55-Jährige vor Schöffengericht Rosenheim
Marihuana an Kinder verkauft: Welche Strafe eine Kolbermoorerin nun erwartet
Dass sie Marihuana an Kinder verkaufte, hätte eine Kolbermoorerin nicht zwingend hinter Gitter gebracht. Trotzdem wurde sie zu einer Haftstrafe verurteilt. Ausschlaggebend dafür war ihr Verhalten. Warum das Rosenheimer Schöffengericht ihr keine positive Sozialprognose gibt.
Kolbermoor – Ziemlich schockiert war der Vater einer 14-Jährigen, als er in ihrem Kinderzimmer einen Joint fand. Als er seine Tochter zur Rede stellte, berichtete sie ihm von einem ungewöhnlichen Vorfall: Am Abend des 26. November, gegen 17.30 Uhr, seien sie und ihre Freundin in der Stadt von einer offensichtlich betrunkenen Frau angesprochen worden. Zuerst bat sie die Mädchen, ihr über die Straße zu helfen. Dazu waren die Beiden auch gern bereit. Sie gingen sogar auf ihre Bitte ein, sie auch noch zur Tankstelle zu begleiten, wo sie ein Bier kaufen wollte. Denn angeblich fühlte sich die Frau nicht mehr dazu in der Lage, korrekt bezahlen zu können.
Unterwegs entwickelte sich ein Gespräch. Dabei fragte die Frau die beiden Mädchen auch, ob sie denn schon einmal einen Joint geraucht hätten. Als eine der Beiden das bejahte, zeigte die 55-Jährige ihnen ihren eigenen Haschisch-Vorrat und bot den Beiden an, ihnen für zehn Euro etwas davon zu überlassen.
Die Zwei stimmten zu und erwarben ein wenig Marihuana, um sich einen Joint drehen zu können. Dann begleiteten sie die Frau noch zur Tankstelle. Dort fragte sie, ob die Mädchen sie nicht auch noch zu einem Freund begleiten würden. Das war den 14-Jährigen dann aber doch nicht ganz geheuer, sodass sie das Weite suchten.
Vater entdeckt Joint und erstattet Anzeige
Als der Vater diese Geschichte hörte, fackelte er nicht lange, sondern brachte den Vorfall bei der Polizei zur Anzeige. Da die Tankstelle über eine Videoüberwachung verfügt, konnte die Frau identifiziert werden. Nun musste sie sich vor dem Rosenheimer Schöffengericht verantworten.
Die Hausfrau bestritt den Vorfall – zumindest leugnete sie die Anklage, Drogen an Minderjährige verkauft zu haben. Ihrer Schilderung nach, habe sie lediglich leere Flaschen zur Tankstelle zurückgebracht und die Mädchen gebeten, ihr beim Tragen zu helfen.
Erinnerungen vom Rausch vernebelt
Die Angeklagte räumte sogar ein, den Kindern in ihrer Trunkenheit möglicherweise Marihuana gezeigt zu haben. Dass sie ihnen davon allerdings etwas abgegeben oder sogar verkauft habe, leugnete sie. Überhaupt sei sie damals betrunken gewesen und habe nur vage Erinnerungen an den Vorfall. Aber keinesfalls, so versicherte die 55-jährige Kolbermoorerin vor Gericht, verkaufe sie Haschisch an Kinder.
Um ihre Erinnerungen aufzufrischen, wurden vor Gericht die Videoaufnahmen in Augenschein genommen. Dort war von dem angeblichen Leergut, das die Mädchen für sie getragen haben sollen, nichts zu sehen. Zerknirscht akzeptierte die Frau, sich falsch zu erinnern. Den Verkauf der Drogen einzugestehen, war sie jedoch noch immer nicht bereit.
Angeklagte bleibt uneinsichtig
Die Vorsitzende Richterin Melanie Bartschat wies die angeklagte Kolbermoorerin eindringlich darauf hin, dass das Gericht bei einem Geständnis dazu kommen könnte, einen „minderschweren Fall“ anzunehmen. Andernfalls müsse die Strafe erheblich sein. Zudem rücke die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe in weite Ferne.
Die Verteidigung hatte Rechtsanwältin Gabriele Sachse übernommen. Sie bat darum, mit ihrer Mandantin noch einmal ein Gespräch außer der Reihe führen zu dürfen, woraufhin die Vorsitzende die Verhandlung unterbrach.
Im Anschluss erklärte die Verteidigerin, dass ihre Mandantin wohl keine Erinnerung an den Ablauf habe, es sich aber so abgespielt haben könnte wie in der Anklage verlautet.
So musste das Gericht die beiden Mädchen hören. Diese schilderten unabhängig voneinander, glaubhaft und ohne jeden Strafverfolgungseifer das Geschehen jenes Abends übereinstimmend.
Keine Arbeit, Scheinehen und psychische Probleme
Im weiteren Verlauf wurde die Angeklagte als eine gebrochene Persönlichkeit dargestellt. Sie habe drei gescheiterte Ehen hinter sich. Diese „Scheinehen“ war sie jedoch eingegangen, damit die jeweiligen Ehepartner eine Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Zudem sollen ihr berufliches Scheitern und eine bipolare Störung die 55-Jährige in eine Alkoholsucht getrieben haben. Hinzu komme die Abhängigkeit von Drogen und Stimmungsaufhellern. All das habe sie in schwierigste persönliche Verhältnisse getrieben.
Auf Nachfragen der Richterin zeigte sich die Angeklagte nicht bereit, durch eigene persönliche Initiativen etwas an dieser Situation zu ändern. Vielmehr suchte sie alle Schuld bei anderen Menschen, beklagte unter anderem die unangemessenen Verhaltensweisen von Partnern, Betreuern, Ärzten und Institutionen.
Der Staatsanwalt erklärte in seinem Schlussvortrag, dass die Angeklagte ohne jeden Zweifel die Mädchen als minderjährige Schülerinnen erkannt haben musste. Angesichts der Umstände und des Verhaltens der Angeklagten vor Gericht sei er nicht bereit, hier einen „minderschweren“ Fall zu unterstellen. Auch sei keine positive Sozialprognose erkennbar. Er beantragte eine Gefängnisstrafe von 18 Monaten, die er nicht zur Bewährung ausgesetzt sehen wollte.
Die Verteidigerin dagegen erkannte angesichts der sehr geringen Drogenmenge, die die Angeklagte den Mädchen verkauft hatte, durchaus einen „minderschweren“ Fall. Dazu führte sie die Alkoholisierung ihrer Mandantin ins Feld, und dass diese nicht vorbestraft sei. „Acht Monate Haft ausgesetzt zur Bewährung“, lautete ihr Antrag.
Acht Monate Haft ohne Bewährung
Die Richterin kritisierte in ihrer Urteilsbegründung, dass die Frau bei all den Schicksalsschlägen, die sie zweifelsohne erlitten habe, immer Ursache und Schuld bei anderen suche. Niemals sei sie bereit gewesen, eigene Fehler zu erkennen, geschweige denn diese zu beheben. Noch heute verweigere sie sich einer notwendigen Therapie oder anderen eigenen persönlichen Veränderungen.
Deshalb könne auch aus ihrer Sicht von einer positiven Sozialprognose keine Rede sein. Aus diesem Grunde sehe sich das Schöffengericht außerstande, die Möglichkeit einer Bewährung auszusprechen. Andererseits sehe man „gerade noch“ einen minderschweren Fall. Demzufolge müsse das Urteil lauten: Acht Monate Gefängnis ohne Bewährung. „Wenn sie in Berufung gehen, müssen sie in ihrem Leben dringend einiges ändern, wenn der nächste Richter zu einem anderen Urteil kommen soll“, gab Richterin Melanie Bartschat der Angeklagten mit auf den Weg.