„Die Auswirkungen des Klimawandels werden von Jahr zu Jahr spürbarer“
Vom Sorgenkind zum Vorzeigemodell: Das tut Amerang für die Energiewende
Amerang ist seit zehn Jahren Vorreiter in Sachen Energiewende. Das bisher bedeutsamste Projekt der Gemeinde steht schon in den Startlöchern.
Amerang - Die Gemeinde Amerang hat sich mit vorausschauender Gemeindepolitik in den vergangenen 25 Jahren vom hochverschuldeten Sorgenkind zu einer oft zitierten Vorzeigegemeinde mit Gewerbestandort gemausert. Die Gemeindeverantwortlichen haben über Jahrzehnte und Parteipolitik hinweg, die Ortsentwicklung mit zukunftsorientierten, oftmals azyklischen Entscheidungen nachhaltig weiterentwickelt, erklärt Bürgermeister Konrad Linner.
2013 habe sich Amerang auf den Weg gemacht, mit einem Nutzungskonzept die Energiewende vor Ort voranzutreiben und die entsprechenden Bausteine seither kontinuierlich umgesetzt. Auch die diesjährige Haushalts- und Finanzplanung wurde ganzheitlich betrachtet und von den sich ändernden Rahmenbedingungen im Klima- und Energiebereich beeinflusst. „Die Auswirkungen des Klimawandels werden von Jahr zu Jahr spürbarer. Zudem hat sich die Situation bei den fossilen Energiestoffen und damit praktisch im gesamten Energiesektor durch den Angriffskrieg in der Ukraine schlagartig verändert“, sagt Linner.
Die Gemeinde Amerang habe glücklicherweise schon frühzeitig die Weichen für eine nachhaltige Entwicklung gestellt, zeigt sich der Rathauschef überzeugt. So sei die Errichtung der Photovoltaik-Anlage auf dem Bauhof, die den erzeugten Strom zu zwei Drittel an die nahe Kläranlage liefere, ein Resultat aus dem Energienutzungskonzept. Bei der Sanierung oder Errichtung der gemeindlichen Liegenschaften seien stets die Folgekosten beachtet und möglichst nachhaltige Energieerzeugungsanlagen ausgewählt worden, erklärt er.
Schule und Gemeindehalle mit Pellets beheizt
Die Schule und die Gemeindehalle würden aus einer gemeinsamen Pelletsanlage beheizt, bei der Straßenbeleuchtung konnte der Energieverbrauch durch die Umrüstung auf LED-Leuchten im Jahr 2017 von vormals über 50.000 kWh im Jahr halbiert werden. 2016 nahm die Gemeinde an einem Pilotprojekt des Amtes für ländliche Entwicklung teil und errichtete die erste öffentliche E-Ladestelle im Ort, so Linner. Aktuell beschloss der Gemeinderat die E-Ladesäule zu erneuern, da sie für den Verkauf erforderliche eidrechtliche Voraussetzungen nicht mehr erfülle. Die Energiethematik spiegelt sich auch in der derzeit geplanten Installation von Photovoltaikanlagen auf gemeindlichen Liegenschaften wider. Für heuer sind dafür 300.000 Euro und 2024 abermals 150.000 Euro eingeplant.
Zudem plane die Gemeinde auf dem neuen Kinderhaus eine Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 60 kWp. Insgesamt würden in den nächsten Jahren Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von rund 500 kWp zu den schon bestehenden rund 80 kWp errichtet. Diese Anlagen sollen teilweise als Überschuss-Einspeiseanlagen aber auch Direkt-Einspeiseanlagen betrieben werden. Rechnerisch lässt sich damit rund die 1,5-fache Menge des gemeindlichen Stromverbrauchs selbst erzeugen, erläutert der Rathauschef.
Neben der Erzeugung steht für die Gemeinde damit auch die Reduzierung der Netzbezugsmengen
und damit die Minderung der Abhängigkeit von den Strompreisen im Vordergrund. Die Gemeinde starte aktuell auch Planungen für die erforderlichen Freiflächenanlagen. Vorgesehen ist die Ausweisung von Vorrangflächen im gesamten Gemeindegebiet sowie die Vorgabe zur Betriebsform, so Linner. Dazu seien im Haushaltsplan entsprechende Planungsleistungen angesetzt.
Darüber hinaus soll im Haushaltsjahr das etwa 30 Jahre alte Feuerwehrgerätehaus Amerang energetisch saniert werden. Dafür würden 150.000 Euro zum Austausch der Heizung, der Erneuerung der Tore und der Umrüstung der Beleuchtung bereitstehen. Ergänzend ist auch die sukzessive Umrüstung der Beleuchtung in LED im Rathaus und in der Schule geplant, erklärt der Rathauschef.
Nahwärmeversorgung in Kammer
Das im Hinblick auf die Energiethematik bedeutsamste Projekt stellt auch die geplante Nahwärmeversorgung für das Baugebiet Kammer dar. Nach aktueller Planung sind hierfür Ausgabemitteln in Höhe von rund zwei Millionen Euro eingeplant, um die Anwesen im Baugebiet künftig mit Wärme zu versorgen. Die Nahwärmeversorgung soll als kostenrechnende, öffentliche Einrichtung betrieben werden. „Doch auch Grund und Boden ist kostbar“, betont der Bürgermeister.
Bei den aktuellen und künftigen Bauleitplanungen sei ein sorgsamer Umgang mit Grund und Boden stets ein bedeutender Planungsbelang. Zwar beabsichtige die Gemeinde auch künftig Flächen für Wohn- und Gewerbebauland ausweisen. Um einer übermäßigen Flächenversiegelung entgegenzuwirken, werde auf eine angemessene verdichtete Bebauung großen Wert gelegt. Die hierfür erforderlichen naturschutzrechtlichen Ausgleichsflächen sollen vorzugsweise im Ameranger Moos bereitgestellt werden, so Linner.
Die Gemeinde habe schon vor vielen Jahren damit begonnen, minderwertige Flächen anzukaufen, ökologisch aufzuwerten und – soweit nicht für laufende Verfahren benötigt – ins Ökokonto überzuführen. Für den Erwerb, beziehungsweise die Anlage solcher Flächen sind jährlich 40.000 Euro im Haushalt eingeplant. „Insgesamt ist festzustellen, dass zwar durch den Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Energiewende erfolgen, die Umsetzung jedoch vor Ort erfolgen muss. Die Gemeinden sollen dabei eine aktive Rolle als Vorreiter einnehmen und nicht zuletzt im eigenen Interesse die finanziellen Ressourcen bereitstellen.“, appelliert Linner.
Amerang wolle auch hier mit gutem Beispiel vorangehen. In der Haushalts- und Finanzplanung der Gemeinde sind dazu bereits beachtliche Projekte eingestellt, die zukünftig noch deutlich weitreichender sein würden, meint der Bürgermeister.