Prozess am Landgericht Traunstein
Abscheuliche Details zur Säure-Attacke: Welche Tortur der Rosenheimer (32) durchmacht – bis heute!
Geschocktes Publikum im Gerichtssaal: Kurz vor Ende des Prozesses um die Säure-Attacke von Rosenheim sagte das 32-jährige Opfer aus. Wie er den grauenhaften Abend erlebte, welche Tortur er bis heute durchmacht und was ihm wohl das Leben rettete.
Rosenheim – Die Augen waren fast die ganze Zeit geschlossen. Wirklich verfolgen konnte der Rosenheimer (32), der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, die Geschehnisse im Landgericht Traunstein nur für kurze Augenblicke. Dann musste er wieder blinzeln, sich Augentropfen hinein tröpfeln und mit einem Taschentuch die Feuchtigkeit wegwischen. „Mit dem rechten Auge sehe ich nur noch Umrisse, mit dem Linken verschwommen“, sagte der 32-Jährige. Seit dem Angriff an seiner Haustür in Norden Rosenheims am 13. Mai 2024 habe sich sein Leben schlagartig verändert.
Rosenheimer (32) schildert den Säure-Angriff
Verantwortlich dafür soll ein Mann (41) aus dem Landkreis Traunstein sein. Er soll an jenem Abend an der Tür des 32-Jährigen geklingelt und ihm plötzlich einen halben Liter der hochgiftigen Flusssäure ins Gesicht und den ganzen Körper geschüttet haben. Aus Eifersucht, weil der Rosenheimer immer häufiger Bergtouren mit der Ex-Freundin des 41-Jährigen unternommen hatte, so zumindest der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die dem Angeklagten versuchten Mord vorwirft.
Ob es tatsächlich der 41-Jährige vor der Tür war, konnte auch der Rosenheimer nicht beantworten. Es sei alles schnell gegangen, der Täter habe eine Sturmhaube und eine schwarze Trainingsjacke angehabt. „Als es geklingelt hat, dachte ich um die Uhrzeit, dass es ein Nachbar oder ein Paketbote ist. Viel gedacht habe ich mir dabei nicht“, sagte er. Wie schwer ihm der Weg vor das Gericht fiel, war ihm anzusehen. Immer wieder musste der Mann im blau-weiß-kartiertem Hemd tief durchatmen, blickte zu Boden oder versank ein wenig in seinem Stuhl.
Ausgezogene Kleidung rettet wohl das Leben
An das, was am Abend des 13. Mai passiert ist, konnte sich der leidenschaftliche Eiskletterer aber noch ganz genau erinnern. „Als ich den vermummten Mann gesehen habe, war mir klar, dass gleich etwas Schlimmes passiert“, erzählte er. Nachdem er die Flüssigkeit auf seinem Körper gespürt hatte, habe er sofort die Tür zugeschlagen und sei ins Bad gelaufen. Dort habe er den Notruf gewählt, sich am Waschbecken das Gesicht ausgewaschen – und sein T-Shirt ausgezogen.
„Das hat ihm vermutlich sein Leben gerettet“, betonte ein Chemiker des bayerischen Landeskriminalamtes. Seine Reaktion, als er das T-Shirt während der Ermittlungen untersuchte: „Da konnte ich erstmal nicht glauben, dass der Mensch das überlebt hat“. Bereits eine handtellergroße Fläche auf der Haut kann dem LKA-Chemiker zufolge zum Tod führen. „Es gibt kaum eine Industriechemikalie, vor der ich als Chemiker mehr Respekt habe, als vor Flusssäure“, sagte er. Genauere Erfahrungen über die Gefährlichkeit der Flusssäure beim Menschen gebe es nicht, berichtete der Experte. Da die wenigsten Opfer die Fälle überlebt hätten.
Viele Behandlungen in Spezial-Kliniken
Entscheidend für das Überleben des 32-Jährigen sei auch gewesen, dass dieser sich sofort nach dem Angriff unter die Dusche stellte, während er auf die Polizei wartete. Schmerzen habe er zu dem Zeitpunkt noch nicht gehabt, gesehen habe er aber bereits nichts mehr. „Als die Polizisten zu mir dann aber gesagt haben, dass sie nicht reinkommen können, weil es so stechend riecht, habe ich richtig Panik bekommen“, sagte der Rosenheimer.
Über das Rosenheimer Krankenhaus sei er noch in der Nacht in eine Spezialklinik nach München gekommen, wo er direkt an den Augen notoperiert wurde. „Danach lag ich da im Bett und habe die ganze Nacht überlegt, wer mir das angetan haben könnte“, sagte der 32-Jährige. Am darauffolgenden Tag sei dann die nächste Tortur losgegangen. Da sich sein Zustand verschlechterte, sei er in eine weitere Spezialklinik verlegt worden.
Auch Hauttransplantationen notwendig
In den folgenden Tagen hätte immer irgendwer an „ihm rumgewurschelt“. „Und ich habe nichts gesehen, hatte Albträume, konnte nicht sprechen und bin bei jedem Geräusch hochgeschreckt“, erzählte er. Während der Schilderungen von seinen Verätzungen an den Augen, der Zunge und an den Füßen ging ein betroffenes Raunen durch den Zuhörerraum. Auch an diesem Prozesstag waren wieder 30 Menschen gekommen – Freunde des Angeklagten, Bekannte aus dem Dorf und Unterstützer des 32-jährigen Rosenheimers.
Blickkontakt gab es zwischen den Männern nicht. Obwohl der 32-Jährige hin und wieder zum Angeklagten schaute, blickte dieser schweigend – wie an den anderen Verhandlungstagen auch – ins Leere oder zu den Richtern. Nach fünf Wochen, einer Hauttransplantation am Fuß und täglichen Behandlungen an Augen sei der Roseneimer schließlich in die Reha gekommen. „Dort konnte ich selbst mit Stützen kaum laufen“, sagte der Geschädigte.
Leben komplett anders als vorher
Inzwischen könne er sich wieder einigermaßen „im Raum zurechtfinden“. Dennoch könne er weder wieder als Holztechniker arbeiten, noch Autofahren. Eine wirkliche Besserung sei derzeit nicht in Sicht. Wie der behandelnde Arzt aussagte, könne man den momentanen Gesundheitszustand gerade nur erhalten. Alle andere Maßnahmen wie Sehhilfen oder Hornhauttransplantationen seien noch zu risikoreich.
Auch das Ehrenamt beim Alpenverein habe der Rosenheimer aufgeben müssen. „In die Berge kann ich nur mit Begleitung und bei bester Sicht“, sagte er. Die Zeitung oder am Handy könne er nur mit der Lupe lesen. Auch groß unter die Leute wolle er nicht mehr gehen. Meist sei er nur mit seinem Hund unterwegs. Zudem wohne der 32-Jährige wieder bei seinen Eltern und nicht mehr in der Wohnung in der Pernauerstraße. „In Rosenheim kann ich nicht mehr schlafen, da komme ich nicht zur Ruhe“, schilderte er seine Situation. Während er sprach, herrschte eine betroffene Stille im Saal.
Keine anderen Täter vorstellbar
Dass jemand anders als der 41-Jährige als Täter infrage kommt, könne er sich nicht vorstellen. Schließlich habe er schon den Eindruck gehabt, als wolle dieser die 37-Jährige zurückgewinnen. „Die Trennung wollte er wohl nicht so wahrhaben“, vermutete der Rosenheimer. Feinde oder andere eifersüchtige Ex-Freunde gebe es nicht.
Ob das Gericht das genauso sieht, entscheidet sich am Dienstag (25. Februar). Dann fällt das Urteil im Säure-Prozess.
