Ein Blick hinter die Kulissen
„Top Player im Tourismus“: 78.000 Urlauber pro Jahr – Ist das Fluch oder Segen für die Aschauer?
Fast 78.000 Urlauber kamen im vergangenen Jahr nach Aschau im Chiemgau. Das sind zwölfmal so viele Touristen wie Einheimische. Braucht das Priental diese Flut an Menschen oder ist das zu viel? Ein Blick hinter die Kulissen.
Aschau im Chiemgau – „Unsere Gemeinde ist ein top Player im Chiemsee-Alpenland-Tourismus“, sagte Bürgermeister Simon Frank voller Stolz in der jüngsten Bürgerversammlung. Fast 78.000 Menschen machten 2024 Urlaub in der Gemeinde Aschau im Chiemgau mit dem Bergsteigerdorf Sachrang. Das sind zwölfmal so viele Menschen wie in der Gemeinde leben. Welchen Einfluss die Gäste auf die Lebensqualität im Priental haben, erklärt Tourismus-Chef Herbert Reiter im OVB-Interview.
2024 kamen mehr Gäste nach Aschau im Chiemgau, trotzdem wurden weniger Übernachtungen registriert. Wie erklärt sich das?
Herbert Reiter: Die Aufenthaltsdauer hat sich minimal verkürzt. Im Jahr 2023 kamen 70.491 Gäste in unsere Gemeinde und blieben länger als vier Tage hier. Daraus ergab sich eine Zahl von 322.071 Übernachtungen. Im vergangenen Jahr hatten wir einen Zuwachs von zehn Prozent bei der Zahl der Gäste. Es waren 77.870 Besucher. Die Urlaubsgäste verweilten durchschnittlich vier Tage bei uns im Priental, was in der Statistik an 306.057 Übernachtungen erkennbar ist.
Da war das Gautrachtenfest 2024 der Griabinga Hohenaschau wohl ein echter Besuchermagnet?
Reiter: Auf jeden Fall. Das 140-jährige Gründungsfest des Trachtenvereins „D‘ Griabinga Hohenaschau“ in Verbindung mit dem Gautrachtenfest des Chiemgau Alpenverbandes war ein absoluter Erfolg. Besonders beeindruckend für mich war der Zusammenhalt der ganzen Bevölkerung. Brauchtum und Geselligkeit sind nicht nur für die Einheimischen ein absoluter Höhepunkt. Diese gelebte authentische Tradition ist neben Bergen und Seen einer unserer größten touristischen Pfunde. Unsere Stammgäste hatten ihre Urlaube extra so gelegt, dass sie das Gaufest miterleben konnten. Und sie haben weit im Voraus reserviert, denn in der Gaufest-Zeit war in Aschau und Sachrang kaum ein Bett mehr zu bekommen.
Woher kamen die Aschauer Urlaubsgäste im vergangenen Jahr?
Reiter: Die meisten Besucher – 43 Prozent – kamen aus Bayern. Daran sieht man, dass das Priental einen besonderen Stellenwert hat. Aber auch bei den Nordrhein-Westfalen (12 Prozent), den Baden-Württembergern (9 Prozent), den Hessen (5 Prozent) und Niedersachsen (3 Prozent) ist unsere Region sehr beliebt. Übrigens kamen fast neun Prozent aller Gäste aus dem Ausland. Insgesamt waren es 6569. Und davon wiederum waren die meisten aus den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und Belgien.
Was lockt die Touristen neben Bergen und Seen eigentlich noch nach Aschau und ins Bergsteigerdorf Sachrang?
Reiter: Die gesamte touristische Infrastruktur. Unsere Landschaft, die schönen Dörfer, die gut gepflegten Wander- und Radwege sind das eine. Hinzu kommen die vielen engagierten Menschen und Vereine in unserer Gemeinde, die in Aschau und Sachrang besondere Unterkünfte sowie einzigartige Angebote und Veranstaltungen anbieten – in Kunst und Kultur, Tradition und Brauchtum oder Freizeit und Natur. Die Führungen im Müllner-Peter-Museum, im Fundmuseum Höhenberg und im Ausstellungszentrum Kunst- und Kultur sind ebenfalls sehr beliebt. Für großen Zuspruch sorgt auch das Schloss Hohenaschau. In der Saison 2024 durften wir insgesamt 5994 Gäste auf dem Schloss begrüßen. Und natürlich geht auch im Urlaub Liebe durch den Magen. Wir sind erneut vom Bayerischen Landwirtschafts- und Tourismusministerium als Genussort ausgezeichnet worden. Von 2000 bayerischen Gemeinden haben nur 44 diese Auszeichnung erhalten. Dass wir wieder dabei sind, verdanken wir unseren regionalen Erzeugern, Gastronomen und Hoteliers, die den kulinarischen Reichtum unserer Region erlebbar machen.
Welche Angebote sind 2024 neu dazugekommen?
Reiter: Als Besonderheiten konnte der Freundschaftsweg zwischen den Bergsteigerdörfern Sachrang und Schleching in Kooperation mit dem Arbeitskreis Bergsteigerdorf Sachrang eröffnet werden. Die Kneippanlage am Hammerbach wurde neugestaltet und wird von unserem Kneipp-Verein belebt. Der ADAC hat drei Radservicestationen im Gemeindegebiet installiert: am Freizeit-Areal Badeplatz Aschau in der Bernauer Straße, im Pavillon gegenüber dem Aschauer Bahnhof und am Wanderparkplatz Geigelstein im Bergsteigerdorf Sachrang direkt am Radweg. Das gab es bisher nur in Großstädten.
Worauf dürfen sich Einheimische und Gäste im Jahr 2025 freuen?
Reiter: Es gibt wie immer eine große Fülle an kulturellen Angeboten in unserer Gemeinde, sozusagen die Sahnehäubchen zum Naturerlebnis in den Bergen. Seien es das Festivo-Kammermusikfestival mit internationalen Künstlern, die Meisterkurse und Konzerte des Musik-Forums Sachrang oder Rock unterm Schloss. Seien es die Bauern-, Kunst- und Handwerker-, Advents- oder Jahrmärkte in Aschau und Sachrang. Oder seien es die Kampenwand- und Prientalclassics oder das Bulldog-Treffen. Hinzu kommen drei besondere 2025er-Höhepunkte: So haben Besucher vom 15. März bis 27. April die Gelegenheit, das Heilige Grab in der Aschauer Pfarrkirche zu erleben. Die Freiherrliche Familie von Cramer-Klett begeht ihr 150-jähriges Jubiläum im Priental. Ab Mai finden dazu zahlreiche Veranstaltungen statt. Und Ende Juni feiern wir mit bayerischen Top-Bands ein zünftiges Festival in unserem Kurpark. Wir freuen uns schon auf das neue touristische Jahr 2025 und die Zukunft des Tourismus im Priental.
Lässt sich der Tourismus als Wirtschaftsfaktor in konkrete Zahlen fassen?
Reiter: Dazu wird gerade eine Studie vom Chiemsee-Alpenland-Tourismusverband erarbeitet und wir lassen dazu noch einen extra Ortsauszug fürs Priental daraus erstellen. Bayernweit hat der Tourismus einen Anteil von fünf Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung. Wir hoffen, dass wir Ende des Jahres dazu auch für unsere Gemeinde mit konkreten Zahlen aufwarten können. Fakt ist, dass viele Bereiche vom Tourismus profitieren. Neben den Gastgebern sind das beispielsweise Gastronomie, Kultur und Kunst, Handwerk, Einzelhandel und Gewerbe, Verkehr, Bergbahnen oder Freizeitbereiche, aber eben auch unsere Gästeführer und Anbieter von Wanderungen. Hinzu kommen natürlich die jeweiligen Partner, also beispielsweise die Lieferanten oder Erzeuger von Lebensmitteln und viele mehr.
Und was haben die Einheimischen davon?
Reiter: Alle Einwohner unserer Gemeinde profitieren vom Tourismus. Der Tourismus bei uns im Priental ist seit mehr als 140 Jahren gewachsen. Er schafft ortsgebundene Arbeitsplätze. Er spült Steuereinnahmen ins Gemeindesäckel. Und er sorgt für eine Freizeitinfrastruktur, die von Einheimischen und Gästen genutzt werden kann: Naherholungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten in der Natur, ein vielfältiges Freizeit- und Kulturangebot, eine Vielzahl an Gewerbe, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen, ein schönes und sauberes Ortsbild, Nahversorgung und verschiedene Mobilitätsangebote und nicht zuletzt unser Wanderwegenetz. Viele dieser Angebote würde es ohne den Tourismus nicht geben. Er hat das Priental in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Tourismusort mit Qualität gemacht. Dafür sprechen inzwischen die immer wieder neuen Gäste und natürlich auch unsere Stammgäste, die jedes Jahr in unsere Gemeinde kommen, um sich zu erholen.



