Beratungsstelle Donum Vitae
Abtreibung oder doch ein Kind? Was Ulrike in Wasserburg betroffenen Frauen rät
Tabu-Thema Schwangerschaftsabbruch: Am 28. September ist der „Tag der sichereren Abtreibung“. Ulrike Schauberger von Donum Vitae in Wasserburg berät bei Schwangerschaftskonflikt. Ein Gespräch über das Für und Wider.
Wasserburg – Ein kleines Schild am Hauseingang der Schustergasse 6 mit den Worten „Staatlich anerkannte Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen“ ist alles, was daraufhin deutet, dass hier mehrfach im Jahr darüber gesprochen wird, ob Leben entstehen wird oder nicht. Schwangere, die über einen Abbruch nachdenken, werden hier beraten, beziehungsweise müssen zur Beratung gehen, bevor sie abtreiben können, so schreibt es das Gesetz vor. Ansonsten machen sich die Frauen laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs strafbar. Am 28. September, dem Tag der sicheren Abtreibung, wird regelmäßig über den Paragrafen diskutiert. Auch über die Beratungspflicht: Während es einige Abtreibungsgegner als „Lizenz zum Töten“ einschätzen, kritisieren viele Befürworter die Pflicht als „weitere Hürde für Frauen“.
„Oft ist die Beraterin die einzige, die von der Schwangerschaft erfährt“
Zwischen diesen beiden Fronten befindet sich Ulrike Schauberger. Seit einem halben Jahr ist sie eine der Leiterinnen von Donum Vitae Rosenheim. Seit über 20 Jahren arbeitet sie in der Schwangerenberatung. 3.300 Gespräche führen sie und ihr Team im Jahr, 270 davon sind Schwangerschaftskonfliktberatungen. In der Außenstelle Wasserburg, die Montag, Mittwoch und Donnerstag geöffnet hat, sind es 388 Gespräche, bei 26 davon ging es um Schwangerschaftskonflikt, berichtet Schauberger. Allein von Gesetzeswegen her, sitzt sie zwischen den beiden Stühlen. „Die Beratungen sollen dem Schutz des Lebens dienen und gleichzeitig ergebnisoffen sein“, erklärt Schauberger. Diesen Spagat zu schaffen, sei manchmal nicht so einfach.
„Abbrüche hat es schon immer gegeben und ich finde, es ist wichtig, dass Frauen sicheren Zugang dazu haben und dies ärztlich begleitet durchführen können“, sagt sie. Oft sei es aber nicht so einfach: „Im Rosenheimer Raum gibt es hierfür keine Möglichkeit und die Frauen müssen für diesen Eingriff nach München fahren. Auch einen Termin zu erhalten, ist manchmal schwierig“, sagt sie. sagt sie. Gleichzeitig sei sie aber großer Befürworter der Beratungspflicht. „Oft ist die Beraterin die einzige, die von der Existenz der Schwangerschaft erfährt“, sagt sie. „Für die meisten Frauen ist es eine Erleichterung, darüber sprechen zu können.“ Das würden auch die jahrelangen Erfahrungen zeigen. „Die Beratung wird von den Frauen im Nachhinein als hilfreich und entlastend bewertet. Eine interne Befragung an unserer Beratungsstelle zeigte, dass viele Frauen ohne Beratungspflicht jedoch nicht zum Gespräch gekommen wären.“
Nach dem Strafgesetzbuch dürfen Schwangere erst drei Tage nach dem Gespräch einen Abbruch durchführen lassen. Diese „Bedenkzeit“ bewertet Schauberger positiv. „Sie ist für viele hilfreich“, sagt sie. Denn oft kämen Frauen zu ihr, die sich in einer Ausnahmesituation und unter großen Druck befänden. „Fast jede Frau kennt dieses Gefühl, wenn die Periode einmal später kommt und diese Frage aufkommt: Was, wenn ich schwanger bin?“, sagt sie. „Es ist wichtig, nach dem Gespräch ein paar Tage zu haben, um zur Ruhe zu kommen.“ Denn entgegen der Annahme gehe es bei der Beratung nicht darum, sofort eine Entscheidung zu treffen. „Unser Auftrag ist es, Hilfsmöglichkeiten und Perspektiven zu eröffnen, damit die Frauen eine zukunftsfähige Lösung für sich finden können“, sagt Schauberger.
Große Frage: Was wäre, wenn?
Oft ginge es um folgende Fragen: Was wäre, wenn? „Was wäre, wenn ich schwanger bleiben würde? Wie würde mein Leben aussehen, welche Hilfen gebe es? Aber auch: Was wäre, wenn ich den Abbruch durchführen würde? Wie kann ich damit umgehen? Ist diese Schwangerschaft für mich schon Leben oder nicht? Und wenn ja, wie kann ich Abschied nehmen? Wie kann ich trauern?“ Natürlich sei alles sehr individuell und hänge von der Religiosität, Kultur und den Werten der Frau ab. Die Beratung von Donum Vitae passe sich entsprechend an die Bedürfnisse und Nöte an, so Schauberger.
Viele Frauen seien in ihren Gefühlen und Einstellungen der Schwangerschaft gegenüber ambivalent. Sie wüssten oft nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen. „Was ich immer wieder höre: Ich habe nie gedacht, dass ich einmal in eine solche Situation gerate“, sagt Schauberger. Frauen, die bisher immer der Überzeugung waren, die Schwangerschaft natürlich auszutragen, würden sie plötzlich infrage stellen und Frauen, die glaubten, ein Abbruch sei für sie kein Problem, würden plötzlich zweifeln. „Man kann sich die Situation im Vorfeld nur schwer vorstellen“, erklärt die Leiterin.
Ebenso individuell wie die Reaktionen seien auch die Frauen selbst. „Es gibt keine Schublade, wo Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft reinpassen. Zwischen 14 und 49 Jahren ist jedes Alter dabei.“ Jede Berufsgruppe und soziale Schicht sei vertreten. Oft würden zu den Konfliktberatungen Paare kommen. Auch die Gründe, die Schwangerschaft infrage zu stellen, seien sehr unterschiedlich. „Manche befinden sich in der Ausbildung oder im Studium und können sich nicht vorstellen, eine Schwangerschaft auszutragen. Andere haben bereits mehrere Kinder und fühlen sich mit einem weiteren überfordert. Oder die Familienplanung ist bereits abgeschlossen. Wieder andere sind alleinerziehend und haben Angst vor der Herausforderung “, sagt Schauberger.
Ängste spielen eine Rolle
Natürlich würden auch Ängste eine Rolle spielen: der Klimawandel, die Inflation, der Ukraine-Krieg. Immer wieder käme die Frage auf: Kann man in diese Welt noch ein Kind setzen? „Auch während der Corona-Zeit hatten wir einen Anstieg bei den Konfliktberatungen“, erzählt Schauberger. Die Unsicherheit, die Belastung für Familien durch Homeschooling und Homeoffice, die Frage, wie geht es weiter, habe sich hier gezeigt. „In ruhigen Zeiten finden mehr Frauen den Mut, schwanger zu bleiben“, sagt Schauberger. Auch eine familienfreundliche Gesellschaft sei hilfreich, davon ist die Beraterin überzeugt. „Wenn wir genügend Unterstützung anbieten können, wie zum Beispiel finanzielle Hilfen und ausreichend Kita-Plätze, hilft es den Schwangeren, Ja zu sagen.“
Sie weiß aber auch: „Keine Frau macht sich diese Entscheidung leicht.“ Außerdem gebe es selten den einen Grund, warum über einen Abbruch nachgedacht wird. „Es ist oft ein ganzes Geflecht an finanziellen, sozialen und individuellen Umständen.“ Immer wieder kämen auch Frauen, insbesondere mit Migrationshintergrund, die sich allein gelassen fühlen. „Wenn die Familie nicht vor Ort ist, fragen sich die Schwangeren oft: Wie soll ich das ganz alleine stemmen?“
Schauberger versucht den Frauen aufzuzeigen, wie es klappen könnte. Trotzdem will und darf sie keinen Weg vorgeben oder zu einer Entscheidung drängen. Die Beratung soll eben zum Schutz des Lebens und gleichzeitig ergebnisoffen sein. Denn schlussendlich sei es die Frau selbst, die entscheide, was mit ihrem Körper passiert. „Ich kann ihr nur zuhören, Perspektiven schaffen und ihr Versprechen, in jeden Fall, weiter für sie da zu sein.“