Nachruf
Trauer um singendes Obern-Dirndl von Chieming: Heidi Kerner im Alter von 84 Jahren verstorben
Sie waren ein weit über den Chiemgau bekanntes Gesangs-Duo: Die Obern-Dirndl Heidi Kerner und Marianne Wörndl. Kerner ist nun im Alter von 84 Jahren verstorben.
Chieming/Bernau – Die Volksmusikwelt in Bayern ist um eine Persönlichkeit ärmer geworden: Heidi Kerner aus Chieming verstarb nach schwerer Krankheit im Alter von 84 Jahren. Mit ihrer Schwester Marianne Wörndl aus Bernau am Chiemsee war sie weitum als die „Obern-Dirndl“ bekannt geworden. Ganze 70 Jahre traten sie als die aus dem Obernhof in Chieming stammenden Dirndl bei zahlreichen weltlichen und kirchlichen Veranstaltungen im Chiemgau und weit darüber hinaus auf.
Hunderte von Veranstaltungen haben sie mit ihrem Zwoagesang gestaltet und verschönert. Dabei machten sie Tausenden von Menschen mit ihren Liedern und Jodlern eine Freude. Vor 20 Jahren feierte das Duo zusammen mit einem Dank-Abend in der Bernauer Pfarrkirche St. Laurentius ihr 50-jähriges Sängerjubiläum mit den Gebrüdern Rehm, doch das war nicht das Ende einer langen Sing-Gemeinschaft, denn „gesungen wird, wenn´s Freude macht“.
„Wenn wir zusammen sind, dann packt uns das Singen spontan. Noch oft haben wir seit unserem Jubiläum bei kirchlichen oder familiären Feiern gesungen, weil uns das Singen einfach selbst so viel Freude macht“, erzählte Kerner damals beim Jubiläum und ihre Schwester fügte hinzu: „Das Singen wurde uns von unserer Mutter in die Wiege gelegt. Sie sang selbst mit ihrer Schwester und sie war trotz der entbehrungsreichen und zeitraubenden Arbeit auf unserem Obernhhof 24 Jahre im örtlichen Kirchenchor.“
Auftritte nur in Dirndl-Tracht
In ihrem dankbaren Rückblick hielten sie fest: Mit etwa zwölf Jahren hatten sie ihren ersten öffentlichen Gesangsauftritt. Das war bei der Primiz von Prof. Dr. Dr. Peter Stockmeier in Hemhof, zustande gekommen durch die Tante des Pfarrers. Dieser war selbst Bauernbub und freute sich darüber, dass auch damals rarer Dirndl-Gesang seine Primiz-Feier verschönerte.
Von da an ging es im wahrsten Sinne bergauf, die Schwestern hatten ihre helle Freude am Singen und an der Freude der Zuhörer. Die Eltern waren stolz und finanzierten den ansonsten fleißig am Hof und im Feld mitarbeitenden Töchtern schöne, von einer Stör-Näherin gefertigte Dirndlkleider. Immer mehr und öfter kamen Veranstalter auf die Obern-Dirndl mit ihren Wünschen zu. Die Auftritte mehrten sich und die Entfernungen wurden immer weiter. „Wir aber blieben uns treu, wir traten nur mit unserer Dirndl-Tracht auf, denn davon waren die Leute genauso begeistert wie von unserem Gesang“, erzählte Wörndl, die einige Jahre beim Chieminger Trachtenverein dabei war. Ihrer Schwester war das wegen der vielen Hof- und Stallarbeit nicht möglich.
Auftritte von Almen bis zum Mittelmeer
Zahllose Auftritte im Chiemgau bei Almfesten und Heimatabenden bewirkten die Aufmerksamkeit einflussreicher Persönlichkeiten. So folgten unter anderem ein Auftritt in der Ostseehalle in Kiel („mit 128 Mikrofonen“) und schon bald Schiffs- und Kreuzfahrten ins Mittelmeer und nach Norwegen. „Unvergesslicher Höhepunkt im wahrsten Sinne war eine IBM-Tagung auf 3.454 Metern Höhe in der Schweiz, als wir mit der Zahnradbahn zum Jungfern-Joch auf Europas höchstgelegenen Bahnhof fuhren“, ein Beispiel der Reisetätigkeit und Beliebtheit der Obern-Dirndl. Doch daheim waren sie im Chiemgau. Da traten sie bei Jubiläen von Vereinen, unter anderem bei „50 Jahre Waldfeste beim Trachtenverein Atzing“ im Jahr 2012, und zugunsten von kirchlichen Anlässen, wie für die Wallfahrtskirche Maria Eck, auf.
Dabei ergaben sich immer wieder vielfältige Kontakte und Freundschaften: Das eigene 50-jährige Gesangs-Jubiläum feierten sie 2005 in der Bernauer Pfarrkirche „St. Laurentius“ zusammen mit den Gebrüdern Rehm. „Als ganz einfache Bauerndirndl kamen wir weit herum und konnten viel erleben. Unter anderem als wir einmal eingeladen waren von Dr. Peter Gauweiler zur von ihm vorgetragenen Lesung Heilige Nacht in der Bayerischen Vertretung von Berlin. Das bleibt wirklich unvergessen“, sagte Kerner, die ebenso keine Noten lesen konnte wie ihre Schwester.
Singen, solange es die Stimme noch mitmacht
Diese hatte sich zudem das Gitarrenspiel selbst erlernt und fügte abschließend hinzu: „Für fünf bayerische Ministerpräsidenten haben wir gesungen. Viele Persönlichkeiten wie Franz Beckenbauer lernten wir kennen. In München trafen wir mehrmals vor dem späteren Papst Joseph Ratzinger auf und mit dem Bayerischen Rundfunk (BR) haben wir auch gerne und oft zu tun gehabt.“ An den Bayerischen Rundfunk denken Wörndl und Kerner auch, als es einmal darum ging, den Namen zu ändern: „Als wir verheiratet waren, wollten wir uns Obern-Sängerinnen oder Obern-Zwoagesang nennen. Der Leiter der Volksmusikabteilung vom BR riet uns davon ab und so blieben wir bis heute die Obern-Dirndl“.
Auf die Frage, wann das vor über 70 Jahren begonnene gemeinsame Singen aufgehört hat, gab es spontan und unisono die Antwort: „Bis jetzt noch nicht, wenn wir beisammen sind, dann singen und jodeln wir, weil es uns Freude macht und es die Stimmen noch mitmachen“. Auch wenn die Obern-Dirndl auch künftig noch auf Tonträgern oder im Radio zu hören sein werden, die Stimme von Heidi Kerner ist auf Erden verstummt.
Die Trauerfeier für Heidi Kerner in der Kirche „Mariä Himmelfahrt“ in Chieming beginnt am Dienstag, 4. Februar, um 14 Uhr. Die Beerdigung schließt sich auf dem Chieminger Friedhof an.


