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Gericht von Schuld des Mannes überzeugt

„Bösartige, geplante Attacke“: Lange Haft für Säure-Täter (41) – aber wackelt das Urteil nochmal?

Der Angeklagte im Säure-Prozess von Rosenheim muss für neun Jahre ins Gefängnis.
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Der Angeklagte im Säure-Prozess von Rosenheim muss für neun Jahre ins Gefängnis.

Das Ende des Säure-Angriffs in Rosenheim: Der Mann aus Petting (41), der einen Rosenheimer (32) mit hochgiftiger Säure überschüttet haben soll, muss jahrelang ins Gefängnis – allerdings nicht so lange, wie mancher vermutet hatte. Das ist der Grund und warum das nicht das Ende der Geschichte sein könnte.

Rosenheim – Wirklich viel, was in dem Moment in dem Mann (41) aus Petting in der grauen Kapuzenjacke und dem karierten Hemd vorging, war nicht zu erkennen. Die schnellen, schweren Atemzüge verrieten aber dennoch, dass diese Minuten wohl zu den schwersten in seinem Leben gehören mussten. Mit starrem Blick und geneigtem Kopf hörte der 41-Jährige zu, wie der Richter verkündete, dass er für lange Zeit ins Gefängnis muss – genauer gesagt für neun Jahre wegen versuchten Mordes.

Gericht von Schuld Angeklagten im Säure-Prozess überzeugt

Denn die 5. Strafkammer des Landgericht Traunsteins um den vorsitzenden Richter Volker Ziegler ist überzeugt: Der Pettinger wollte am 13. Mai 2024 einen Rosenheimer (32) töten – mit hochgiftiger Flusssäure. „Es gibt keine andere logische Erklärung, als dass der Angeklagte die Tat begangen hat“, betonte Ziegler. Der Pettinger ist nach Ansicht des Gerichts an jenem Abend mit dem Auto der Mutter oder eines Freundes – seines wollte er wegen der Nachverfolgbarkeit nicht benutzten – nach Rosenheim gefahren, „um seinen Nebenbuhler auszuschalten“.

Der Rosenheimer (32) hatte immer mehr Kontakt zur Ex-Freundin (37) des Mannes. Da der Pettinger die Trennung und Kränkung nicht verkraftete und „die Frau für sich alleine wollte“, klingelte er vermummt an der Wohnungstür und schüttete ihm sofort die hochgefährliche Flusssäure ins Gesicht und über den Körper. Dabei erlitt der 32-Jährige so schwere Verletzungen, unter anderem an den Augen und Füßen, dass er bis heute stark darunter leidet. „Er macht seit der Tat ein Martyrium durch“, beschrieb der Richter die Situation des Opfers.

Keine spontane Tat, sondern geplante Attacke

Um mit diesem Kontakt aufnehmen, hatte sich der 41-Jährige bereits im März 2024 über eine falsche Identität und eine zweite Handynummer dessen Adresse besorgt. Kurz darauf bestellte der Pettinger auch die Flusssäure, die bei ihm gefunden wurde. „Der Angeklagte hat eiskalt und sorgfältig überlegt, wie er vorgeht“, sagte Ziegler. Insbesondere, dass der Mann rund acht Wochen vor der eigentlichen Tat bereits detaillierte Vorbereitungen traf, spreche gegen ihn.

Eine spontane Tat aus einer Gefühlslage heraus sei deswegen auszuschließen. Ziel sei eher gewesen, den Rosenheimer (32) aus dem Weg zu räumen oder so zu verunstalten, dass dieser für „die ehemalige Freundin nicht mehr so attraktiv“ ist. Allerdings habe der 41-Jährige auch bewusst in Kauf genommen, dass der Rosenheimer die Attacke nicht überlebt. Auch wenn Fälle mit Flusssäure „selten und außergewöhnlich“ seien, habe der Angeklagte gewusst, dass die Säure auf der Haut lebensgefährlich sein kann. Spätestens dann, als die Flaschen mit Flusssäure und den eindeutigen Warnhinweisen zur Todesgefahr für längere Zeit in der Firma des Pettingers herumstanden.

Viele Beweise gegen den Angeklagten

Während der Richter jede einzelne, schockierende Kleinigkeit der Tat aufzählte, zeigte der Pettinger keinerlei Regung und schwieg – wie an allen Prozesstagen zuvor auch. „Vermutlich, um nicht das gute Ansehen, das er bei seinen Freunden und Bekannten hat, zu verspielen“, sagte Ziegler. Schließlich war auch an diesem Tag kaum ein Platz im Zuschauerbereich frei, insbesondere aus dem Dorf des Angeklagten kamen viele.

Nach der Verhandlung besprach sich der Angeklagte noch im Gerichtssaal längere Zeit mit seinem Verteidiger Stefan Neudecker.

Den Aussagen der Freunde, dass der Angeklagte ein friedlicher Mensch sei, glaube das Gericht auch, sagte Ziegler. Der Angeklagte sei kein „Rabauke, sondern eher einer, der alles in sich hineinfrisst und dann eine bösartige, geplante Attacke ausführt“. Dazu passe, dass es bei den Beweisen keinerlei Lücken gebe und alle Indizien für den 41-Jährigen als Täter sprechen.

Neun Jahre statt lebenslanger Haft

Damit folgte das Gericht in fast allen Teilen der Ansicht der Staatsanwaltschaft. Allerding gab es in einem Punkt eine Abweichung: Staatsanwalt Wolfgang Fiedler forderte für den 41-Jährigen eine lebenslange Haftstrafe – und damit mindestens 15 Jahre Haft. Schließlich gehe es um versuchten Mord in Heimtücke, da der Rosenheimer am Tatabend völlig ahnungslos überrascht wurde. „Das Ziel war die Tötung und das hat der Angeklagte mit dem Ausschütten der Säure ins Rollen gebracht“, betonte der Staatsanwalt in seinem rund 15-minütigen Plädoyer.

In dem Fall sei jedoch von der Höchststrafe abzusehen, da der Rosenheimer „Gott sei Dank nie in konkreter Lebensgefahr war“, erklärte Volker Ziegler. Auch wenn dieser vermutlich nur überlebt hatte, weil er geistesgegenwärtig sein T-Shirt auszog und sofort unter die Dusche sprang, könne die Strafe dadurch gemildert werden. Ebenfalls spreche für den Angeklagten, dass er sich bisher nichts zu Schulden kommen hat lassen und sich in der Gemeinde viele Jahre ehrenamtlich engagierte. „Das sind Umstände, die ihn von anderen Straftätern unterscheiden“, sagte der Richter.

Revision angekündigt

Ein Freispruch, wie ihn Verteidiger Stefan Neudecker verlangte, sei allerdings ausgeschlossen. „Der Angeklagte muss nun für seine Tat die Konsequenzen tragen“, sagte Richter Ziegler. Der Rechtsanwalt kündigte allerdings – nach einem längeren Gespräch mit dem 41-Jährigen – noch vor dem Gerichtssaal an, in Revision zu gehen und das Urteil überprüfen lassen zu wollen. Der Anwalt des Rosenheimers, Simeon Feuerstein, sprach hingegen von einem „fairen Urteil“.

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