Seit über 35 Jahren eine Institution
„Jede hat ihr Päckchen zu tragen“: Wie der Rotter Bauernmarkt ein ganzes Dorf zusammenschweißt
Der Rotter Bauernmarkt ist mehr als nur ein Ort zum Einkaufen. Hier kommen Menschen zusammen, um zu plaudern und Gemeinschaft zu erleben. Ein Blick hinter die Kulissen einer Institution, die ein ganzes Dorf prägt.
Rott – Freitagmittag in Rott: Der gesamte Marktplatz ist gefüllt mit Menschen. Kein Wunder, denn wie jede Woche ist wieder Rotter Bauernmarkt. Ob Sonnenschein oder Regen: „Unsere Stammkunden kommen immer“, sagt Christa Peltzer, Vorsitzende des Vereins „Rotter Bauernmarkt“.
Er ist aber auch ein besonderer Markt. Seit genau 36 Jahren wird hier jeden Freitag verkauft. Damals begann alles mit einem kleinen Wagen, erzählt Peltzer, inzwischen verkaufen die Rotter Bäuerinnen seit genau 25 Jahren aus ihrem weit über die Dorfgrenzen hinaus bekannten Häuschen. Auf der 20 mal sechs Meter großen Verkaufsfläche bekommen die Kunden alles, was das Herz begehrt: von Brot über Wurst bis hin zum Kaffee für ein Päuschen vor Ort gibt es hier alles. „Es ist schon etwas Besonderes“, sagt Peltzer. Wenn sie Leuten erzähle, dass sie am Rotter Bauernmarkt verkaufe, bekomme sie oft die Frage: „Was hast du denn dann für einen Stand?“ Die Verwirrung sei jedes Mal groß, wenn sie antworte: „Gar keinen. Bei uns darf jede alles verkaufen.“
Fünfzehn bis zwanzig Verkäuferinnen kümmern sich
Doch genau so ist es. Fünfzehn bis zwanzig Verkäuferinnen kommen jeden Freitag zusammen, erzählt Peltzer. Je nach Andrang und Jahreszeit brauche es mal mehr, mal weniger. „Kurz vor Ostern ist es bei uns besonders voll“, sagt sie. Dann seien noch mehr helfende Hände gefragt. An anderen Tagen im Jahr sei es ruhiger, aber auch dann sei „immer was los.“ Die meisten der Verkäuferinnen sind Bäuerinnen, haben zu Hause selbst einen Hof und bieten hier ihre Waren feil. Doch sie verkaufen auch die Produkte der anderen. Jede darf eben alles anbieten, der Verkaufspreis wurde natürlich vorher besprochen und ausgemacht.
Fest ausgemacht ist nur die Arbeitsteilung im Hintergrund: Wer für die Einteilung der Verkäuferinnen zuständig ist, wer sich um die Biertische oder um den Flyer kümmert und natürlich, wer welche Waren liefert. „Wir haben Kuchen-Bäuerinnen, Semmel-Bäuerinnen, Wurst-Bäuerinnen, Käse-Bäuerinnen hier“, sagt Peltzer. Jede wisse genau, wie viel von welchem Produkt sie jeden Freitag anzuliefern habe. Hinzu kommen noch einige Bauern und Lieferanten, die selbst nicht am Rotter Bauernmarkt verkaufen. An die 40 Lieferanten hat der Rotter Bauernmarkt somit inzwischen. Immer wieder kommen neue hinzu, dann werde geprüft, ob es sich beim angebotenen Produkt um neue Ware handle, denn: „Wir schützen unsere bestehenden Lieferanten“, betont Peltzer. Nur wenn es sich um ein Produkt handle, das noch nicht im Sortiment sei, werde es aufgenommen.
14 Prozent Erlös bleibt beim Rotter Bauernmarkt
14 Prozent des Erlöses der jeweils verkauften Produkte verbleibt beim Rotter Bauernmarkt, davon gehen vier Prozent in den Erhalt der Hütte sowie in Strom und Wasser. Zehn Prozent werden unter den Verkäuferinnen aufgeteilt. Der Rest des Geldes landet bei den Lieferanten.
Inzwischen ist der Bauernmarkt schon eine Institution in der Gemeinde. Um kurz vor sieben kommt dabei die erste der Frauen und bereitet den Marktstand vor, prüft Strom, Wasser, die Kühlung, fängt an, die Biertische aufzustellen. Dann trudeln die ersten Lieferanten ein. Bis neun Uhr sind es etwa zehn Frauen, die die Ware einrichten, ab 11.30 Uhr beginnt offiziell die Verkaufszeit. „Meistens sind die Kunden aber schon früher da“, sagt Peltzer. Und dann geht es Schlag auf Schlag bis 16.30 Uhr. „Wir haben eine Seniorengruppe, die bei uns ihren Stammtisch hat. Der Kindergarten kommt jeden Freitag und wir haben auch Handwerker, die ihre Mittagspause extra so legen, dass sie bei uns vorbeischauen können“, sagt Peltzer. Bis 18 Uhr sind die Frauen des Bauernmarktes dann noch mit Aufräumen beschäftigt. Am Ende wird noch besprochen, welches Mittagessen in der nächsten Woche angeboten wird und wer sich um welche Zutat kümmert.
Verkäuferinnen in ihre Tätigkeit „hineingerutscht“
Die meisten der Verkäuferinnen sind dabei in ihre Tätigkeit „hineingerutscht“, erklärt Peltzer. Auch bei ihr selbst sei das so gewesen. Ihre Eltern hatten früher einen Geflügelhof. Sie war beauftragt, die Produkte freitags an den Bauernmarkt zu liefern. „Eines Tages hieß es: Mensch, kannst du nicht die Ware einräumen, ich habe gerade so viel zu tun? Beim nächsten Mal wurde gesagt: Kannst du nicht eine Stunde da bleiben, ich habe einen Arzttermin?“, erzählt Peltzer. Natürlich habe sie ausgeholfen, zunächst eine Stunde, bis über die folgenden Wochen und Monate aus einer Stunde, zwei und drei der Vormittag wurde. Jetzt ist Peltzer Vorsitzende des Rotter Bauernmarkts, obwohl sie selbst gar keinen Hof zu Hause hat. Die Arbeit am Markt möchte sie trotzdem nicht missen, denn der Zusammenhalt zwischen den Frauen sei „ein ganz besonderer“, sagt sie.
„Jede von uns hat ihr Päckchen zu tragen“, erzählt Peltzer. Manche hätten Kinder mit Behinderung zu Hause, andere hätten pflegebedürftige Eltern, wieder andere hätten schon schwere Schicksalsschläge, beispielsweise den Tod der eigenen Kinder, erlebt. „Am Bauernmarkt vergisst man diese Dinge“, sagt Peltzer. Viele der Mitglieder würden es schätzen, einmal weg vom eigenen Hof zu kommen, etwas anderes zu sehen. Zumal hier zwischen den Bäuerinnen, als auch seitens der Kunden eine „ganz besondere Wertschätzung“ herrsche. Auch die Gemeinde würde der Rotter Bauernmarkt bedingungslos unterstützt, sogar die Besitzer des naheliegenden Rewe-Markts hätten schon Blumen für jede Verkäuferin vorbeigebracht, aus Dankbarkeit darüber, „dass in Rott etwas los ist.“
