Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Discounter-Debatte erhitzt die Gemüter

„So ein Niveau geht einfach nicht“: Tuntenhausener bereiten Bürgerentscheid vor

Ganz egal, wie man zur Ansiedlung eines Discounters in Tuntenhausen steht: „Solch ein Niveau geht für einen Gemeinderat einfach nicht“, kritisiert Peter Niedermeier. Er will jetzt den Weg für einen Bürgerentscheid bereiten.
+
Ganz egal, wie man zur Ansiedlung eines Discounters in Tuntenhausen steht: „Solch ein Niveau geht für einen Gemeinderat einfach nicht“, kritisiert Peter Niedermeier. Er will jetzt den Weg für einen Bürgerentscheid bereiten.

Es brodelt in der Gemeinde Tuntenhausen. Das Votum des Gemeinderates gegen einen Discounter spaltet die Bürger. Viele fühlen sich nicht mehr vertreten, manche sogar bevormundet. Mit einem Bürgerentscheid wollen sie sich nun Gehör verschaffen. Doch was sagen die Volksvertreter dazu?

Tuntenhausen – „Ich kann die Art der Diskussion und die Aussagen, die in der Gemeinderatssitzung getroffen wurden, nicht nachvollziehen. Solch ein Niveau geht für einen Gemeinderat einfach nicht“, sagt Peter Niedermeier, Initiator des geplanten Rats- oder Bürgerbegehrens. Als interessierter Bürger wohnte er der Ratssitzung am 25. Mai bei. Sein Fazit: „Einige Gemeinderäte vertreten nicht mehr den Willen der Bürger, sondern persönliche Interessen oder Ideologien.“

Gutachten von 2019 empfiehlt einen Discounter

Dabei habe das Gutachten der CIMA Beratung und Management GmbH aus dem Jahr 2019 eindeutig ergeben, dass sich 70 Prozent der Gemeindebürger eine bessere Nahversorgung wünschten. Die Stadtplaner Jan Vorholt und Susanne André bewerteten damals die „moderate Erweiterung des bestehenden Nahversorgers Edeka und die Ansiedlung eines Aldi Lebensmitteldiscounters“ als „städtebaulich verträglich für die vorhandenen Versorgungsstrukturen in Gemeinde“.

Handlungsempfehlung ist eindeutig

Ihre Handlungsempfehlung lautete: „Verkaufsflächenerweiterung des örtlichen Edeka-Marktes auf ein zukunftsfähiges Niveau, Ansiedlung eines Lebensmitteldiscounters im Ortsteil Tuntenhausen und gegebenenfalls Prüfung der Tragfähigkeit und Verträglichkeit einer Drogeriemarktansiedlung bei Betreiberinteresse“. Die Gemeinde hatte in das Gutachten investiert, denn es sollte „dem Gemeinderat als Entscheidungsgrundlage für die weitere Entwicklung sowie die langfristige Sicherung und Stärkung der Nahversorgung in der Gemeinde Tuntenhausen dienen“.

Gemeinderat lehnt Aldi trotzdem ab

Vier Jahre und viele Bemühungen später entschied sich der Gemeinderat mit 11:10 Stimmen trotzdem gegen die Ansiedlung eines Discounters. Deshalb ist Niedermeier überzeugt: „Man sollte die Meinung der Bürger noch einmal aktuell abfragen und die Entscheidung für oder gegen einen Discounter mit einem Bürgerentscheid in ihre Hände legen.“ Der Weg dahin – ob über ein Rats- oder Bürgerbegehren – ist noch nicht klar.

„Natürlich sollten wir das machen. Und ich denke, dass wir auf dem besten Weg zu einem Bürgerentscheid sind“, befürwortet Gemeinderat Andreas Gigglinger (CSU/FW) die Initiative. Auch er erinnert an den bereits im Nahversorgungsgutachten dokumentierten Bürgerwillen.

Nach der Entscheidung im Gemeinderat haben die OVB-Heimatzeitungen einige Gemeinderäte befragt, darunter (oben, von links) Maria Breuer, Johann Stürzer, Andreas Gigglinger und Josef Friesinger sowie (unten, von links) Johannes Lechner, Stefan Hofbauer, Theresia Englhart und Franz Reil.

Zweite Bürgermeisterin Maria Breuer (UW Ostermünchen) betont: „Ein Bürgerentscheid war auch mein Vorschlag, denn er ist das beste Instrument direkter Demokratie, vor allem bei einer so knappen Entscheidung.“ Sie hat für einen Discounter in Tuntenhausen gestimmt. „Vielleicht habe ich mich geirrt. Vielleicht haben sich auch die Aldi-Gegner geirrt. Eine Seite muss falsch liegen. Ich hoffe, die Bürger werden uns das mit einer hohen Beteiligung an einem Bürgerentscheid beantworten.“

Hat ein Bürgerentscheid Chancen?

Den Vorwurf, dass die Gemeinderäte nicht mehr im Sinne ihrer Wähler entscheiden, versucht Theresia Englhart (Frauenliste) mit Zahlen zu entkräften: „Ich hatte 1650 Wähler und damit die drittmeisten persönlichen Stimmen. Und genau für diese Menschen habe ich gegen Aldi gestimmt.“ Nach der Sitzung sei sie dafür gelobt worden. Zudem ist sie sicher: „Ein Bürgerentscheid wird kein Erfolg.“

Eine emotionale Debatte wurde in der Tuntenhausener Gemeinderatssitzung vom 25. Mai geführt. Für die Gemeinderäte Marcus Straßer (oben) und Margit Krauss hat sie rechtliche Folgen. Sie wurden von Peter Eder, der der Sitzung beiwohnte, zu Unterlassungserklärungen aufgefordert.

Franz Reil (CSU/FW) empfand die Unterstellung von einzelnen Ratsmitgliedern, die Stellungnahme der Regierung von Oberbayern sei „getürkt“, als „absolute Frechheit“. Er findet, dass mit der Art und Weise der Debatte „Gemeinderäte unter Druck gesetzt“ wurden. „Ich finde es gut, dass ein Bürgerentscheid angestoßen wird, wenn sich die Menschen nicht mehr vertreten fühlen“, betont er.

„Ich versuche immer, die Meinung der Gemeindebürger zu vertreten“, sagt Johannes Lechner (CSU/FW). „Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Ob ich einem Bürgerentscheid zustimme, entscheide ich zu gegebener Zeit.“ Im Vorfeld will sich auch Johannes Weigl (PF Schönau) nicht zu einem Bürgerentscheid positionieren.

„Ich bereue meine Wortwahl.“

Marcus Straßer

Ganz klar für einen Bürgerentscheid spricht sich Marcus Straßer (Liste 83104) aus. „Ich habe die Idee angestoßen, mit einem Bürgerentscheid die demokratischste Variante zu wählen, vor allem bei einer so knappen Entscheidung“, sagt er. Er stehe zu seinem Votum gegen einen Discounter, doch: „Ich bereue meine unangemessene Wortwahl und möchte mich für diesen Fehler entschuldigen.“ Straßer hatte in der Diskussion von einem „Gefälligkeitsgutachten“ gesprochen. „Ich wollte damit niemanden beleidigen“, bedauert er. Er habe aber auch nicht die Firma Eder, sondern die Regierung Oberbayerns gemeint. „Heute würde ich es anders ausdrücken: Die Stellungnahme ist für mich widersprüchlich und unglücklich formuliert.“

Keine Korruption, aber vielleicht Beziehungen?

Auch Margit Kraus (Liste 83104) betont, dass sie ihre Äußerung von einem „Gschmäckle“ im „Zusammenhang mit dem Text der Stellungnahme der Regierung von Oberbayern“ gemacht habe: „Herrn Eder habe ich dabei in keinster Weise erwähnt. Dass er daraus einen persönlichen Korruptionsvorwurf ihm gegenüber ableitet, überrascht mich“, reagiert sie auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen und ergänzt: „Natürlich kennt Herr Eder als einflussreicher Unternehmer und Mitglied des Tuntenhausener Männervereins viele Entscheidungsträger in der Regierung und dem Wirtschaftsministerium gut. Da hätte es vielleicht schon sein können, dass da persönliche Beziehungen mit hineinspielen, aber das hat mit Korruption nichts zu tun.“

Peter Eder hatte auf die Unterstellungen in der Ratssitzung wie berichtet mit dem Rückzug aus allen ehrenamtlichen Engagements in der Gemeinde reagiert sowie von den Gemeinderäten Straßer und Kraus „Unterlassungserklärungen“ gefordert: „Ich finde es nachvollziehbar, dass Herr Eder aufgrund des Missverständnisses von mir eine Unterlassungserklärung verlangt. Ob dafür eine Rechtsgrundlage besteht, werden Rechtsanwälte klären. Das hat nur mit Herrn Eder und mir zu tun“, erklärt Margit Kraus.

„Hier wird über die Öffentlichkeit Druck auf die Gemeinderäte ausgeübt.“

Margit Krauss

Dass jetzt sämtliche Vereine, auch wenn sie gar nichts mit der Sache zu tun haben, darunter leiden sollten, befremde sie, denn: „Hier wird über die Öffentlichkeit Druck auf die Gemeinderäte ausgeübt. Das darf in einer Demokratie so nicht passieren.“ Zum geplanten Bürgerentscheid sagt sie: „Ob es sinnvoll ist, nun Aldibefürworter und Aldigegner gegeneinander auszuspielen und unsere Gemeinde zu spalten, weiß ich nicht recht. Ich denke zumindest, auch der Gemeinderat hat ein Recht darauf, dass seine drei demokratisch getroffenen Entscheide zu diesem Thema respektiert werden.“

Es gebe kaum eine Entscheidung, mit der alle Bürger zu 100 Prozent einverstanden seien, und man könne auch nicht zu jedem Thema einen Bürgerentscheid machen, sagt Josef Friesinger (PF Schönau). Er hatte für die Ansiedlung eines Discounters votiert, denn: „Ich habe mich vom Nahversorgungsgutachten überzeugen lassen, denn an der Umfrage haben 20 Prozent der Bevölkerung teilgenommen.“ Deshalb befürworte er auch einen Bürgerentscheid.

Ist Sich-Nicht-Erinnern gerade in Mode?

Dass die Gemeinderäte den Bürgermeister 2021 in nichtöffentlicher Sitzung und nach mehrheitlicher Meinungsbildung beauftragt haben sollen, wegen der Discounter-Ansiedlung noch einmal bei der Regierung Oberbayerns vorstellig zu werden, ist so nicht allen Räten in Erinnerung. In der Sitzung betonte unter anderem Dr. Anna Fernández Diarte (UW Ostermünchen), dass es dabei nur um die Erweiterung des Edeka-Marktes gegangen sei. Auch Marcus Straßer sagte, dass es ein Missverständnis gewesen sein muss, denn auch er ging nur von einer Edeka-Erweiterung aus.

„Es ist in der Politik momentan offenbar in Mode, dass man sich an nichts mehr erinnern kann“, kommentiert Johann Stürzer (CSU/PW) diese Behauptungen: „Ich erinnere mich genau daran, wie der Bürgermeister auf die Bitte, sich erneut um einen Discounter zu bemühen, reagierte und sagte: Aber lasst mich dann nicht im Stich.“

Hat sich Stimmung im Rat verschlechtert?

Stürzer unterstützt den Bürgerentscheid, denn: „Die CIMA-Studie hat den Bürgerwillen eindeutig widergespiegelt.“ Er bedauert, dass sich die Stimmung im Gemeinderat in den vergangenen Monaten verschlechtert hat: „Ich bin seit 20 Jahren im Gemeinderat. Neuerdings wird von einzelnen Räten viel Ideologie reingebracht sowie in einer überheblichen Art und mit Halbwissen versucht, die eigene Meinung durchzudrücken.“ Vor der Beratung zum Bebauungsplan „Moorweg“ hätte ihnen zudem ein Hohenthanner Bürger in einer E-Mail an alle Räte Lobbyismus unterstellt: „Das hat mich sehr geärgert.“

Stefan Hofbauer (UW Ostermünchen) unterstützt die Initiative, die aktuelle Meinung der Bürger über einen Bürgerentscheid abzufragen. Eine Rivalität zwischen Ostermünchen und Tuntenhausen gebe es nicht: „Da sind wir längst drüber hinaus. Aber natürlich machen wir uns Gedanken über die Infrastruktur im Ort und würden die Banken ungern ziehen lassen“. Im Gesamt-Neubauprojekt für Tuntenhausen war auch ein Beratungszentrum der Volksbank geplant. In der Ratsdebatte am 25. Mai wurde deshalb die Befürchtung geäußert, dass dadurch der Bankstandort in Ostermünchen wegfallen könnte.

Termin im Oktober steht zur Wahl

Wie geht es weiter? In dieser Woche trafen sich circa 30 Bürger aus dem Gemeindegebiet, um einen Bürgerentscheid vorzubereiten. „Wir bereiten Rats- und Bürgerbegehren vor“, informiert Peter Niedermeier und betont: „Ein Ratsbegehren bedeutet nicht, dass die Gemeinderäte ihre eigene Meinung revidieren oder ihre Beschlüsse umkehren. Sie lassen damit lediglich zu, dass die Bürger diese konkrete Frage entscheiden.“ Sollte ein Ratsbegehren keine Mehrheit im Gemeinderat erhalten, gebe es noch das Bürgerbegehren. Ziel sei es, den Bürgerentscheid parallel zur Landtagswahl am 8. Oktober durchzuführen.

Die wichtigsten Regeln für Bürger- oder Ratsbegehren und den Bürgerentscheid

Auszüge aus dem Artikel 18 a der Bayerischen Gemeindeordnung:

• Die Gemeindebürger können über Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren).

• Der Gemeinderat kann beschließen, dass über eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde ein Bürgerentscheid stattfindet (Ratsbegehren).

• Das Bürgerbegehren muss bei der Gemeinde eingereicht werden und eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung und eine Begründung enthalten.

• Das Bürgerbegehren kann nur von Gemeindebürgern unterzeichnet werden. Für die Feststellung der Zahl der gültigen Unterschriften ist das von der Gemeinde zum Stand dieses Tages anzulegende Bürgerverzeichnis maßgebend.

• Ein Bürgerbegehren muss in Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern von mindestens zehn Prozent der Gemeindebürger unterschrieben sein.

• Über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entscheidet der Gemeinderat unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung des Bürgerbegehrens. Gegen die Entscheidung können die vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens ohne Vorverfahren Klage erheben.

• Der Bürgerentscheid ist an einem Sonntag innerhalb von drei Monaten nach der Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durchzuführen. Der Gemeinderat kann die Frist im Einvernehmen mit den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens um höchstens drei Monate verlängern.

• Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage in dem Sinn entschieden, in dem sie von der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen beantwortet wurde.

• Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Beschlusses des Gemeinderats.

Kommentare