Rosenheimer erlebt wilde Bahnreise
„Endgegner deutsches Schienennetz“: (Zug)Fahrt nach Salzburg wird zum Chaos – und kurios
Die Bahn sorgt weiter für großen Frust: Während der Bauarbeiten auf der Strecke nach Salzburg gab es in den Herbstferien Schienenersatzverkehr – und der lief wohl alles andere als optimal. Ein Rosenheimer berichtet sogar von gefährlichen Situationen. Was er auf seiner wilden Reise erlebte.
Rosenheim – Wirklich fassen kann es Stefan Frankenberger immer noch nicht, was er da am Wochenende nach Allerheiligen erlebt hat. Gemeinsam mit seinem Sohn wollte der gebürtige Rosenheimer mit dem Zug von Rosenheim aus zurück nach Wien fahren, wo er seit 25 Jahren lebt. „Dass das im Moment kompliziert wird, war mir im Vorfeld schon klar“, sagt er am Telefon. Wie sehr, das habe allerdings sogar ihn überrascht.
Schienenersatzverkehr nach Salzburg machte Probleme
Und das, obwohl Frankenberger die Strecke bereits hunderte Male gefahren ist und er sich mit seinem Kunstprojekt „metropa“ mit sämtlichen Zugstrecken Europas beschäftigt hat. Dabei hat er versucht, die Verbindungen über den ganzen Kontinent auf einer Karte, wie man sie zum Beispiel vom U-Bahn-Fahrplan einer Großstadt kennt, darzustellen. Die Fahrt nach Salzburg sei aber auch für ihn ein Sinnbild für „Fahrlässigkeit, Unzuverlässigkeit und Sinnlosigkeit“ gewesen.
Los ging das Problem bereits in Rosenheim. Aufgrund von Bauarbeiten während der Herbstferien war auf der Strecke Rosenheim-Salzburg Schienenersatzverkehr (SEV) angesagt – zwischen Prien am Chiemsee und Freilassing. Um auf Nummer sicher zu gehen, fuhr Frankenberger deshalb mit dem Auto nach Prien. „Das hat mich aber schon gewundert, warum der Bus von dort aus nur nach Freilassing fährt und nicht gleich nach Salzburg“, sagt er. Die Erklärung am Schalter am Priener Bahnof: Die Busse des SEV dürfen nicht über die Grenze fahren.
Daraufhin seien er und sein Sohn in den „Express-SEV-Bus“ über Teisendorf und Traunstein nach Freilassing gestiegen. „Das war jedoch ein Linienbus, wie man ihn aus dem Stadtverkehr kennt“, sagt Frankenberger. Heißt: Viele Stehplätze und im Gegensatz zu einem Reisebus weniger Möglichkeiten, das Gepäck zu verstauen. „Und der Bus war rappelvoll“, betont der Rosenheimer. Trotzdem seien sie auf die Minute genau losgefahren – in Richtung der Autobahn A8.
Mit dem Linienbus über die Autobahn
Dort ging es – mit dem vollbesetzten Linienbus – mit rund 80 bis 100 km/h in Richtung Salzburg. Wirklich verkehrssicher sei das nicht mehr gewesen, sondern eher fahrlässig und gefährlich, sagt Frankenberger. Wie Polizeihauptkommissar Robert Maurer auf OVB-Anfrage mitteilt, darf ein Bus mit stehenden Gästen auf der Autobahn maximal 80 km/h fahren. Erschwerend kam hinzu, dass sich der Busfahrer aus dem Raum Stuttgart „null auskannte“ und ständig auf das Navi schauen musste, erzählt Frankenberger. „Da hätten durchaus gefährliche Sachen passieren können“, ist er sich sicher.
Es ist allerdings nicht unüblich, dass beim Schienenersatzverkehr „notgedrungen immer öfter auf weiter entfernte Busunternehmen und Fahrer zurückgegriffen“ wird, teilt die Pressesprecherin der Bayerischen Regiobahn (BRB) mit. Nur so sei es manchmal überhaupt möglich, einen SEV anbieten zu können. Daran habe auch die Deutsche Bahn ihren Anteil. „Bauarbeiten der DB InfraGO AG werden mit unterschiedlichem Vorlauf angekündigt, leider immer wieder auch kurzfristig, was es schwer macht, den SEV zu planen und vor allem Busse zu bekommen“, sagt die Sprecherin.
Planungen für den SEV beim Bahnunternehmen schwierig
Dennoch sei es immer der Versuch, regionale Unternehmen einzubinden. Und die BRB-Sprecherin versichert: „Wenn wir wissen, dass auch ortsfremde Fahrer eingesetzt werden, unterstützen wir die Busunternehmen zum Beispiel mit Routenkarten und Lageplänen der SEV-Halte.“
Wirklich gebracht hat das nach den Schilderungen von Stefan Frankenberger wohl aber nichts. Denn der Busfahrer sei an der Autobahnausfahrt nach Traunstein einfach vorbeigefahren. Auch an den anderen Ausfahrten wie Teisendorf seien sie nicht abgefahren. Selbst die letzte Möglichkeit vor der Grenze habe der Busfahrer verpasst. Kurz darauf seien sie – entgegen der Auskunft aus Prien – über die Grenze nach Österreich gefahren.
Fahrgäste zeigen Busfahrer den Weg
„Nachdem er bei Salzburg West und am Flughafen immer noch nicht rauswollte, haben wir den Busfahrer darauf hingewiesen, wie wir doch noch nach Freilassing kommen“, erzählt Frankenberger. Über Salzburg Mitte ging es dann über die Landstraße wieder zurück nach Deutschland. Immerhin: „Wir waren noch halbwegs gut in der Zeit für unseren Anschlusszug – trotz Grenzkontrollen und Beinaheunfall nach einer Vollbremsung“, sagt der Rosenheimer.
Angekommen in Freilassing, standen Frankenberger und sein Sohn vor dem nächsten Problem. „Wir sind mit vielen anderen Reisenden am Bahnhof rumgeirrt, weil nichts beschildert war“, kritisiert er. Erst nach einer längeren Suche hätten sie das Gleis zur Weiterfahrt zum Salzburger Bahnhof gefunden. Einige andere Fahrgäste, die nach Traunstein oder Teisendorf wollten, seien aber erstmal in Freilassing gestrandet.
Zugfahren in Deutschland der Endgegner
Für Stefan Frankenberger ist nach diesem Erlebnis klar: „Man muss die Verkehrspolitik radikal umdenken“. Auch die Kommunikation zwischen Deutscher Bahn und BRB müsse besser werden. Schließlich funktioniere das Zugfahren in fast allen Nachbarländern besser als in Deutschland. „Mein Eindruck aus den vielen Reisen der vergangenen Jahre ist, dass das deutsche Schienennetz immer der Endgegner ist.“
