Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Juristischer Erfolg für Verein Wildes Bayern

„Vogelfreies“ Wild? Was der Schonzeit-Streit für die Tiere – und für die Wälder der Region bedeutet

Rotwild in einem Bergwald bei Ruhpolding (links). Eine Gams (rechts)
+
Wild und Bergwald sollen im Einklang leben können. Doch wie viel Jagd verträgt das Wild? Und wie viel Wild verträgt ein Wald? Die Meinungen darüber gehen weit auseinander.

Der Verein Wildes Bayern feiert einen juristischen Erfolg, der die Jagd auf Bergwild eindämmen soll. Das Bundesverwaltungsgericht hat die „Schonzeit-Aufhebung“ gekippt. Die war bis 31. Juli gültig. Noch im Dezember wird eine neue Verordnung erlassen. Geht der Rechtsstreit also in die nächste Runde?

Region – „Das Bundesverwaltungsgericht hat ein unglaubliches Joch vom Bergwild in Bayern genommen“, freut sich Dr. Christine Miller, die Vorsitzende des Vereins Wildes Bayern. Dieser klagt seit Jahren gegen die Regierung von Oberbayern. Die Behörde hatte mit einer Verordnung die Schonzeiten aufgehoben und es damit ermöglicht, Reh-, Rot- und Gamswild auch außerhalb der regulären Jagdzeiten zu schießen. Nach Informationen der Deutschen Wildtier-Stiftung führte das dazu, dass es in Oberbayern auf über 25.000 Hektar keine Schonzeit mehr gab.

Auch in der Region Rosenheim waren zahlreiche Flächen betroffen. So galt die Schonzeit-Aufhebung unter anderem für die Bereiche Gießenbach, Innerwald, Klausgraben und Wildbarren (Landkreis Rosenheim). Im Landkreis Traunstein waren insgesamt 29 Gebiete ausgewiesen, darunter Hochfelln und Kampenwand.

In diesen Schutzwald-Gebieten zwischen Aschau und Ruhpolding durften in den vergangenen Jahren Gams, Rotwild und Rehwild teilweise auch in der Schonzeit bejagt werden.

Bundesverwaltungsgericht entscheidet

„Seit über 20 Jahren wird auf großen Flächen in den oberbayerischen Gebirgswäldern dem Wild keine Ruhe mehr gelassen“, kritisiert Miller. „Mit dem Argument, dass sich der schützende Bergwald in Auflösung befinde und bei Anwesenheit von Wildtieren nicht mehr verjüngen könne, hebt die Regierung von Oberbayern alle fünf Jahre per Verordnung großräumig die Schonzeit für Rehe, Gämsen und Hirsche auf.“ Dadurch würden die Tiere in den überlebenswichtigen Winterlebensräumen „in ihrer dringend benötigten Ruhephase im Winter und im Frühjahr von Schützen verfolgt“.

Jetzt lag die Klage des Vereins vor dem Bundesverwaltungsgericht. Mit dem Ergebnis, „dass die Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern vom 22. Februar 2019 als unwirksam eingestuft wurde“, informiert eine Sprecherin auf OVB-Anfrage.

Schutzwälder vor übermäßigem Verbiss schützen

„Die Regierung von Oberbayern hat mit der Verordnung auf Antrag der Bayerischen Staatsforsten in bestimmten Schutzwaldgebieten Oberbayerns die Schonzeiten für Rot-, Gams- und Rehwild in unterschiedlichem Umfang verkürzt“, bestätigt ein Sprecher der Regierung von Oberbayern. „Ziel der Verordnung war es, die betreffenden Schutzwälder, die mit erheblichem Aufwand saniert wurden und fortlaufend saniert werden, in ihrem Bestand und ihrer Verjüngung vor übermäßigem Verbiss zu schützen.“ Für den Schutz von Siedlungen, Infrastrukturen und Landschaft seien intakte Schutzwälder von zentraler Bedeutung. „Sie stabilisieren Hänge und schützen damit auch die Tallagen vor Bodenerosion, Muren- und Lawinenabgängen. Sie binden außerdem Niederschlagswasser und leisten damit auch einen erheblichen Beitrag zum Schutz vor Hochwasser.“

Über Jagdumfang entscheiden Abschusspläne

„Die Gefahren und Schäden durch Verbiss sind auch wesentliches Kriterium für die Landratsämter beim Erlass ihrer Abschusspläne“, erläutert die Regierung von Oberbayern. „Allein diese legen verbindlich und abschließend die Abschusszahlen fest. Die Verordnung der Regierung von Oberbayern hatte daher auch keine Auswirkung auf die festgelegten Abschusszahlen, sondern verlängerte lediglich in Bezug auf bestimmte Tierarten und Flächen den Zeitraum, der zur Erfüllung der geltenden Abschusspläne zur Verfügung stand.“

Dennoch: Der Verein Wildes Bayern hielt die gelebte Praxis „nicht für rechtskonform“ und klagte. Im September 2022 noch erfolglos, denn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte die Verordnung der Regierung von Oberbayern in der Vorinstanz. „Dabei teilte der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der Regierung, dass es sich bei der Verordnung um eine Maßnahme handelt, die gerade dem Erhalt der betreffenden Schutzwald- und FFH-Gebiete in ihrem Bestand dient“, erläutert der Regierungssprecher auf OVB-Anfrage. Zudem sei für sogenannte Gebietserhaltungsmaßnahmen keine Verträglichkeitsprüfung im Sinne der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) erforderlich. Doch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sah es anders und hob das Urteil des bayrischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. September 2022 auf.

Marathon durch die Gerichtsinstanzen

„Nach einem Marathon durch die Gerichtsinstanzen kam das Wild der bayerischen Berge am 7. November nun endlich zu seinem Recht“, betont Vereinsvorsitzender Miller. Die Klage wurde von den Umwelt-Juristen Leopold M. Thum und Peter Fischer-Hüftle vertreten. „Das Bundesverwaltungsgericht ist ihrer Argumentation gefolgt und erklärte die Verordnung zur Änderung der Jagd- und Schonzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten für nicht rechtskonform“, informiert Miller. Entscheidend sei nach ihren Informationen das Argument gewesen, dass die „Auswirkungen der Schonzeitaufhebungen auf geschützte Wildarten, auf Gamswild und auf geschützte Lebensräume niemals fachlich von den zuständigen Stellen geprüft worden“ seien.

Die vollständigen Urteile, Beschlüsse und Begründungen des Bundesverwaltungsgerichts wurden noch nicht veröffentlicht. „Deshalb können wir die Konsequenzen dieser Entscheidung auch noch nicht einschätzen“, so der Regierungssprecher. Doch unabhängig davon sei die Verordnung vom Februar 2019 planmäßig bereits am 31. Juli außer Kraft getreten, da sie von vornherein entsprechend befristet war.

War es nur ein „Hornberger Schießen“?

Wie es nun weitergeht? Für den Verein „Wildes Bayern“ ist klar: „Die Entscheidung ist ein absoluter Sensationserfolg für unsere heimischen Wildtiere“, so Dr. Christine Miller. „Wildtiere einfach für vogelfrei zu erklären, ohne ihre Rolle als Bestandteile der Natur zu berücksichtigen, ist überkommen und unserer heutigen Sicht auf die Natur absolut nicht mehr gemäß.“ Nun müsse sich erweisen, ob und wie sich diese Entscheidung auf das Schutzwaldmanagement auswirke.

Dazu gibt es aus der Regierung von Oberbayern bereits ein klares Signal. „Auch nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist klar, dass für den Erhalt des Schutzwalds und seiner Funktionen eine Nachfolgeregelung unerlässlich ist.“ Daran arbeite die Regierung von Oberbayern bereits seit längerem. Den Bedenken des Bundesverwaltungsgerichts solle Rechnung getragen werden. Ziel sei es, eine Nachfolgeregelung am 15. Dezember in Kraft treten zu lassen. Geht der Rechtsstreit nun also in die nächste Runde?

Kommentare