Kolbermoorer übernachtet ein Jahr im zelt
14.000 Rad-Kilometer nach Afrika & zurück: Was Lukas (23) mit „schnüffelnden wilden Tieren“ erlebt hat
Unter einer „Radtour“ stellen sich die meisten Menschen wohl etwas anderes vor. Lukas Cablitz aus Kolbermoor strampelte 14.000 Kilometer in die Pedale, um nach Afrika und wieder zurückzukommen. Wie er auf die unglaubliche Idee kam und welche wilden Tiere ihn erstarren ließen.
Kolbermoor – Nein. Zwei Wochen „All Inclusive Strandurlaub“ kommen für Lukas Cablitz nicht infrage. Der 23-jährige Kolbermoorer versteht unter Urlaub etwas ganz anderes. Für ihn bedeutet Reisen vor allem die Möglichkeit, „etwas von der Welt zu sehen“. Und genau das macht Cablitz – am liebsten auf dem Fahrrad. Dass man mit diesem Fortbewegungsmittel etwas mehr Zeit einplanen muss, liegt in der Natur der Sache. Dass der gelernte Bauzeichner jedoch nun fast ein ganzes Jahr auf dem Radsattel unterwegs war, gefährlichen Tieren begegnete, fremde Kulturen kennenlernte und dabei auch vor Kontinentalgrenzen nicht Halt machte, war auch für den jungen Mann eine neue und besondere Erfahrung.
„Diese Leidenschaft begann, als mich ein Freund vor ein paar Jahren danach gefragt hat“, erzählt Cablitz gegenüber dem OVB. Seitdem hat er bereits ein paar „Radtouren“ innerhalb Europas, etwa von Deutschland nach Spanien oder nach Schottland, in den Beinen. Als er im vergangenen Jahr seinen bisherigen Job kündigte, nach dem er für noch eine größere Reise Geld gespart hatte, ahnte er aber nicht, wo ihn sein Drahtesel überall hin tragen würde. „Ich hatte mir keine Deadline gesetzt und wusste auch nicht genau, wo ich genau unterwegs sein werde“, sagt Cablitz. Einzig das Ziel, das westafrikanische Land Gambia, stand zu Beginn fest.
Mit dem Fahrrad durch die Wüste
„Von früheren Spendenaktionen habe ich einen Freund in Gambia, der dort in einer Schule arbeitet und den ich besuchen wollte“, erzählt der 23-Jährige. Alles, was auf der Reise bis nach Gambia passierte, sei jedoch spontan gewesen. Erstmals wagte er sich also alleine auf eine ganz besondere Reise und stieg am 4. September 2023 auf sein Fahrrad und verließ seine Heimatstadt Kolbermoor in südwestlicher Richtung. Dabei radelte er durch Frankreich, Spanien, Portugal, kam dann im Dezember per Fähre nach Marokko und strampelte von dort aus weiter durch die Sahara in Mauretanien.
„Mit dem Rad durch die Wüste zu fahren, ist natürlich nicht vergleichbar mit den gut ausgebauten Fahrradwegen innerhalb der EU.“ Doch abseits der Straßenverhältnisse habe Cablitz durchweg nur gute Erfahrungen gemacht. „Gerade, wenn die Verhältnisse schwierig sind, helfen die Menschen dort zusammen“, erinnert sich der Kolbermoorer an bedingungslose Gastfreundschaft, an Menschen, die einem auf dem Weg eine Flasche Wasser aus dem Auto reichen oder an Locals, die ihn einfach mal zum Essen einluden.
„Wenn du dann nachts im Zelt liegst und merkst, dass wenige Zentimeter von deinem Kopf entfernt ein wildes Tier schnüffelt, wird einem schon extrem mulmig.“
Von Mauretanien ging es weiter über den Senegal bis nach Gambia. Bis auf eine Handvoll Ausnahmen, verbrachte Cablitz jede Nacht auf seiner Isomatte im Zelt, lebte autark, mit einem Gaskocher und einer Solarzelle. „Irgendwann hat sich das Zelt dann wie mein Zuhause, wie mein Safe Space angefühlt“, sagt der Oberbayer. Und da er durchweg „wild“ zeltete, also irgendwo in der Natur, machte er dabei natürlich auch mit wilden Tieren Bekanntschaft. Krokodile, Schlangen, Warzenschweine, Kamele, Affen oder auch Bären. „Wenn du dann nachts im Zelt liegst und merkst, dass wenige Zentimeter von deinem Kopf entfernt ein wildes Tier schnüffelt, wird einem schon extrem mulmig“, erinnert sich der 23-Jährige, der in diesen Momenten atemlos auf seiner Isomatte erstarrte.
Doch all dies schreckte ihn nicht ab. „Wenn man Angst hat, dann darf man eine solche Reise gar nicht antreten“, erklärt der leidenschaftliche Radfahrer. Dies änderte auch nichts daran, dass die Einheimischen und auch die örtlichen Polizeibehörden von Übernachtungen im Freien, was teils etwa auch mit der Mafia-Kriminalität zusammenhing, abrieten. Passiert ist am Ende glücklicherweise nichts und Cablitz erreichte im März Gambia, wo er bei der Familie seines dortigen Freundes „Lamin“ ein paar Wochen unterkam. Dort unterstützte er unter anderem ein Hilfsprojekt, mit dem Brunnen erbaut werden.
„Außerdem dachte ich mir, dass meine Reise auch einen Sinn machen könnte“, sagt Cablitz und verweist auf eine spontan entstandene „GoFundMe“-Spendenaktion (https://gofund.me/be24c47a). Während seiner Reise informierte er Interessierte über eine Homepage über seine Etappen und rief gleichzeitig zu Spenden auf. „Am Ende kamen über 1000 Euro zusammen, wovon zum Beispiel hunderte Schulbücher für die Kinder gekauft werden konnten.“
14.000 Kilometer auf dem Sattel
Nach ein paar Wochen ging es für den Kolbermoorer, der auch in der Heimat in der Regel alles mit dem Rad erledigt, mit dem Flugzeug in die Türkei und von dort aus mit dem Rad durch Griechenland, Nordmazedonien, Kosovo, Albanien, Montenegro, Bosnien, Kroatien, Slowenien und Österreich wieder nach Hause. Insgesamt spulte er rund 14.000 Kilometer auf dem Fahrradsattel ab, was sich laut Cablitz nach einer kurzen Eingewöhnung aber wie Laufen angefühlt habe. „Nach einer Woche tut der Arsch mal weh, dann gewöhnt man sich aber an das tägliche Fahren.“ Gleiches gelte für das Zelten. Doch als er vor kurzem in Kolbermoor ankam, freute er sich dann doch, endlich wieder mal in seinem richtigen Bett zu schlafen.
Und nachdem ihm sein Trip auch kulinarisch neue Welten eröffnet hatte, fehlte ihm das heimische Essen dann doch irgendwann ein wenig. „Das erste, was ich hier unbedingt wieder essen wollte, war ein richtiger Kaiserschmarrn“, erzählt Cablitz. Auch Schnitzel oder Kässpatzen sollten in den ersten Wochen zuhause wieder auf seinem Teller landen.
Was von seiner einzigartigen Radtour bleibt, sind vor allem atemberaubende Erlebnisse und herzliche Gespräche mit den Menschen vor Ort, „die sich freuen, wenn jemand zu Besuch ist und die sich wirklich für einen interessieren“. Dabei erinnert er sich etwa an den Moment, als er in ein kleines afrikanisches Dorf radelte und ihn sofort 20 Kinder jubelnd empfingen. „Mir wurde im Nachgang natürlich auch klar, was wirkliche Probleme sind“, sagt der 23-Jährige und spricht über 14-jährige afrikanische Jugendliche, die ohne Eltern auf ihre kleinen Kinder aufpassen müssen.
Was er für den deutschen Alltag mitnimmt
In Deutschland herrsche oft viel Stress und etliche Menschen stünden kurz vor einem Burnout. Als Planer und Kalkulator für Actionsportparks werde Cablitz bald selbst wieder anfangen zu arbeiten und dabei versuchen, „nicht in ein Hamsterrad“ zu geraten. Denn natürlich erlebe er hier eine gewisse Art des Kulturschocks und viele Menschen wüssten nicht, welche Vorzüge das Leben in Deutschland eigentlich mit sich bringe.
Klar ist aber auch, dass die Radtour nach Gambia nicht seine letzte große Tour in die weite Welt hinaus war. „Jetzt hat mich der deutsche Alltag erstmal wieder, aber Pläne gibt es viele“, verrät Cablitz. Dabei schielt er auf eine Afrika-Umrundung, eine Tour nach Asien oder einen Fahrrad-Trip nach Süd- und Nordamerika. Bis es in einigen Jahren wieder so weit sein könnte, so der Kolbermoorer, müsse er sich zunächst mit kleineren mehrwöchigen Touren begnügen. 14 Tage „All Inclusive Strandurlaub“ gehören dabei ganz sicher nicht zu seinen Vorhaben.



