Sprit und Kippen statt Promis und Millionen
„Es ist ein Niedergang“: In Prien gibt’s die Post nur noch an der Tanke
Millionen-Summen gingen früher neben den Briefen über den Postschalter in Prien. Die Prominenz ging ein und aus. Heute gibt es zum Briefmarkerl nur noch Super für einen Euro und 89 Cent – und Kippen hinterm Tresen. Ein Zeitzeuge berichtet von anderen Zeiten.
Prien – Hans-Dieter Dummert ist stolz. Er ist stolz darauf, ein aktives Mitglied in der Marktgemeinde zu sein, am Freitag am Wochenmarkt zu stehen, und wenn er über seine Zeit bei der Post spricht, schwillt ihm die Brust und seine Stimme zittert vor freudiger Aufregung. Denkt er aber an das, was die Post heute in Prien ist, trübt sich sein Blick. Als ehemaliger Postler „blutet einem das Herz“, sagt der 79-Jährige.
Im Priener Heimatbuch wird berichtet, dass die erste Postanstalt im Chiemseegebiet 1851 genehmigt wurde, im heutigen Schlichter-Haus. 1860 wurde sie mit der Eröffnung der Bahnlinie in das Priener Bahnhofsgebäude verlegt und 1924 ein größeres Postamt neben dem Bahnhof eingeweiht. Hier arbeitete auch Hans-Dieter Dummert ab den frühen 60er-Jahren am Schalter.
Das ganze Geld kam nach Prien
Die Priener Post hatte damals ein umfangreiches Verwaltungsgebiet. Wie im Sprechgesang zählt Dummert die Gemeinden auf und untermalt jeden Ort mit einem rhythmischen Pochen seiner Hand auf dem Tisch: „Bernau, Rottau, Grassau, Marquartstein, Unterwössen, Oberwössen, Reit im Winkl, Aschau, Sachrang, Rimsting, Breitbrunn, Gstadt und die Fraueninsel. Das war alles unter unserer Verwaltung.“ Am Montag haben die Banken Geld eingeliefert. „Und das ist alles nach Prien geflossen“, erinnert sich der 79-Jährige.
Millionensummen nur mit Schlagstock verteidigt
Abends um neun wurde das Geld in einer Blechkiste zum Zug gebracht. „Da waren Millionen drin – ohne Schutz“, sagt Dummert. Er wollte keine Pistole in die Hand nehmen und bewachte daher die Millionensummen lediglich mit einem kleinen ausfahrbaren Schlagstock: „Undenkbar in der heutigen Zeit“, sagt er.
Auch so manche Prominenz kam an den Chiemsee und so habe Hans-Dieter Dummert am Schalter Größen wie den Entertainer Lou van Burg oder die Schauspieler Elisabeth Flickenschildt und Robert Atzorn bedient. „Ich war sehr gerne bei der Post“, sagt er mit einem Lachen.
Nach 20 Jahren abgerissen
Der Umzug in den großen Post-Neubau an der Franziska-Hager-Straße östlich der Bahn fand 1984 statt. Die menschengroße geschnitzte Holzfigur, ein Postillion, der das alte Postamt zierte, „haben wir mehr oder weniger in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit umgezogen“, sagt Dummert schmunzelnd hinter vorgehaltener Hand. Sechs Jahrzehnte war die Post in dem Gebäude an der Bahn – den Neubau gab es nur zwei. „Nach 20 Jahren hat man ihn abgerissen und da den Lidl hingebaut“, sagt der ehemalige Postler kopfschüttelnd, „wenn man sich das vorstellt, das war ja ein Massivbau.“
„Es ist ein Niedergang“
Der hölzerne Postillion wurde zurück an das Bahnhofsgebäude gehängt und die Post landete schließlich in der Postbankfiliale in der Hochriesstraße. Bis zum 2. Mai dieses Jahres, als sich Postbank und Deutsche Post im Herzen Priens trennten und den Postbetrieb an die AVIA-Tankstelle auslagerten.
„Es ist ein Niedergang“, sagt Dummert, „ich habe zwei Jahre lang gelernt und jetzt haben sie einen Schnellkurs“ und meint damit die Angestellten an der Tankstelle, die jetzt das Postaufkommen von Prien stemmen müssen. Die Schlangen vor der Post in der Hochriesstraße sind verschwunden und ob heute noch Millionensummen in der Nähe des Bahnhofs bewegt werden, bleibt ein Bankgeheimnis.





