Gemeinde reicht erneut Klage ein
„Hochemotionales Thema“: Spaltet die geplante Asylunterkunft die Stephanskirchener?
Stephanskirchen hat weitere rechtliche Schritte gegen die geplante Asylunterkunft in der Hofmühlstraße eingeleitet. Erneut hat das Landratsamt eine Baugenehmigung erlassen. Erneut klagt die Gemeinde.
Stephanskirchen – Stephanskirchen hält an seiner Entscheidung fest: Der Gemeinderat sprach sich bei seiner jüngsten Sitzung erneut gegen die vom Landratsamt Rosenheim geplante Asylunterkunft aus. Im Gewerbegebiet in der Hofmühlstraße sollen 101 Geflüchtete unterkommen. Dafür hat sich das Landratsamt am 6. Mai selbst eine neue Baugenehmigung erteilt. Diesmal befristet auf zehn Jahre. Immer noch zu lang, findet der Gemeinderat. Und möchte erneut Klage einreichen. Doch nicht alle stehen geschlossen hinter dieser Entscheidung.
Gericht gibt Gemeinde Recht
Nachdem der erste Eilantrag für Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung Erfolg hatte, war das Landratsamt durch den Bescheid des Verwaltungsgerichts im März 2025 gezwungen, die Bauarbeiten einzustellen. Seitdem hatten Lieferwagen – wie der Gemeinderat spekuliert hatte, von Handwerkern – für schlechte Stimmung gesorgt. Es entstand der Eindruck, das Landratsamt setze sich über die Entscheidung des Gerichts hinweg. Es sei jedoch, so teilte das Landratsamt Ende März auf Nachfrage des OVB mit, lediglich aufgeräumt und geputzt worden. Dies sei trotz der Entscheidung des Gerichts zulässig gewesen.
Seit Juli 2024 wehrt sich die Gemeinde gegen die Pläne des Landratsamtes. Denn sie würde die Flüchtlinge lieber dezentral unterbringen. Im Mai folgte dann das, was ohnehin schon jeder vermutet hatte: eine erneute und diesmal befristete Baugenehmigung für das Gewerbeobjekt in der Hofmühlstraße. Das Gremium diskutierte daher – erneut – die nächsten Schritte.
SPD und Grüne fordern Suche nach Alternativen
Steffi Panhans (SPD) erinnerte daran, dass die Fraktionen von SPD und Grünen bereits im April 2024 einen Antrag gestellt hatten, parallel zur ersten Klage nach dezentralen Unterbringungsmöglichkeiten zu suchen. Dieser habe jedoch keine Mehrheit gefunden. Dass in all der Zeit trotzdem „keine Aktivität in diese Richtung“ erfolgte, fand Panhans „echt schade“. Sie regte an, parallel zu suchen, um Alternativen anbieten zu können. So könne das Landratsamt von der Idee mit der Stammunterkunft abrücken.
Bürgermeister Karl Mair (Parteifreie Bürger) wandte jedoch ein: „Es gibt keine Alternativen. Das Landratsamt kommt nur aus dem Mietvertrag wieder raus, wenn die Baugenehmigung gerichtlich verhindert wird.“ Dass die Gemeinde mit dem Eilantrag erfolgreich gewesen ist, habe ihn überrascht. Das Landratsamt selbst wollte auf Nachfrage des OVB keine Angaben zum Mietverhältnis machen.
Janna Miller (Grüne) machte klar, dass sie die Euphorie über den Erfolg vor Gericht nicht teilt. „Die Menschen leben seit geraumer Zeit in Turnhallen. Das ist menschenunwürdig.“ Sie verstehe nicht, warum man mit aller Kraft gegen die Gemeinschaftsunterkunft kämpfe: „Dort gibt es immerhin Wände. Alles ist besser als die jetzige Situation der Menschen.“ Sie tue sich schwer damit, Steuergelder für Klagen auszugeben, statt den Geflüchteten ein Zuhause zu bieten.
„Das Problem wird weiterhin bestehen“
Parteikollege Johannes Lessing schloss sich dem Vorschlag von Steffi Panhans an, parallel nach dezentralen Unterbringungsmöglichkeiten als Alternative zu suchen. „Wenn dem Vorschlag nicht nachgekommen wird, geht unsere Fraktion nicht mit.“ Uwe Klützmann-Hoffmann (SPD) merkte an: „Das muss parallel laufen. Denn das Problem wird weiterhin bestehen.“
Dr. Nicole Eckert (Grüne) wies darauf hin, dass Stephanskirchen mit rund 100 Personen unter dem Königsteiner Schlüssel – also der Quote für die Erstverteilung der Asylsuchenden – liegen würde. „Das ist uns schon länger bekannt.“ Gleichzeitig hätte es auch private Eigentümer gegeben, die der Gemeinde Grundstücke für die Aufstellung von Containern angeboten hätten. Allerdings sei der Deal für die Hofmühlstraße zu diesem Zeitpunkt schon eingetütet gewesen. „Machen wir das Beste draus.“ Eckert forderte analog zum Seniorenquartier von „Pur vital“, einen Quartiermanager für Geflüchtete zu bestellen. Entgegen den Annahmen mancher Gemeinderäte, das Helfernetzwerk von 2016 sei erschöpft, erklärte Eckert, dass es durchaus noch einen Helferkreis gebe.
Emotionale Diskussion im Gemeinderat
Da sich die Diskussion schnell hochkochte und es um Integration, gelatinefreie Kindergeburtstage und kulturelle Vielfalt ging, statt um das Vorgehen des Landratsamtes im Hinblick auf die Baugenehmigung, ergriff Bauamtsleiter Wolfgang Arnst das Wort und versuchte, die Gemüter zu beruhigen. „Es ist ein hochemotionales Thema. Aber wir müssen uns auf die eigentliche Sache des Tagesordnungspunktes konzentrieren.“ Denn die Alternativen seien eine eigene Angelegenheit. „Wir dürfen das nicht durcheinanderbringen. Denn es geht darum, dass zehn Jahre Befristung baurechtlich unverschämt sind.“
Da die Diskussion rund um das Thema zunehmend zur Spaltung statt zur Einigkeit des Gremiums führte, baten einige Gemeinderäte um das Schließen der Rednerliste. Mit 18:5 Stimmen sprach sich der Gemeinderat dafür aus, erneut Klage einzureichen und einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu stellen.
Wie Sibylle Gaßner-Nickl, Pressesprecherin des Landratsamtes, mitteilt, laufen derzeit die Vorbereitungen für die Ausstattung der Unterkunft. Wann die ersten Geflüchteten dort einziehen können, ist unklar, da die Gemeinde Stephanskirchen erneut Rechtsmittel eingelegt hat.