Nach Bluttat in Wasserburg
Arzt (†64) wohl gezielt mit Küchenmesser erstochen: Was bisher bekannt ist und was nicht
Ein Arzt arbeitet mit Straftätern in einem psychiatrischen Krankenhaus. Nach Dienstschluss wird er plötzlich vor der Klinik angegriffen und stirbt. Es gibt einen Tatverdächtigen. Was war das Motiv? Was bisher bekannt ist:
Wasserburg am Inn – Wasserburg unter Schock: Der Mord an einem 64-jährigen Oberarzt im kbo-Inn-Salzach-Klinikum löste am Dienstag (9. April) deutschlandweit großes Entsetzen aus. Der Mediziner, der mit psychisch kranken und suchtkranken Straftätern arbeitete, wurde wohl gezielt von dem mutmaßlichen Täter (40) angegriffen. Bei dem Verdächtigen handelt es sich nach ersten Ermittlungen laut ersten Informationen um einen ehemaligen Patienten des Opfers. Polizei und Staatsanwaltschaft teilten am Dienstag dazu nur mit, es gebe Hinweise darauf, „dass zwischen dem Opfer und dem mutmaßlichen Täter vor einigen Jahren ein berufsbedingter Kontakt bestand“. Ein Polizeisprecher wollte sich auf Nachfrage nicht detaillierter dazu äußern.
Mutmaßlicher Täter handelte wohl gezielt
Am Dienstag habe ein Ermittlungsrichter eine Unterbringung des Mannes in einer niederbayerischen Fachklinik angeordnet. Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei ermitteln nun wegen Mordes gegen den Mann, der kurz nach der Tat am Montagabend blutverschmiert von Polizisten festgenommen wurde. Nach Medienberichten soll der 40-Jährige aktuell nicht als Patient in der Klinik behandelt worden sein, sondern sei extra für die Tat angereist. Nach Polizeiangaben wurde die mutmaßliche Tatwaffe, ein Küchenmesser, sichergestellt.
Der Regierungsbezirk Oberbayern ist Träger der betroffenen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, psychosomatische Medizin, Geriatrie und Neurologie in Wasserburg am Inn. Nach Angaben einer Bezirkssprecherin war der 64 Jahre alte Mediziner seit vielen Jahren in der Klinik beschäftigt. Ob der Forensikarzt vor der Tat bedroht worden sei, wisse sie nicht - dem gehe die Polizei nach. „Er hat nur mit Rechtsbrechern gearbeitet, im Maßregelvollzug“, sagte die Sprecherin. Der Angriff sei nach dem Dienstende des Mannes erfolgt.
Tatverdächtiger in Münchner Fachklinik untergebracht
Nach dem Vorfall wurde der Verdächtige zur Untersuchung in eine forensische Fachklinik Haar im Landkreis München gebracht, bevor er nach Niederbayern verlegt wurde. Dort wird geprüft, ob er möglicherweise psychisch beeinträchtigt ist. Über sein mögliches Motiv sind bisher keine Informationen bekannt.
Ein Zeuge hatte am Montagabend kurz nach 18 Uhr die Polizei auf das Opfer aufmerksam gemacht. Die Beamten waren eigentlich wegen eines anderen Einsatzes auf dem Gelände der Klinik. Ersthelfer kümmerten sich um den Verletzten, der jedoch kurz darauf verstarb. Das Küchenmesser soll der Tatverdächtige seinem Opfer in den Oberkörper gerammt haben. Laut Medienberichten soll der 40-Jährige offenbar selbst die Polizei gerufen und angegeben haben, dass er vor der Kirche festgenommen werden könne.
Der Verdächtige konnte unweit des Tatortes auf dem Klinikgelände widerstandslos festgenommen werden. Der Deutsche stammt aus Norddeutschland, jedoch wurde nicht bekannt gegeben, aus welchem genauen Ort er stammt. Der 40-Jährige soll laut Informationen der Mediengruppe Bayern längere Zeit in Traunreut im Landkreis Traunstein gelebt haben und jahrelang unter einer Drogensucht gelitten haben und immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und auch vor Gericht (in den Jahren 2008 und 2011) gelandet sein. „Als psychiatrischer Gutachter war damals sein jetziges Opfer an den Verfahren beteiligt“, so die Mediengruppe Bayern. Als Pflichtverteidiger sollte ihm nun auf seinen Wunsch ein Anwalt aus München beiseite gestellt werden.
Klinikgelände für jedermann zugängig
Das Klinikgelände ist nach Bezirksangaben ein offenes Areal. „Der überwiegende Teil der psychisch kranken Menschen bei uns ist kein Rechtsbrecher“, sagte die Sprecherin. Vielfach gehe es bei diesen Menschen um Selbstgefährdung statt um Fremdgefährdung.
Von Fällen, bei denen medizinisches Personal der Klinik tödlich verletzt wurde, wisse sie bislang nichts. „Es gibt niemanden im Krankenhaus, der sich an eine derartige Tat erinnert.“ Der Betrieb im Klinikum lief auch am Dienstag weitgehend normal weiter, wie die Sprecherin sagte. „Es sind ja Patienten da.“ Allerdings habe es für Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben, sich an Notfallseelsorge und Krisenintervention zu wenden.
Beim Maßregelvollzug geht es um die Unterbringung von psychisch- oder suchtkranken Straftätern zum Schutz der Bevölkerung und zur Therapie der Betroffenen. Eine Möglichkeit ist die Unterbringung von Straftätern in einem psychiatrischen Krankenhaus. Voraussetzung ist, dass jemand bei der Tat nur vermindert oder gar nicht schuldfähig war und für die Allgemeinheit weiterhin gefährlich ist.
Tödliche Angriffe auf medizinisches Personal selten
Gewalttätige Übergriffe auf medizinisches Personal mit Schwerverletzten oder gar Toten sind nach Erkenntnis der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) sehr selten. „Solche dramatischen Sachen gibt es extrem selten“, sagte BKG-Sprecher Eduard Fuchshuber. Schutz sei nur bedingt möglich. Viele Krankenhäuser setzten gerade für Mitarbeiter in Notaufnahmen auf Selbstverteidigungskurse oder Schulungen zum Thema Deeskalation.
Fuchshuber zufolge sind vor allem die Mitarbeiter in Notaufnahmen von verbalen Angriffen wie Beleidigungen und Bedrohungen, aber auch körperlichen Übergriffen betroffen. Zahlen dazu habe er aber nicht. „Hauptsächlich passiert das in den Notaufnahmen, da wo eine bestimmte Stresssituation ist, weil Patienten lange warten müssen oder sich ungerecht behandelt fühlen, weil ständig andere Patienten scheinbar bevorzugt werden.“ Manche Kliniken wie in München engagierten zu besonders kritischen Zeiten wie beim Oktoberfest zusätzlich einen Wachdienst, um Mitarbeiter zu schützen.
mh/dpa