Keine Ausnahme von regulärer Jagdzeit?
Feuerpause in den Bergen: Fette Watschn für den Freistaat – Schonzeit für die Gams
Die Flinten waren schon geladen, da kam das Urteil: Gams, Rotwild und Reh dürfen außerhalb der gesetzlichen Jagdzeiten nicht mehr geschossen werden. Ihre Schonzeit gilt – auch in den Bergen. Das ist der Hintergrund.
Chiemgau – Das war eine ordentliche Watschn für den Freistaat Bayern. Die Verordnung zur Verkürzung der Schonzeit in den Sanierungsgebieten in Oberbayern war ganze 27 Tage in Kraft. Dann wurde sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gekippt. Damit ist die Bejagung von Gams, Rotwild und Reh außerhalb der gesetzlichen Jagdzeiten nicht mehr möglich.
Neue Verordnung war ein „Schuss ins Knie“
Dass sich die Regierung von Oberbayern mit der neuen Verordnung zur Schonzeit-Aufhebung „ins Knie schießen“ würde, war abzusehen. Erst am 7. November 2024 stufte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig die „Verordnung zur Änderung der Jagd- und Schonzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten“ als nicht rechtskonform ein. Ohne die ausführliche, schriftliche Urteilsbegründung zu kennen, prügelte die Regierung von Oberbayern eine neue Verordnung durch. Die trat nur einen Monat später, am 15. Dezember, in Kraft. Pünktlich zum Beginn der Schonzeit. Die Jagd auf Gams und Co. sollte weitergehen, um den Wald zu schonen. Ohne Pause. Doch dem schoben Naturschutzverbände einen Riegel vor.
Auch der Staat muss sich an Urteile halten
Tags darauf – am 16. Dezember 2024 – reichten der Verein Wildes Bayern und der Bayerische Jagdverband (BJV) Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein. Und das nicht nur für den Schutz des Bergwildes, sondern vor allem für die Wahrung von Recht und Gesetz. So heißt es in der Klageschrift des BJV: „Unsere Rechtsordnung toleriert nicht, dass Mittelbehörden höchstrichterliche Urteile ignorieren, sich über höchstrichterliche Rechtsprechung hinwegsetzen und damit die Richterschaft des Bundesverwaltungsgerichtes geradezu verhöhnen.“ Damit werde signalisiert, dass man Recht und Rechtsprechung beachten könne, aber nicht müsse. Um einen „schweren, irreversiblen Verlust des Vertrauens in den Rechtsstaat und in die Gewaltenteilung zu verhindern“, beantragte der BJV den Erlass einer Einstweiligen Anordnung.
Jetzt gilt die Schonzeit wieder
Mit Erfolg: Am 10. Januar 2025 kippte der 19. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes die Schonzeitverordnung. Seitdem gelten wieder die normalen Jagd- und Schonzeiten. Und das heißt im Klartext: Wer jetzt noch außerhalb der gesetzlichen Jagdzeiten schießt, handelt rechtswidrig. Und es werden je nach Wildart fünf bis acht Monate vergehen, ehe die Bayerischen Staatsforsten den Wildbestand im Schutzwald wieder bejagen dürfen.
Ist das eine Ruhephase fürs Bergwild oder eher die Ruhe vor dem Sturm? Wie Dr. Christine Miller, die Vorsitzende des Vereins Wildes Bayern berichtet, werde in den Forstbetrieben der Bayerischen Staatsforsten gegenwärtig darüber diskutiert, ob der Wildbestand in den 85 Schutzwaldgebieten im Alpenraum zwischen Garmisch-Partenkirchen und Berchtesgaden nun mit höheren Abschussquoten während der Jagdzeiten reguliert werden könnte. Denn nach wie vor gelte der Grundsatz „Wald vor Wild“. Das „hat uns der Gesetzgeber ins Aufgabenbuch geschrieben“, heißt es auf der Homepage der Bayerischen Staatsforsten.
Wie überleben Wald und Wild?
Doch darüber, wie ein waldangepasster Wildbestand erreicht werden kann, scheiden sich die Geister: Alternativen wie eine Umzäunung der Schutzgebiete oder Verbissschutz für junge Bäume sind nach Informationen der Staatsforsten zu teuer und ungeeignet. Deshalb wird auf Vergrämung gesetzt. Das heißt: Hält sich Reh-, Rot- oder Gamswild in den sensiblen jungen Beständen auf, werden vereinzelte Tiere geschossen, um die anderen aus dem Bereich zu verscheuchen.
„Doch dort, wo die Gams bejagt wird, leben viele weitere schützenswerte Arten wie Auer- und Birkhühner“, macht Dr. Miller klar. Wanderern werde der Zugang zu diesen Schutzgebieten verwehrt. Doch Vergrämung sei erlaubt. Für Miller ist das ein Widerspruch, zumal nicht erforscht sei, „welche Auswirkungen das auf den Bestand geschützter Arten hat“. Deshalb dürfe es Jagd nur in Verbindung mit einem lückenlosen Monitoring geben, um die Entwicklung dieser Bestände zu beobachten.
Totschlagargumente funktionieren nicht mehr
Zugleich kritisiert die Wildbiologin, dass die Staatsforsten eine Drohkulisse aufbaue: Das Wild bedrohe den Bergwald als Schutzschild vor Muren- und Lawinenabgängen und somit auch die im Tal lebenden Menschen. Der personelle, materielle und finanzielle Aufwand für den Erhalt des Schutzwaldes sei immens. Mit diesen Totschlagargumenten seien bisher alle Warnungen von Naturschützern abgetan worden. Und mit diesen Argumenten begründete die Regierung von Oberbayern auch, dass „für den Erhalt des Schutzwalds und seiner Funktionen eine Nachfolgeregelung unerlässlich“ sei, und sie sich über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes hinwegsetzte. Dieser Versuch ist fehlgeschlagen. Die Schonzeit gilt wieder. Und bis zur neuen Jagdsaison auf Gams und Co. bleiben die Flinten erst einmal im Schrank.