Tierheim Rosenheim
Toffee (7) fünfmal übers Internet verkauft: Online-Handel zwingt Tierheim zu Konsequenzen
Ein Hund wird mehrmals über Kleinanzeigen verkauft, ein anderer wird zwei Stunden nach Bezahlung im Tierheim abgegeben. Der Online-Handel mit Hunden, Katzen und Reptilien boomt. Einige von ihnen landen im Tierheim. Aber das Tierheim Rosenheim ist überlastet. Es zieht nun Konsequenzen.
Rosenheim – Seit neun Monaten sitzt Toffee alleine in seinem Gehege. Ein richtiges Zuhause hatte der Schäferhund-Mix nie. Denn Toffee wurde mehrmals über die Handelsplattform, Kleinanzeigen verkauft. Er wanderte von einer Familie in die Nächste. Irgendwann war es zu viel. Der siebenjährige Rüde biss seine Besitzer. Diese gaben ihn schließlich im Tierheim Rosenheim ab. Nun sind dort alle Plätze belegt. Denn der Online-Handel boomt. Sehr zum Entsetzen von Andrea Thomas, Vorsitzende des Tierschutzvereins Rosenheim.
„Wir sind rappelvoll. Und wenn wir Tiere vermittelt haben, kommen schon die nächsten zu uns“, sagt Thomas. Für 36 Hunde bietet das Tierheim Platz. Derzeit seien 29 bei ihnen, wovon 23 Privatabgaben sind. Das sei unüblich. Denn in der Regel handelt es sich bei den meisten Tieren um Fundtiere. Das führte dazu, dass eine Warteliste erstellt wurde. 15 Familien warten zurzeit auf einen freien Platz, um ihren Hund abgeben zu können.
Der Hauptgrund für die vollen Tierheime sieht Thomas im Online-Handel. Immer mehr Menschen kaufen Tiere im Internet. „Viele haben eine klare Vorstellung, wie der Hund auszusehen hat“, sagt die Vereinsvorsitzende. So würden viele Menschen lieber ein Rassentier als einen Mischling haben wollen. Aber auch Welpen seien sehr begehrt – Und diese gibt es nur selten im Tierheim. „Es sollten keine Tiere mehr übers Internet gekauft werden“, sagt Thomas. Denn Tiere sollten nicht wie aus einem Versandkatalog bestellt werden.
Nach zwei Stunden schon im Tierheim
Passt der Hund doch nicht zur Familie, kommt er schnell ins Tierheim oder wird ausgesetzt. Und auch die Vermittlung von Hunden werde immer schwieriger. „Die Leute müssen sich mit der Vorgeschichte des Tieres und seinen Problemen auseinandersetzen. Im Internet werden solche Sachen in den meisten Fällen nicht genannt“, sagt Thomas. Der Handel im Internet gehe schneller und sei unkomplizierter. Das dachten sich wohl auch die Besitzer von Bingo. Der Schäferhund wurde ebenfalls über Kleinanzeigen verkauft. In Österreich holten ihn seine neuen Besitzer ab. Nur zwei Stunden später landete der Rüde im Tierheim Rosenheim. Denn er bellte zu viel. Vor allem fremde Hunde mochte Bingo eher weniger.
„Tiere, die abgegeben oder ausgesetzt werden, können nur schwer mit dieser Situation umgehen“, sagt Thomas. Es gebe Rassen, die unter dieser Situation mehr leiden als andere. Einige werden im Tierheim hippelig, da sie von ihrer Art her empfindlicher seien.
Doch nicht nur die Hunde werden im Internet gehandelt. Auch Reptilien sind sehr beliebt, weiß die Vereinsvorsitzende. In ihrem Tierheim sind Schlangen und Schildkröten keine Seltenheit. Einige geben die Reptilien direkt ab, viele werden aber im Wald oder in Gärten ausgesetzt. „Wir erleben immer wieder, dass Babyschildkröten aus dem Ausland mitgebracht werden. Einige merken dann, dass sie hier nicht artgerecht gehalten werden können und setzen sie dann irgendwo aus“, sagt Thomas.
„Katzenschwemme“ überfüllen Tierheim
Ein weiterer Grund für das volle Tierheim sei auch die Situation bei den Katzen. „Wir haben nie unter 100 Katzen bei uns im Tierheim“, sagt Thomas. Vor Weihnachten seien es sogar 138 Katzen gewesen. Und nun erwartet die Vorstandsvorsitzende die nächsten „Katzenschwemme“.
„Jedem Tierheim wäre geholfen, wenn es eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht gäbe. Es braucht sie dringend“, sagt Thomas. Um, den Leiden von frei lebenden Katzen entgegenzuwirken, wünscht sich die Vereinsvorsitzende die Einführung der Katzenschutzverordnung. Katzenbesitzer müssten ihre Tiere kastrieren lassen, wenn sie einen unkontrollierten Auslauf haben und älter als fünf Monate sind. Doch das führt zum nächsten Problem: einige Besitzer scheuen sich vor den gestiegenen Tierarztkosten. Auch deren Katzen werden ausgesetzt oder im Tierheim abgegeben.
Landratsamt Rosenheim will unterstützen
Unterstützung bekommt Andrea Thomas vom Landratsamt Rosenheim. „Bürgerinnen und Bürger müssen für die Problematik der unkontrollierten Vermehrung verwilderter, herrenloser Hauskatzen sensibilisiert werden“, teilt Sibylle Gaßner-Nickl, Pressesprecherin des Landratsamts, mit. In dieser Woche wird ein Meldeformular auf der Website des Landratsamts hochgeladen, das dabei helfen soll, die Katzenpopulation im Landkreis zu erfassen. Im ersten Schritt sollen Daten gesammelt und evaluiert werden. „Im Anschluss wird dann geprüft, ob eine Katzenschutzverordnung für den Landkreis notwendig ist“, sagt sie.
