstigen Katastrophen verschont, was sich in unserer Einsatzstatistik niederschlägt“, informierte er. 187 Einsätze lagen deutlich unter dem bisherigen Durchschnitt von 200 Einsätzen pro Jahr. „So wenige hatten wir zuletzt 2006.“
Wie gesellschaftliche Probleme das Ehrenamt fordern
Dafür schlägt sich der gesellschaftliche Wandel immer stärker auf die Arbeit der Feuerwehr nieder. „Die Anforderungen an die Ersthelfer der Feuerwehr erhöhen sich, weil unser Gesundheitswesen an seine Grenzen stößt“, betonte Kreisbrandrat und Kolbermoorer Vereinsmitglied Richard Schrank. Den Kolbermoorer Kameraden gelang es im vergangenen Jahr, 35 Menschen zu retten. Sieben Personen wurden leider nur noch tot aufgefunden und geborgen.
Die technische Hilfeleistung nahm mit 100 Einsätzen an Bedeutung zu. Wie sich am Abend fast schon exemplarisch zeigte, gehört auch das Öffnen von Wohnungen dazu. „Wir spüren, dass es in Kolbermoor viele Single-Haushalte mit älteren Menschen gibt“, betonte Wudy. Im vergangenen Jahr wurde die Wehr 32-mal zu Wohnungsöffnungen gerufen, das entspricht einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 23 Prozent. 18-mal war die Drehleiter im Einsatz, um den Rettungsdienst dabei zu unterstützen, Patienten liegend aus ihren Wohnungen zu befördern – dreimal so oft wie noch im Vorjahr.
Jeder Kamerad widmet dem Gemeinwohl vier Wochen seiner Zeit
Hinzu kamen im Jahr 2023 unter anderem auch 35 Brände, 17 Alarmierungen aufgrund von Brandmeldeanlagen, 16 Gefahrengut-Einsätze, acht Sicherheitswachen und sieben Erste-Hilfe-Leistungen. An den insgesamt 187 Einsätzen waren 2454 Kameraden mit 2620 Stunden beteiligt.
Das ehrenamtliche Engagement der Kolbermoorer Feuerwehr umfasst allerdings weitaus mehr Stunden: übers Jahr insgesamt 13.724. Auf die 101 aktiven Kameraden heruntergebrochen, sind das 135,9 Stunden pro Mann und Frau. „In Arbeitswochen ausgedrückt bringt jeder aktive Kamerad fast vier Wochen seiner Zeit zum Wohl der Allgemeinheit auf“, machte Wudy klar. „Vier Wochen pro Kamerad. Das ist enorm!“, würdigte auch Zweiter Bürgermeister Dieter Kannengießer diese ehrenamtliche Leistung.
Ausbildungsmarathon für Spezialisten
Den Mammutanteil der Stunden (8360) und damit 23 Prozent mehr als im Vorjahr setzen die Kameraden für Ausbildungen ein. Diese beginnen mit Grundlehrgängen für den Nachwuchs wie Jugendflamme, Jugendleistungsprüfung, Wissenstests, dem Basismodul der Modulen Truppausbildung oder auch dem Lkw-Führerschein.
In ihrer aktiven Zeit bei der Feuerwehr absolvieren die Kameraden zahlreiche weitere Spezialausbildungen – darunter unter anderem zum Maschinisten für Löschfahrzeuge oder für Hubrettungsfahrzeuge, Sonderausbildungen für Erste Hilfe, als Atemschutzgeräteträger, für den Schienenverkehr, zum Arbeiten mit Motorsägen, zur Bedienung des neuen Löschroboters für Tiefgaragen „WallE“, Einsatzübungen am Brandcontainer, Lehrgänge für Führungskräfte oder zur Verbesserung des Katastrophenschutzes im Landkreis.
Zweiter Bürgermeister Kannengießer würdigte das gute Miteinander mit der Feuerwehr und den hohen Ausbildungsstandard der Kameraden: „Ihr seid fachlich hervorragend ausgebildete Menschen. Wir Bürger dieser Stadt sind froh, dass wir Euch haben.“
Acht Kameraden wegen fehlender Wohnungen verloren
Im vergangenen Jahr wurde die Truppe mit 19 Zugängen gestärkt, gleichzeitig aber mit zwölf Abgängen geschwächt. „Wir könnten noch mehr sein: Acht Kameraden haben wir verloren, weil sie in Kolbermoor keine Wohnung gefunden haben“, machte Wudy klar und wiederholte seine Bitte an Stadt und Privatvermieter, „aktiven Feuerwehrleuten bevorzugt eine Wohnung zu vermieten“.
In der sechsjährigen Amtszeit von Franz Wudy ist die Zahl der aktiven Kameraden von 77 auf 101 gestiegen. Und das trotz Corona-Pandemie und Umbau der Feuerwache. Einen wesentlichen Anteil daran hat die Jugendfeuerwehr mit 28 Kameraden, was Kreisbrandrat Richard Schrank besonders würdigte: „Wenn das Feuer in den Ausbildern brennt, springt es auf die jungen Kameraden über. Mit 1084 Mitgliedern haben wir im Landkreis die stärkste Jugendfeuerwehr Oberbayerns.“
Daniel Gebert neu auf der Kommandobrücke
Weil die „60 in Reichweite ist“ trat Franz Wudy nicht noch einmal zur Wahl an. Armin Hörl, Zweiter Kommandant, dankte ihm im Namen der Truppe „für die enorme Zeit“, die er dem Ehrenamt gewidmet hat und „für eine aufrichtige Zusammenarbeit“. Mit 92 Prozent der Stimmen wurde Hörl anschließend zum neuen Ersten Kommandanten der Kolbermoorer Feuerwehr gewählt. Neuer Zweiter Kommandant ist Daniel Gebert, der 75 Prozent der Stimmen auf sich vereinigte.
Auch im Vereinsvorstand gab es Veränderungen: Stellvertretender Vorsitzender Mathias Klein legte sein Amt nieder. Diese Position bekleidet künftig Wolfgang Müller. Dessen bisheriges Amt als Revisor übernimmt Markus Nagl.
Vereinsvorsitzender Markus Paukert konnte zahlreiche Ehrungen vornehmen, unter anderem für 70, 50 und 40 Jahre Vereinsmitgliedschaft. Zudem wurden Kameraden für ihre Leistungen befördert. Darüber wird in einem gesonderten Beitrag berichtet.


