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Gewalt und Glaskäfige

Massive Kritik an JVA Bernau: Das sagt die Anstaltsleitung zu den Vorwürfen

Ein Wachmann steht im Gefängnis Norgerhaven vor einer Zelle.
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SYMBOLBILD --- Ein Wachmann steht im Gefängnis Norgerhaven vor einer Zelle.

Vorwürfe gegen die Justizvollzugsanstalt Bernau erhebt die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter. Was die Knast-Kontrolleure genau kritisieren. Und was Anstaltsleitung dazu sagt.

Bernau – Die Justizvollzugsanstalt Bernau ist ein besonderes Gefängnis. Sie ist wegen des sumpfigen Untergrunds nur von einem hohen Zaun, nicht aber von Mauern umgeben. Der Blick schweift weit in eine idyllische Umgebung, Wiesen, Bäume, Berge. Nicht nur deswegen soll die JVA Bernau bei den Häftlingen den Spitznamen „Die grüne Hölle“ haben. Sie gilt vielmehr auch als besonders hartes Gefängnis. Zwei Häftlinge starben dort innerhalb der vergangenen fünf Jahre, immer wieder kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Haft in der JVA Bernau teilweise menschenunwürdig und erniedrigend

Auch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter hat einiges an der JVA Bernau auszusetzen. Sie kritisiert in ihrem jüngsten Jahresbericht Teile der Haftbedingungen als menschenunwürdig und erniedrigend. Es sind vor allem Dauer und Art der Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen, die den Prüfern bei einem Besuch im Dezember 2022 unangenehm auffielen.

Die Räume in Haus 1 ähnelten mit ihrer Glasfront zwischen Vorraum und Haftraum „Glaskäfigen“. Mindeststandards seien unterschritten. Auch seien Häftlinge in diesen besonders gesicherten Zellen unverhältnismäßig lange untergebracht, oft über zwei Wochen und bis zu 91 Tage lang. Die Räume seien allenfalls mit einer Matratze auf dem Fußboden ausgestattet, „einige Gefangene erhielten über mehrere Tage bis Wochen keine Matratze“. Auch seien die Gefangenen in der JVA Bernau „häufig bloß mit einer Papierunterhose“ ausgestattet. Das sei, verbunden mit der Kameraüberwachung, „schamverletzend“.

Bayerisches Justizministerium weist Vorwürfe zurück

Das bayerische Justizministerium verteidigte die Einrichtung der Zellen. Zuvor seien Mitarbeiter der JVA wiederholt angespuckt oder mit Fäkalien beworfen worden. Die besonders gesicherten Hafträume schützten die Mitarbeiter vor Angriffen der Gefangenen, sagte ein Ministeriumssprecher. Es gehe um „die körperliche Unversehrtheit sowie Würde der eingesetzten Bediensteten“.

Dem OVB gegenüber hat sich nun auch die Leitung der JVA geäußert. Es liege im ureigensten Interesse jeder Justizvollzugsanstalt, „Zahl, Dauer und Umfang der in Rede stehenden besonderen Sicherungsmaßnahmen so gering wie möglich zu halten“, schrieb JVA-Leiter Jürgen Burghardt. Fakt sei aber auch, dass das vor allem in den vergangenen Jahre „zunehmende Herausforderungen für den Justizvollzug“ entstanden seien.

Nur begrenzte Möglichkeiten, um auf Herausforderungen zu antworten?

Die rechtlichen Handlungsspielräume im Umgang mit inhaftierten Personen, „die aus welchen Gründen auch immer extreme Verhaltensweisen zeigen, bewegten sich in klaren Grenzen“. Burghardt weiter: „Gefängnisse sind dabei – ebenso wie forensische Kliniken – leider oftmals diejenigen Einrichtungen, die als Letzte in der Verantwortung stehen und entsprechende Situationen zu bewältigen haben.“ 

Und das tut die JVA eben auch mithilfe der gläsernern Zellen. Nach Auskunft des Ministeriums – mit Verweis auf das bayerische Strafvollzugsgesetz – können Gefangene in besonders gesicherten Hafträumen untergebracht werden, „wenn nach ihrem Verhalten oder auf Grund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maß Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmords oder der Selbstverletzung besteht“. Die Hafträume seien in der Regel gefliest und verfügten über Fußbodenheizung, Belüftung sowie eine „möglichst reduzierte Ausstattung, um eine Gefährdung sowohl des Gefangenen als auch Dritter zu minimieren“.

Besonders gesicherte Zellen: Was das Ministerium alles vorsieht

Die gesichert Eingesperrten werden laut Ministerium psychologisch und ärztlich betreut. Dauere die Unterbringung länger als drei Tage, müsse das bayerische Justizministerium informiert werden. Eingesperrt werde nach dem „Ultima-Ratio-Prinzip“ – also wenn es gar nicht mehr anders gehe. Im Falle eines Eritreers durfte zu lang gewartet worden sein. Sein offenbar psychisch kranker Mitinsasse brachte ihm im Oktober 2020 in der Zelle tödliche Verletzungen bei. Zu klären ist das vorerst freilich nicht, das Ministerium weigert sich mit Verweis auf Persönlichkeitsschutz, Auskünfte zu dem Fall zu geben.

Drogen und rivalisierende Kriminelle: Was die Haft in Bernau so hart macht

In den vergangenen Jahren wurden öfter Beschwerden über die Haftumstände in der JVA Bernau laut. Immer wieder kommt es auch zu körperlichen Auseinandersetzungen. Schon im Jahr vor dem Tod des Eritreers war in der JVA Bernau ein Häftling gewaltsam ums Leben gekommen – eine Seltenheit in bayerischen Haftanstalten. Zuletzt hatte 2008 ein Häftling in Straubing einen Mitinsassen getötet. Entzugserscheinungen, Traumata, Störungen und Rivalitäten unter Kriminellen aus rund 50 verschiedenen Ländern, die in Bernau einsitzen: Diese Gründe machen Ministerium und JVA-Leitung immer wieder für die besondere Gemengelage in Bernau verantwortlich.

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