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Lernen mit Spaß und Bewegung

Revolution nach katastrophalen Pisa-Ergebnissen? So geht Schule ganz anders in Stephanskirchen

Das Einbinden von Bewegung in den Unterricht ist an der APS in Stephanskirchen Alltag.
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Das Einbinden von Bewegung in den Unterricht ist an der APS in Stephanskirchen Alltag.

Lernen soll Spaß machen: Aktiv, voller Bewegung und projektorientiert zum Schulabschluss – APS. Der Name ist an der Aktiven Projekt Schule in Högering (Stephanskirchen) Programm. OVB-Reporterin Tina Blum hat am Unterricht teilgenommen und erlebt, wie Schule auch anders geht.

Stephanskirchen – Das Koordinatensystem anhand der Skyline New Yorks lernen? Gleichungen mittels einer Schatzsuche lösen? An der Aktiven Projekt Schule (APS) in Högering ist das Alltag. Denn hier soll Schule Spaß machen und die Kinder und Jugendlichen beim Lernen bestärken. Leistungsdruck durch schlechte Noten hat hier keinen Platz. Nachdem die deutschen Schülerinnen und Schüler bei der jüngsten PISA-Studie im Dezember 2023 das bislang schlechteste Ergebnis seit Beginn der Erhebung einfuhren, steht das Bildungssystem für viele auf dem Prüfstand. Die Nachfrage nach Privatschulen und alternativen Schulkonzepten wächst.

An der APS wird Unterricht und Lernen anders gedacht. „Wir wollen den Selbstwert der Kinder aufbauen, damit sie hier als starke Persönlichkeiten rausgehen“, erklärt Schulleiterin Anja Feichtl.

Was ist PISA?

Die PISA-Studie wurde von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ins Leben gerufen, um die Lese-, Mathematik- und Naturwissenschaftskenntnisse und -kompetenzen 15-jähriger Schülerinnen und Schüler zu evaluieren. Die Erhebungen finden normalerweise alle drei Jahre statt, 2021 und 2024 wurden sie aufgrund der Corona-Krise jeweils um ein Jahr verschoben. Die letzte PISA-Erhebung fand 2022 statt, die Ergebnisse wurden im Dezember 2023 veröffentlicht. An dieser Erhebung nahmen 81 Länder und Volkswirtschaften teil. Bei der letzten Erhebung erreichten die deutschen Schülerinnen und Schüler ihr bislang schlechtestes Ergebnis seit Beginn der Erhebung. Im internationalen Vergleich liegen sie in Mathematik und Lesen im Mittelfeld hinter Staaten wie Japan, Österreich und Finnland.

Dreier-Einmaleins rückwärts im Hampelmann

Ein Besuch im Reli-Unterricht: 20 Lernende (=Schüler) springen in einem großen Kreis in einem Klassenraum im Hampelmann und sagen dabei das Dreier-Einmaleins rückwärts. Lernbegleiterin ( =Lehrerin) Anja mittendrin. Die Lernenden dürfen die Lernbegleiter duzen. Die Begriffe Schüler und Lehrer gibt es hier nicht. Nach einer Runde Kniebeugen und Körperabklopfen kommenden die Lernenden im Kreis zusammen. Zum Gong einer Klangschale wird es ganz ruhig im Klassenzimmer. Der Unterricht beginnt.

Lernende beim Unterricht an der APS.

Die Lernenden, die hier zum Reliunterricht zusammenkommen, sind zum Teil aus der 5. und 6. Klasse zusammengelegt. Sie sind zwischen zehn und zwölf Jahre alt. Das Verhältnis zwischen Buben und Mädchen ist ausgeglichen. Dass jemand von der Zeitung gekommen ist, freut sie. Sie sind aufgeregt – aber nicht nervös. Emma A. will Filmtiertrainerin werden, Benjamin und Till Fußballspieler, Lulani will einmal ein eigenes Restaurant führen, Elvis kann sich vorstellen, eine Ausbildung zum Erzieher zu machen, Ida wäre später gerne Tierärztin.

Da die Schüler sich nach Ferien und Klassenfahrt länger nicht im Unterricht gesehen haben, lassen sie zunächst Revue passieren, was sie im vergangenen halben Jahr in den Projekten gelernt haben. Jeder nimmt sich ein Stück Kreide und schreibt einen Begriff, der ihm besonders im Gedächtnis geblieben ist. Anschließend besprechen sie sich mit einem Partner. Alles, während sie auf dem Boden im Kreis zusammensitzen. Anschließen dürfen sie jeder für sich ein Bild malen: Sie sollen abbilden, was sie besonders bewegt hat. Dabei sitzen einige an ihren Tisch, die nicht wie in anderen Schulen im Raum aufgereiht sind, sondern in kleinen Lerninseln am Rand des Raumes stehen. Auch das Pult des Lernbegleiters steht nicht wie gewohnt mittig vorne, sondern hinten links in der Ecke.

Lulani und Emma (l.o. und r.o.) sind gute Freundinnen und mögen den Unterricht mit Lernbegleiterin und Schulleiterin Anja Feichl (Mitte, Bild u. r.).

Noten erst ab der 9. Klasse

Die Privatschule ist zwar evangelisch geprägt. Religionslehre findet hier aber konfessions- und religionsübergreifend statt, erklärt Anja Feichtl, die seit zwei Jahren zusätzlich die Schulleiterin ist. Auch sie schätzt die freie Art des Unterrichts. In den Hauptfächern Mathe, Deutsch und Englisch gibt es Projektlernpläne (PLP). Diese können je nach Lernbegleiter aussehen wie eine Checkliste oder ein Wochenplan. Das Wichtigste daran ist das Lernziel. Ab der 8. Klasse werden sie empfohlen, sind aber kein Muss. Ab der 9. Klasse sind sie verpflichtend. Begriffe wie „Probe“ oder „Test“ werden durch „Erinnerungsbogen“ ersetzt. „Extemporalen gibt es bei uns nicht.“

Lehrkräfte gesucht

Nur bei Lernbegleitern besteht noch Bedarf. Ein Großteil von Ihnen ist weiblich und arbeitet in Teilzeit. „Für das kommende Schuljahr suchen wir eine Lehrkraft in Teilzeit, die mindestens 14 Unterrichtsstunden und gerne auch eine Klassenleitung übernehmen kann“, sagt Anja Feichtl. Voraussetzung sind mindestens das 1. Staatsexamen und „die Bereitschaft sich auch selbst zu reflektieren“, fügt die Schulleiterin hinzu.

Ihren Qualifizierten Mittelschulabschluss legen die Lernenden der APS in enger Kooperation an der Otfried-Preußler-Schule ab. „Viele Eltern wünschen sich für ihre Kinder ein anderes Lernen“, sagt Anja Feichtl. Der Wunsch nach alternativen Schulsystemen sei auf Elternseite groß. Durch das Konzept soll der Druck genommen werden und Lernen wieder Spaß machen.

Lernende wollen gehört werden

Und wie finden das die Lernenden selbst? „Ich finde gut, dass wir auch eigenen Ideen einbringen können, und dass die dann auch gehört werden“, sagt Anna. Das Lernen durch eigene Projektthemen geschehe hier viel freier, findet Mehlika-Vera. Emma mag es, dass man während des Unterrichts auf dem Boden sitzen, Benji findet es gut, dass man die Lernbegleiter beim Vornamen nennen und sie duzen darf. „Man kann sein, wie man ist“, sagt Ronja.

Derzeit besuchen 84 Mädchen und Jungen von der 5. bis zur 10. Klasse die 2017 gegründete Privatschule, die sich selbst als Beziehungsschule definiert. Finanziert wird sie über staatliche Förderungen, nach Einkommen der Eltern gestaffeltem Schulgeld, den Evangelischen Schulverein Rosenheim als Träger sowie den 2012 gegründeten Förderverein. „Wir schauen bei der Aufnahme der Kinder aber nicht auf den Geldbeutel der Eltern“, sagt Anja Feichtl. Durch die Fördermittel könnten auch finanziell schwächeren Familien die Aufnahme ermöglicht werden. Denn das Interesse der Familien ist groß: „Auf 13 freie Plätzen haben wir dieses Jahr 54 Anmeldungen.“

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