„Eine Frechheit, mir Korruption zu unterstellen“
„Setze mich zur Wehr“: Eder Familienholding stellt ehrenamtliche Aktivitäten in Tuntenhausen ein
In der Gemeinde Tuntenhausen bebt die Gemeinschaft. Nach der jüngsten Debatte im Gemeinderat über die Ansiedlung eines Discounters hat die Eder Familienholding ihr komplettes ehrenamtliches Engagement für die Gemeinde eingestellt. Im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen erklärt Inhaber Peter Eder seine Beweggründe.
Herr Eder, der Gemeinderat hat sich mit 11:10 Stimmen gegen die Änderung des Bebauungsplanes „Am Moorweg“ und damit gegen Ihr Projekt entschieden, ein zweistöckiges Gebäude mit Flächen für einen Discounter, Büros und ein Bank-Beratungszentrum zu bauen. Warum reagieren Sie auf den demokratischen Beschluss mit dem Totalrückzug aus dem Gemeindeleben?
Peter Eder: Weil in mir etwas zerbrochen ist. Ich bin durch und durch Tuntenhausener und möchte nirgendwo sonst leben. Ich habe mich immer gern für meine Gemeinde engagiert. Jedem, der mich um Unterstützung gebeten hat, habe ich versucht zu helfen, weil es mir am Herzen lag. Jetzt werde ich von den Volksvertretern unserer Gemeinde so absolut unter der Gürtellinie abgewatscht. Dabei geht es mir nicht um die Entscheidung, sondern um die Art und Weise der Debatte. So geht man mit Menschen nicht um. Mit Aussagen wie „Gefälligkeitsgutachten“ oder „Geschmäckle“ wird mir Korruption unterstellt. Damit wurden Grenzen überschritten, die den guten Ruf unserer Familie beschädigen. Und dagegen setze ich mich zur Wehr. Gleichzeitig bin ich traurig, verletzt und sehr enttäuscht.
Ein Aldi für Tuntenhausen wurde schon mehrfach im Gemeinderat abgelehnt. Warum haben Sie erneut den Antrag gestellt, einen Discounter anzusiedeln?
Peter Eder: Weil ich vom Bürgermeister darum gebeten wurde. Nach der letzten Ablehnung im Februar 2021 hatte ich die Pläne längst ad acta gelegt. Da sich aber viele Bürger an die Gemeinderäte wandten, gab es im März 2021 noch einmal eine nichtöffentliche Beratung, in der der Gemeinderat den Bürgermeister beauftragte, sich doch um einen Discounter zu bemühen. Einige Räte wollen sich daran heute leider nicht mehr erinnern. Der Bürgermeister kam damals auf mich zu und sagte, dass wir noch einmal aktiv werden müssten. Also haben wir – Geschäftsführer Gregor Ries, Planer, ich und weitere Kollegen aus unserem Team – für die Menschen in unserer Gemeinde erneut viel Zeit und Geld im sechsstelligen Euro-Bereich investiert. Jetzt denken wir darüber nach, ob wir die Gemeinde auf Schadensersatz verklagen, da wir in ihrem Auftrag gehandelt haben.
Wie genau?
Peter Eder: Wir haben uns in einem persönlichen Brief an Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger gewandt. Mit den Fakten aus dem von der Gemeinde in Auftrag gegebenen Nahversorgungs-Gutachten haben wir die Unterversorgung der Gemeinde nachgewiesen, unsere Pläne vorgestellt und die Verkehrsströme erläutert. Ich habe mit Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums und der Regierung Oberbayerns hier vor Ort lange diskutiert, ja sogar gestritten, weil sie der Meinung waren, das Projekt könne auf Grundlage des Landesentwicklungsplanes keiner genehmigen. Aber wir konnten ihnen plausibel nachweisen, dass wir mit einem Nahversorgungszentrum in Tuntenhausen nicht mehr Leute nach Tuntenhausen ziehen und auch keine neuen Verkehrsströme auslösen, sondern genau das Gegenteil erreichen: 480 der befragten 584 Gemeindebürger haben im Nahverkehrs-Gutachten angegeben, dass sie zum Einkauf von Lebensmitteln oft in die Nachbargemeinden fahren. Das sind 82 Prozent. Diese Menschen könnten mit einem Discounter vor Ort dann direkt in Tuntenhausen einkaufen. Wir würden also Verkehrsströme reduzieren. Dieser Logik sind Wirtschaftsministerium und Regierung von Oberbayern gefolgt. Zudem wurde die neue Stellungnahme von Juristen der Regierung Oberbayerns geprüft. Sie ist gesetzeskonform.
Im Gemeinderat wurde ein „Gefälligkeitsgutachten“ mit „Gschmäckle“ unterstellt.
Peter Eder: Die Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sind absolut integer. Es ist eine Frechheit, ihnen, dem Bürgermeister und mir Korruption zu unterstellen. Deshalb gehe ich auch gerichtlich gegen die Gemeinderäte vor, die das geäußert haben. Ich habe Marcus Straßer und Margit Kraus zu einer Unterlassungserklärung aufgefordert, denn ein Gemeinderat sollte sich vorher überlegen, was er als Volksvertreter in einer öffentlichen Sitzung sagt.
Gleichzeitig ziehen Sie sich als Sponsor aber aus der Gemeinde zurück und treffen damit eigentlich die Falschen. Ist das nicht völlig überzogen und vielleicht sogar ein Stück weit Erpressung?
Peter Eder: Nein, ist es nicht. Es ist an der Zeit, ein Zeichen zu setzen und die Menschen aufzurütteln. Wenn solche Volksvertreter unsere Gemeinde repräsentieren und im Namen der Bürger Entscheidungen treffen, mit denen sie die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde verhindern, weil sie persönliche Interessen und politische Ideologien vertreten und noch dazu falsche Informationen verbreiten, dann muss ich mich dagegen wehren. Die Konsequenzen, die ich getroffen habe, tun vor allem mir weh, das können sie mir glauben, denn mein Herz hängt an den Menschen dieser Gemeinde. Aber irgendeiner muss sich gegen solche Gemeinderäte auflehnen, damit sich etwas ändert. Ich habe mit allen Vereinen gesprochen, um ihnen meine Entscheidung zu begründen und dafür Verständnis geerntet.
Die Firma Eder steht mit Ihrer Frau Angi Eder auch für eine erfolgreiche Partnerschaft von Schule und Wirtschaft.
Peter Eder: Ja, auch dort werden wir uns auf das Notwendige reduzieren. Das ist die alleinige Entscheidung meiner Frau, die zu 100 Prozent hinter mir steht.
Ich verstehe diese Radikalität nicht.
Peter Eder: Das Engagement unserer Familie wurde im Gemeinderat über eine Stunde und vier Minuten lang zerlegt. Und Tage danach rufen die gleichen Gemeinderäte bei mir an und entschuldigen sich für ihre Wortwahl und ihre Entscheidung. Am Telefon. Hinter vorgehaltener Hand. Ich habe diese Heuchelei satt.
Dafür lassen Sie aber bedürftige Menschen im Stich, um die sich die Nachbarschaftshilfe bisher auch mit Ihrer Unterstützung kümmern kann?
Peter Eder: Ganz gewiss nicht. Wer Hilfe braucht, kann sich jederzeit an mich wenden. Ich helfe gern, wenn ich kann, aber nur noch persönlich.
Wie hoch war Ihr Sponsoring für die Vereine der Gemeinde?
Peter Eder: Das kann man nicht an Zahlen festmachen, weil die Unterstützung unserer Familie für die Gemeinde weitaus vielschichtiger war. Es geht auch nicht ums Geld. Wir unterstützen weiterhin soziale Projekte – beispielsweise die Orthopädische Kinderklinik Aschau und ihre heilpädagogischen Förderstätten für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit körperlicher, geistiger und mehrfacher Behinderung.
Noch einmal zurück zur Entscheidung gegen einen Discounter. Sie betreiben ein Unternehmen für Landtechnik und wollen einen Aldi nach Tuntenhausen holen. Widerspricht sich das nicht?
Peter Eder: Zum einen geht es in erster Linie um einen Discounter und nicht konkret um Aldi. Es ist der Wunsch der Edeka Südbayern, einen Aldi in Tuntenhausen anzusiedeln, weil sich aus ihrer Erfahrung die Produktpaletten von Edeka und Aldi so ergänzen, dass es einen Mehrwert für alle Seiten bringt. Bislang gibt es nur eine Interessensbekundung von Aldi, aber noch keinerlei unterzeichneten Verträge.
Und was mich auch aufregt: Es werden immer wieder die alten Vorurteile aufgewärmt und aktuelle Entwicklungen mit ideologischen Parolen wie „Wer für Aldi die Hand hebt, hebt die Hand gegen unsere Bauern“ völlig ignoriert. Unsere Bauern sind in Milcherzeugergemeinschaften vereinigt, und die entscheiden, mit wem sie Handel betreiben. Aldi war 2021 der erste Discounter, der die Milchpreise erhöht hat. Jetzt bietet er nur Spargel und Erdbeeren aus deutscher Herkunft an. Übrigens führen auch Rewe und Edeka Verhandlungen, um die Einkaufspreise zu senken. Aber grundsätzlich muss man sagen: Es sind nicht die Discounter, die unseren landwirtschaftlichen Betrieben über Jahre hinweg finanzielle Sicherheit geben können. Hier ist die Bundespolitik gefragt.
Zumindest gibt es ein klares Ja zur Erweiterung des Edeka-Marktes. Wann werden Sie diese umsetzen?
Peter Eder: Im Moment gar nicht. Wir haben als Familienholding schon ein privates Risiko aufgenommen, als wir den Markt „auf dem flachen Land“ gebaut haben, obwohl 1,5 Millionen Euro unserer Investition nicht durch die Mieteinnahmen gedeckt waren. Aber wir haben an den Markt geglaubt, und unser Vertrauensvorschuss hat sich gelohnt. Im Moment bin ich nicht bereit, den Markt auf meine Kosten zu erweitern und für viel Geld neue Parkplätze zu schaffen. Im Gesamtkonzept hätte das betriebswirtschaftlich funktioniert. Der Gemeinderat hat entschieden, und war sich der Tragweite dieser Entscheidung offensichtlich nicht bewusst.
Was genau meinen Sie damit?
Peter Eder: Wenn ein Unternehmen investieren will, muss es das Geld vorher erst einmal verdienen. Das ist einfache Betriebswirtschaft. Und wenn die Kundenströme weiter in die Nachbargemeinden und ins Internet abfließen, werden wir das in Tuntenhausen spüren. Nicht nur der Edeka, sondern auch unser Profi-Baumarkt.
Es war doch aber auch eine Entscheidung für den Dorfladen in Ostermünchen.
Peter Eder: Der Gemeinderat hat das vermengt, aber ein Discounter ist keine Konkurrenz für kleine private Anbieter. Ganz im Gegenteil: Seitdem es den Edeka in Tuntenhausen gibt, ist im Ort viel mehr Laufkundschaft, wovon alle profitieren. Ich würde mich freuen, wenn mit privaten Initiativen ein Dorfladen in Ostermünchen aufgebaut wird und keine Konkurrenz für den dortigen Bäcker und Metzger entsteht. Aber darum geht es bei dieser Entscheidung gar nicht.
Hier schwappt die jahrzehntelange Konkurrenz zwischen Ostermünchen und Tuntenhausen wieder an die Oberfläche: Was der eine nicht bekommt, soll der andere auch nicht haben. Vor Jahren hat man sich um einen Discounter für Ostermünchen bemüht. Er sollte genau dorthin, wo jetzt die Ostermünchener Mitte gebaut wird. Aber kein Discounter war bereit, nach Ostermünchen zu gehen. Nach Tuntenhausen aber wollen sie schon, weil das Einzugsgebiet hier ganz anders strukturiert ist. Zudem gibt es hier das Grundstück und einen privaten Investor. Aber das will der Gemeinderat dann plötzlich nicht mehr. Das versteht kein Mensch. Zumal alle davon profitiert hätten, weil wir dann auch einen Bankstandort und kleine Einzelhandelsangebote gesichert hätten.
Warum haben Sie all diese Argumente dem Gemeinderat nicht vor seiner Entscheidung vorgetragen?
Peter Eder: Weil ich nicht gefragt wurde und der Gemeinderat für mich als Besucher der öffentlichen Sitzung, als Bürger der Gemeinde und als Investor des konkreten Projektes, kein Rederecht beantragt hat.
Bürgermeister will in der nächsten Gemeinderatssitzung einiges klarstellen
Georg Weigl, der Bürgermeister der Gemeinde Tuntenhausen, wurde von vielen Einwohnern auf die Entscheidung des Gemeinderates gegen die Ansiedlung eines Discounters angesprochen. Dabei wurde er auch gefragt, ob die Bürger im Rahmen eines Bürgerentscheids ihre Meinung kundtun könnten. „Grundsätzlich kann man das machen“, erklärt er. Für ein entsprechendes Bürgerbegehren müssten drei Gemeindebürger einen Antrag stellen und sich dann etwa zehn Prozent der wahlberechtigten Bürger der Gemeinde – also etwa 550 – mit ihrer Unterschrift dazu bekennen. „Dann entscheidet der Gemeinderat darüber.“
Auf Nachfrage der OVB-Heimatzeitungen versichert der Bürgermeister, dass es 2021 in nichtöffentlicher Sitzung eine Meinungsbildung zum Discounter gab und er den mehrheitlichen Auftrag hatte, deshalb bei der Regierung Oberbayerns noch einmal vorstellig zu werden. „Sonst hätte ich es nicht gemacht.“ Zugleich verwahrt er sich gegen geäußerte Vorwürfe wie „Gefälligkeitsgutachten“ oder „Gschmäckle“: „So etwas muss ich mir nicht sagen lassen. Das werde ich im Rat auch noch klarstellen. Misstrauen und Unterstellungen sind in diesem Gremium völlig fehl am Platz.“
