Drohende Pleitewelle in der Gastronomie
Schnitzel drei Euro teurer? Warum 50 Wirte in Rohrdorf demonstrieren
Corona ist noch nicht vorbei. Zumindest nicht in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen, vor allem in der Gastronomie. Das findet nicht nur Theresa Albrecht, Rosenheimer Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), sondern auch rund 50 Wirte aus dem Landkreis.
Rohrdorf – Diese trafen sich zu einer Kundgebung vorm Hotel zur Post in Rohrdorf, dem Betrieb der Familie Albrecht.
Zweck war es, für die Beibehaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent für Gastronomiebetriebe zu demonstrieren. Dieser reduzierte Steuersatz war im Juli 2020 eingeführt worden, um den Betrieben bei der Bewältigung der Coronakrise zu helfen und soll eigentlich zum Januar nächsten Jahres wieder auf den regulären Steuersatz von 19 Prozent angehoben werden.
Für Georg Pfeiffenthaler aus Bad Feilnbach etwa, wäre das eindeutig ein Schritt in die falsche Richtung und zur falschen Zeit. Denn viele Gastronomiebetriebe hätten den Geschäftseinbruch während der Pandemie immer noch nicht ganz verkraftet, seien seither aber mit einer enormen Steigerung der Energie- und vor allem der Personalkosten konfrontiert. Nach einer Infobroschüre der Dehoga, die auf der Kundgebung auslag, erreichte die Inflationsrate im April bei den Energiekosten 21,1 Prozent, die Personalkosten lagen um durchschnittlich 21,5 Prozent höher als ein Jahr zu vor.
Steuererhöhung bricht Betrieben das Genick
Auch deshalb, so Albrecht, reduzieren schon jetzt viele Gastronomiebetriebe ihre Öffnungszeiten, teils aus Personalmangel, teils weil sie es sich finanziell nicht mehr leisten können, zu umsatzschwächeren Tageszeiten geöffnet zu haben. Und noch jemand, so die Kreisvorsitzende, würde von der Wiedererhöhung massiv betroffen: Kindergärten, Schulen und Altenheime. Dort wäre dann kaum noch Spielraum für den Kauf frischer, regionaler Lebensmittel: „Und das steht im krassen Gegensatz zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung.“
Bei den Gastwirtschaften ist eine Reduzierung der Öffnungszeiten oft nur der erste Schritt auf dem Weg zur Schließung, meint dazu Steffi Wagenstetter, die im Marketing bei der Firma Bierbichler arbeitet. Bierbichler ist einer der großen Gastronomieversorger in Südostoberbayern, der Aktionsradius erstreckt sich auf etwa 150 Kilometer um Rosenheim. Während Corona hätten in diesem Bereich etwa 200 Betriebe schließen müssen, erzählt Wagenstetter. „Kommt es jetzt zu einer Wiederanhebung der Mehrwertsteuer, bricht das vielen Betrieben, die sich jetzt gerade so über Wasser halten und erst ganz langsam Richtung Gesundung unterwegs sind, endgültig das Genick.“
Preiserhöhung für Gäste
Denn die Gäste würden den Preisschock, den die Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer nach sich zöge, nicht akzeptieren, davon ist auch Markus Schwaiger vom Gasthof Falkenstein in Flintsbach überzeugt. „Wenn ein normales Schnitzel rund drei Euro teurer wird, dann ist das für viele derzeit nicht mehr zu verkraften“, pflichtet Albrecht bei und fügt hinzu: „Essen gehen heißt dann für nicht wenige nur noch, sich bei den Imbisstheken der Supermärkte mit ,Food to go‘ zu versorgen, denn für reine Mitnahmeprodukte bleibt es auf jeden Fall bei den sieben Prozent Mehrwertsteuer.“
Ungleichbehandlung innerhalb der EU
Sind Wirtshäuser erst einmal geschlossen, seien sie fast nicht wiederzubeleben. Diese Erfahrung machten und machen etliche der kleineren Gemeinden im Landkreis. Sie haben erst nach der Schließung ihres Dorfwirtshauses erlebt, wie sehr dem Ort auf einmal ein Mittelpunkt fehlt. Diesen zurückzugewinnen, ist in der momentanen Situation sehr schwer. Albrecht fügt hinzu, dass die Entwicklung Auswirkungen auf die ganze Region hätte: „Die lebt nun einmal vielerorts stark vom Tourismus, steht aber dank der Grenznähe in direkter Konkurrenz zu Österreich. Und während die Wirtshäuser hier leer stehen, blühen sie dort auf.“ Dort gilt nämlich dauerhaft ein Mehrwertsteuersatz, der in der Gastronomie nur die Hälfte der normalen Mehrwertsteuer ausmacht. Ein Umstand der, das war auf der Kundgebung immer wieder zu hören, für 23 der 27 EU-Staaten gilt: Eine Ungleichbehandlung innerhalb der EU sei aber weder zeitgemäß noch klug.
jt/AN
