Forderung nach einer Katzenschutzverordnung
Kranke Katzen im Todeskampf: So groß ist das Streuner-Problem in Rosenheim
Viele freilebende Katzen sind krank und unterernährt. Jetzt fordert der Tierschutzverein Rosenheim die Einführung einer Katzenschutzverordnung. Damit kämen auf Katzenbesitzer höhere Kosten zu.
Rosenheim – Wieder einmal klingelt das Telefon von Anna Thomalla: Ein besorgter Nachbar informiert die ehrenamtliche Tierschützerin über ein Katzenjunges auf einem verlassenen Grundstück. Es habe Katzenschnupfen, eine hochansteckende Infektionskrankheit, die Atemwege und Augen befällt. Thomalla fährt sofort dorthin und fängt das Tier ein. Kurze Zeit später schläfert der Tierarzt das Kätzchen ein. Und das sei kein Einzelfall. „So etwas habe ich nicht nur zweimal im Jahr, sondern das findet täglich vor unserer Haustüre statt“, sagt Thomalla.
Seit 20 Jahren engagiert sich Thomalla ehrenamtlich für Tiere in Not. Nachdem sie in Rente gegangen ist, ist sie fast täglich in Rosenheim und Ostermünchen unterwegs. Am Anfang habe er immer darüber geschimpft, dass sie ihre Freizeit vergeude, erzählt ihr Ehemann Johannes. „Dann zeigte sie mir Videos von den kranken Katzen und ich sagte ihr, sie muss weitermachen.“ Eine weitere Kollegin übernimmt die Region Raubling. Dennoch würden sich beide über weitere ehrenamtliche Helfer freuen.
Inzucht und Krankheiten führen zum frühzeitigen Tod
Bei den meisten Streunern handelt es sich um domestizierte Hauskatzen, die ausgesetzt oder entlaufen sind. Sie seien eigentlich auf die Fürsorge der Menschen angewiesen, da sich die kleinen Vierbeiner nicht alleine ernähren können. Deutschlandweit gibt es laut dem Deutschen Tierschutzbund geschätzt etwa zwei Millionen Streunerkatzen. Diese sind für die Bevölkerung jedoch weitgehend unsichtbar. Denn die meisten von ihnen halten sich in ländlichen Regionen auf und siedeln sich bei Bauernhöfen, leerstehenden Anwesen oder Schrebergärten an. Auch in Rosenheim treten vermehrt Streuner auf.
„Viele Menschen schauen einfach weg und denken sich, darum kümmert sich schon ein anderer“, sagt Anna Thomalla. Ihr Ehemann sieht das genauso: „Andere sagen aber auch: Soll es doch die Natur regeln.“ Inzucht, Krankheiten und Hunger führen bei den meisten Katzen zu einem frühzeitigen Tod. „Das Schlimme ist, dass sie ja nicht sofort sterben, sondern sie meist zwei bis drei Tage im Todeskampf liegen.“
Der Tierschutzverein, Nachbarn oder Landwirte informieren Thomalla über die Orte mit Katzenkolonien. Dort angekommen erkundet sie zuerst die Umgebung und beginnt Fallen mit Futter aufzustellen. „Die Fallen sind absolut stress- und schmerzfrei für Mensch und Tier“, erklärt Thomalla.
Über mehrere Tage werden die Katzen an einer Stelle angefüttert. So lernen sie, dass es dort jeden Tag für sie Futter gibt. Bevor die Fallen scharf gestellt werden, spricht sich Thomalla mit einem Tierarzt ab. „Am Tag des Einfangens und Kastrierens fällt für die Katzen das Essen aus und erst am nächsten Tag, wenn sie wieder in Freiheit sind, gibt es wieder etwas.“ Neben der Kastration werden die tierischen Patienten mit einem Mikrochip oder eine Ohrtätowierung gekennzeichnet. Eine Nacht bleiben sie zur Überwachung beim Tierarzt, ehe Thomalla sie wieder an ihren Platz bringt.
„Es ist wichtig, die operierten Katzen dann noch zwei Wochen zu beobachten. Deshalb stellen wir kontrollierte Futterstationen auf“, sagt Thomalla. Diese Anlaufstellen geben ihr die Möglichkeit, den Gesundheitszustand und die Anzahl der Tiere zu überprüfen. Aufgrund der Kennzeichnung können Neuzugänge an den Futterstellen gleich erkannt und ebenfalls kastriert werden. Zur Zeit betreut die Rentnerin 20 Futterstationen. „Es ist eine Arbeit, die viel Zeit und Geld in Anspruch nimmt, denn das Futter bezahle ich überwiegend aus eigener Tasche.“ Aber auch Privatleute und Spenden sorgen regelmäßig für die Befüllung der Futterstellen.
Forderung der Katzenschutzverordnung
Um dem Leiden entgegenzuwirken, fordern Thomalla und der Tierschutzverein Rosenheim die Einführung einer Katzenschutzverordnung. Damit müssten Katzenbesitzer ihre Tiere kastrieren lassen, wenn sie einen unkontrollierten Auslauf haben und älter als fünf Monate sind. Auch die Kennzeichnung wäre verpflichtend. Und Gemeinden könnten freilebende Katzen kennzeichnen und kastrieren lassen, wenn kein Besitzer ausfindig gemacht werden kann. „Für uns wäre es sehr wichtig, wenn es eine Katzenschutzverordnung gibt, denn das würde auch zu einer Entlastung der Tierheime führen“, erklärt Andrea Thomas, Erste Vorsitzende des Tierschutzvereins Rosenheim.
19.018,60 Euro für Kastration und Behandlung
„Im Jahr 2022 hat der Tierschutzverein Rosenheim außerhalb des Tierheims 78 Streunerkatzen und 58 Streunerkater kastrieren lassen“, erklärt Thomas. Neben der Kastration werden weitere Behandlungen durchgeführt, die für die Gesundheit erforderlich sind. „Die Kosten des Vereins für Kastration und Behandlung belaufen sich auf 19.018,60 Euro netto“, sagt Thomas. Es gäbe auch einige Privatleute, denen beim Einfangen ihrer Streunerkatzen geholfen wurde, die dann auch die Tierarztkosten selbst bezahlen.
Aber warum wird eigentlich das Problem mit den Streunerkatzen immer größer? Mit fünf Monaten sind die Katzen bereits geschlechtsreif. „Eine Katze hat zwei bis drei Würfe pro Jahr mit durchschnittlich zwei bis fünf Jungtieren“, erklärt Thomas. Bei verwilderten Katzen erhöht sich die Anzahl der Katzen rapide und gerät schnell außer Kontrolle. Die Ansiedlung von Katzenkolonien sorgt außerdem oft für Frust bei Anwohnern und Landwirten. Durch ihre Hinterlassenschaften verunreinigen sie Beete und Futtermittel und besonders unkastrierte Kater haben ein ausgeprägtes Markierverhalten.
Thomas bittet daher, auch die eigenen Katzen kastrieren zu lassen. Doch hierbei stoße sie oft auf taube Ohren: „Ein Grund warum viele ihre Katzen nicht kastrieren lassen wollen, sind die gestiegenen Tierarztkosten.“ Jedoch bringe eine Kastration viele Vorteile mit sich: Kastrierte Katzen bleiben in der Nähe ihres Zuhauses und lassen sich weniger auf Kämpfe ein. „Die Gleichgültigkeit in der Gesellschaft wächst immer weiter“, sagt Thomalla. Ihr dringender Appell ist daher, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen.


