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„Quadro Nuevo“ im Kultur- und Kongresszentrum

Konzert zur neuen Lokschuppen-Ausstellung: Warum Mulo Francels Heldin seine Oma ist

Filmheldin Ladybug und Musikheld Arm in Arm: Mulo Francel mit Trickfilmfigur vor dem Lokschuppen.
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Filmheldin Ladybug und Musikheld Arm in Arm: Mulo Francel mit Trickfilmfigur vor dem Lokschuppen.

„Quadro Nuevo“ bringen Mythen und Legenden jetzt musikalisch auf die Bühne. Der Lokschuppen Rosenheim lädt am Dienstag, 12. März, zum Eröffnungskonzert für seine neue Ausstellung „Heldinnen & Helden“ ein. Im Interview erzählt Musiker Mulo Francel von seinen persönlichen Helden, von inspirierenden Begegnungen und von der Musik, die „Quadro Nuevo“ für das Konzert geschaffen hat.

Rosenheim – Im Kultur- und Kongresszentrum erwartet die Besucher eine abenteuerliche musikalische Weltreise, wie Mulo Francel im Interview erzählt.

Hast Du einen persönlichen Held oder eine persönliche Heldin?

Mulo Francel: Jeder Mensch hat seine persönlichen Helden, also ‚personal heroes‘. Bei mir als Musiker sind das natürlich auch Künstler. Beispielsweise gefällt mir als Saxophonist Stan Getz sehr gut, der in den 60er und 70er Jahren berühmt war. Es gibt aber auch Leitfiguren in meiner Familie, zum Beispiel meine Oma. Sie war eine wahnsinnig lebensfrohe Frau. 1915 mitten im Ersten Weltkrieg geboren hat sie zwei Weltkriege erlebt. Vertreibung, Leid, Tod naher Angehöriger. Als ihr Mann in Kriegsgefangenschaft war, musste sie ihre Kinder alleine durchbringen. Sie mussten Hals über Kopf aus Tschechien fliehen und sich ein neues Leben aufbauen. Sie hat sich nie beklagt, lebte immer im Hier und Jetzt und war fröhlich. Wenn sie den Raum betrat, war es stets, als würde die Sonne aufgehen, egal, welches Wetter war. Sie könnte ich als meine persönliche Heldin bezeichnen. Oder Leute, die sich gesellschaftlich engagieren. Beispielsweise in der sozialen Arbeit. Oder im Rosenheimer Sebastian-Finsterwalder Gymnasium, wo ich Abitur gemacht habe. Hier gibt es ein Projekt „Schule ohne Rassismus“, in dem sich Schülerinnen und Schüler für ein interkulturelles Zusammenleben engagieren. Das sind für mich Helden inmitten unserer Gesellschaft, und das werden wir in unserem Konzert auch thematisieren.

Ihr seid wie immer vor Eurem Eröffnungskonzert viel gereist. Habt Ihr eure Reiseziele nach berühmten Helden ausgesucht? Oder seid ihr eher zufällig auf Heldinnen und Helden gestoßen?

Francel: Wir waren beispielsweise vergangenen Herbst auf großer Brasilien-Tournee. Zwar waren wir in erster Linie zum Spielen dort, haben aber immer die Augen offengehalten und sind so auch einigen Helden begegnet. Das werden wir im Konzert thematisieren. Im Frühjahr kommt unser neues Album heraus. Es heißt „Happy Deluxe“. Nicht, weil ich glaube, dass jeder immer happy sein muss, sondern weil uns diese Fröhlichkeit, Freundlichkeit und Geduld vieler Menschen in Brasilien so beeindruckt hat. Weil wir in unserem manchmal problembehafteten Alltag, in Zeiten von Kriegen und Krisen, ein Gegenüber mit Freundlichkeit und Geduld brauchen. In Rio kann man zur riesigen Christus-Statue auf dem Corcovado fahren. Das haben wir gerade vor dem Hintergrund des Helden-Konzertes gemacht. Wir haben also an unterschiedlichsten Orten Heldinnen und Helden abgefilmt. Daraus ist eine richtige Heldengalerie entstanden – ein fünfminütiger, eindrücklicher Film, zu dem wir unseren neuen Song „Personal Hero“ spielen. Insofern sind unsere Eröffnungskonzerte für den Lokschuppen immer exklusiv und einzigartig. Das gibt es auf keiner anderen Bühne! Den Song selbst haben wir auch extra für das Konzert komponiert.

Man kann natürlich jeden Helden zur Diskussion stellen: Ist das ein wahrer Held oder nicht? Jesus kann für viele Menschen eine Leitfigur sein. Johann Sebastian Bach etwa, ein begnadeter Komponist, hat sich maßgeblich an der Jesusfigur orientiert und viele Stücke für ihn geschrieben. „Jesu bleibet meine Freude“ hat er nachts in der Leipziger Thomaskirche erdacht.

Welche Städte habt ihr noch besucht?

Francel: Beispielsweise London. Dort waren wir im Victoria-&-Albert-Museum, wo es eine große Ausstellung über Diven gab. Was mich dort aber noch mehr beeindruckt hat, waren die großen Buddha-Statuen, die aus Asien stammen. Für Menschen, die buddhistisch leben, ist er deren Held. Buddha ist keine Gottheit, sondern eine Figur, die einem vorgibt, wie man leben sollte. Dann waren wir in Berlin, an der Straße des 17. Juni. Da steht Bismarck auf dem Sockel. Es ist aus heutiger Sicht natürlich höchst zweifelhaft, ihn heute noch als Helden darzustellen. Man kann ihn als einen sehen, der Deutschland als Nation verstanden hat, man kann ihn aber auch als Kriegstreiber sehen. Das ist ja auch das Konzept der Ausstellung im Lokschuppen. Es ist keine Huldigungs-Ausstellung, sondern sie hinterfragt: Wen stelle ich aufs Podest und sage, das ist ein Held? Und wen muss ich leider vom Podest stoßen, nachdem ich mich kritisch mit diesem Menschen auseinandergesetzt habe? In Nürnberg beispielsweise gibt es eine sehr schöne Albrecht-Dürer-Statue und sein Wohnhaus. Das hätte ich mir ohne das Helden-Thema nicht angeschaut. Aber so bin ich hingegangen, habe ihn abgefilmt und bin ihm auf diese Weise nähergekommen. Dann war ich in Ecuador und in Kolumbien. In Südamerika stößt man auf unterschiedliche „Helden“, je nach Blick und Epoche: einerseits die Eroberer, die Conquistadores, andererseits die Eingeborenen, die Indigenas, die sich gegen die Einwanderer aufgelehnt, ihren Boden und ihre Lebensweise verteidigt haben. Leider ist ihnen das nicht gelungen. Aber auch unter ihnen gab es Helden. Südamerika ist natürlich auch der Kontinent der Fußballstars. Deshalb werden wir auch dies thematisieren und spielen dazu unseren Song „7:1“ zum Spiel Deutschland gegen Brasilien bei der Weltmeisterschaft vor zehn Jahren. Dazu zeigen wir ein Video. Ich will nicht allzu viel verraten, aber es ist ein augenzwinkernder kleiner Film, in dem auch der Gitarrist Paolo Morello mitspielt.

Wenn man die Helden-Blockbuster im Kino sieht, verbindet man das mit bombastischer und dramatischer Musik. Welche Musik erwartet die Besucherinnen und Besucher eures Konzertes?

Francel: Wir spielen keine Bombast-Musik. Da müsste man schon große Orchester auffahren. Das sind wir ja nicht. Man kann sich an Helden orientieren, ohne bombastischen Sound zu veranstalten. Aber wir werden die auf Leinwänden dargestellten Avatare vermutlich ebenso musikalisch thematisieren wie Helden des Altertums, etwa Odysseus oder Penelope. Unsere Musik ist World-Music, die sich aus verschiedenen Kulturen speist. Sie steht auch unter dem Eindruck der griechischen und der kaukasischen Kultur. Man kann das schwer in Worte fassen. Rhythmische Grooves aus dem östlichen Mittelmeerraum sind ein Teil davon.

Wer darf deiner Ansicht nach in einer Ausstellung „Heldinnen & Helden“ nicht fehlen?

Francel: Vermutlich Superman oder Spiderman, aber die sind in der Ausstellung eh zu sehen. Das sind jetzt nicht meine persönlichen Helden. Ich denke aber, es geht bei diesem Thema um eine große Bandbreite an Helden. Es gab und gibt viele tolle Menschen. Beispielsweise Dietrich Bonhoeffer. Ein Theologe, der von den Nazis umgebracht wurde. Er hat vorher noch unglaublich schöne Texte an seine Verlobte geschrieben, die voller positiver Würde sind. Auch ein Held! Es geht also nicht darum, einen Helden allgemeingültig auf ein Podest zu stellen, sondern Leitfiguren für sich selbst zu entdecken. Um sich an ihnen immer wieder hochziehen zu können, wenn man niedergedrückt ist, wenn man in Problemen steckt, oder wenn man die täglichen Nachrichten anschaut. Bonhoeffer schrieb kurz vor seinem tragischen Ende noch: „Wir sind von guten Mächten geborgen.“ Und an anderer Stelle äußert er vor seinem allzu frühen Tod: „Es gibt ein erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche.“ Positiver geht’s nicht.

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