Emotionale Aussagen am Landgericht Traunstein
Neue Indizien im Säure-Prozess: Was den Angeklagten (41) schwer belastet – So wurde er geschnappt
Die Indizien verdichten sich: Auch am zweiten Prozesstag um den schrecklichen Säure-Angriff in Rosenheim im Mai 2024 wurden weitere Einzelheiten zur Tat bekannt. Dabei geht es vor allem um einen „Trick“ mit einem Handy. Was den Angeklagten nun stark belastet und wie er geschnappt wurde.
Rosenheim/Traunstein – Regungslos hörte der Mann aus dem Landkreis Traunstein (41) den Aussagen zu, die über sein weiteres Leben entscheiden könnten. Vielmehr starrte er fast schon anteilnahmslos auf den Boden oder in Richtung der Richter. Er blickte nicht mal dann auf, als die große Flügeltür des Sitzungssaals des Landgerichts Traunstein aufging, weitere Zeugen hereinkamen und sich zu den schweren Vorwürfen äußerten, die ihm gemacht werden.
Angeklagter im Säure-Prozess zog sich zurück
Im Mai 2024 soll der 41-Jährige an der Wohnungstür eines Rosenheimers (31) geklingelt und ihm hochgiftige Flusssäure über den Oberkörper geschüttet haben – aus Eifersucht, weil der Mann etwas mit seiner Ex-Freundin (37) aus Rosenheim unternahm. Weil der 31-Jährige schwere und bleibende Verletzungen erlitt, wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten unter anderem versuchten Mord vor.
Auch am zweiten Prozesstag wollte der 41-Jährige dazu aber nichts sagen. Er schwieg. Genauso wie seine Mutter, die als Zeugin aussagen sollte. Unterstützung bekam der Angeklagte dennoch. Sowohl von einigen Bekannten und Arbeitskollegen, die sich im gut gefüllten Zuhörerbereich versammelten, als auch von einer engen Freundin (36). „Er kann keiner Fliege etwas zuleide tun, er ist ein ganz lieber Mensch“, sagte sie aus. Sie sagte aber auch: Im März 2024 habe sich der Angeklagte aus dem Freundeskreis immer weiter zurückgezogen. Zu dem Zeitpunkt soll die Beziehung des Angeklagten mit der 37-Jährigen endgültig in die Brüche gegangen sein.
Polizei entdeckt Flusssäure im Firmengebäude
Dennoch passe so eine „Funkstille“ überhaupt nicht zum Angeklagten, betonte die Frau. Angefasst und mit Tränen in den Augen berichtete sie weiter von einem handgeschriebenen Brief, den ihr der 41-Jährige ein paar Wochen nach dem Kontaktabbruch zusammen mit einem Blumenstrauß vorbeibrachte. Darin schrieb er, dass er in letzter Zeit „durch die Hölle gegangen ist und in einer tiefen Krise steckt“. Sogar von einem „schwarzen Loch und absoluten Leere“ sei die Rede gewesen. Die Reaktion des Angeklagten auf die emotionalen Worte: Nichts. Der 41-Jährige blieb ohne die kleinste Regung und mit eiserner Miene auf seinem Stuhl sitzen und tauschte sich flüsternd mit seinem Verteidiger aus.
Daran änderte sich auch nichts, als der leitende Ermittler der Rosenheimer Polizei schilderte, wie man ihm auf die Spur kam. Noch in der Tatnacht habe das Opfer einen ersten Verdacht geäußert, wer hinter dem Angriff stecken könnte, sagte der Polizist. Über die gemeinsame Freundin der Männer – die 37-jährige Rosenheimerin – seien die Beamten das erste Mal auf den Namen des Angeklagten gestoßen. Daraufhin habe die Polizei den Mann aus dem Landkreis Traunstein vernommen, seine Wohnung und dessen Firmengebäude durchsucht – und dort Behälter mit Flusssäure mit der DNA des Angeklagten entdeckt.
Angeklagter gab sich wohl als Frau aus
Noch mehr habe sich die Schlinge zugezogen, als die Ermittler das Handy des Tatopfers ausgewertet hatten. „Dort tauchten Chats mit einer ‚Sylvia‘ auf“, sagte der Polizist. Sie habe sich als Freundin einer guten Bekannten des 31-Jährigen ausgegeben und sich für eine Bergtour mit ihm interessiert. Auch über ihren geplanten Umzug nach Rosenheim habe man sich ausgetauscht. In diesem Zusammenhang habe das Opfer auch seine Adresse preisgegeben.
Kurz danach sei der Kontakt abgerissen. „Es hieß noch, dass ihre Pläne im Sand verlaufen sind, dann gab es keine Nachrichten mehr“, sagte der Ermittler. Da niemand in dem Bekanntenkreis des Opfers je von einer „Sylvia“ gehört hatte, habe sich die Polizei das näher angeschaut. Das Ergebnis: Die unbekannte Handynummer konnte die Polizei dem Angeklagten zuordnen.
Handynummer belastet mutmaßlichen Täter schwer
Im März 2024 – rund zwei Monate vor der Tat – habe er sich in einem Elektromarkt die Sim-Karte für die zusätzliche Handynummer besorgt. Dafür gebe es Beweise, betonte der Kriminalpolizist. Über die Nummer habe sich der 41-Jährige dann vermutlich als „Sylvia“ ausgeben. Das habe das „Problem“ bei den Ermittlungen gelöst, woher der Angeklagte gewusst haben könnte, wo sein Opfer in Rosenheim wohnt, erklärte der Ermittler. Denn bis auf die Tatsache, dass es den anderen gibt, wussten die beiden Männer wohl nicht viel übereinander. Die Handynummer des Rosenheimers sei zu dem Zeitpunkt im Internet zu finden gewesen.
Eine Handynummer sei es dann auch gewesen, die endgültig zur Verhaftung des 41-Jährigen geführt habe. Denn die „Nummer von Sylvia“ tauchte noch an einer anderen Stelle auf. „Bei der Bestellung der Flusssäure im Internet Ende April gab der Angeklagte ebenfalls diese Nummer an“, sagte der Kriminalbeamte. Er betonte auch, dass die Polizei keine Hinweise auf mögliche andere Täter gefunden habe. „Das Opfer hatte weder Feinde noch mit jemanden Streit“, sagte der Kripo-Beamte.
Noch kein Urteil in Sicht
Der Prozess wird am Mittwoch (12. Februar) fortgesetzt. Ein Urteil könnte Ende Februar fallen.
