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Stimmen aus der Region Rosenheim

Grüne Woche als Kampf-Bühne: Wie die Protest-Bauern den Druck erhöhen wollen

Die Bayernhalle war 2023 bei der Grünen Woche in Berlin gleichermaßen Festzelt wie Messehalle. Morgen, Freitag, 19. Januar, beginnt die größte Agrarmesse der Welt in der Bundeshauptstadt. Festzeltstimmung? Vermutlich Fehlanzeige.
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Die Bayernhalle war 2023 bei der Grünen Woche in Berlin gleichermaßen Festzelt wie Messehalle. Am Freitag (19. Januar) beginnt die größte Agrarmesse der Welt. Festzeltstimmung? Diesmal eher Fehlanzeige.

Die „Grüne Woche“, die größte Agrarmesse der Welt, startet am Freitag (19. Januar) in Berlin. Das Schaulaufen der Politiker könnte zum Spießrutenlauf werden: Denn Landwirte, Gastronomen, Metzger und Co. wollen den Druck erhöhen. Stimmen dazu aus Rosenheim.

Von Kathrin Gerlach und Sylvia Hampel

Rosenheim Dem Rosenheimer Landwirt Sepp Bichler ist es nach der Großdemo am 15. Januar in Berlin zu ruhig um die Proteste der Landwirte, der Spediteure, Handwerker und anderer geworden. Erneute Aufmerksamkeit erhofft er sich von einem Boykott der Grünen Woche in Berlin. „Das wäre ein Zeichen nach außen für ganz Europa und die ganze Welt“, so der 59-jährige. In den Gruppen, in denen der Fürstätter Bauer seinen Boykott-Vorschlag unterbreitet hat, gab es dafür viel Zustimmung. Aber angesichts der langwierigen und teuren Vorbereitungen auch einige nachdenkliche Stimmen.

Ganz anders als Bichler sieht Josef Steingraber, der Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), die Grüne Woche als Geschenk. Es gehe schon lange nicht mehr um die Agrardieselsubvention. Die habe aber Symbolcharakter, so Steingraber in einer Pressemitteilung. Sie beizubehalten sei ein „Zeichen der Einsicht, letzte Möglichkeit, wieder etwas Vertrauen zu schaffen.“ Diese Einsicht fehle trotz der „wahnsinnig tollen, kreativen, emotionalen und vor allem friedlichen Demonstrationen“ bei den Ampelverantwortlichen.


„Aber was kommt jetzt? Warum hat die Regierung nicht eingelenkt?“, fragt Steingraber. Man könne jetzt spekulieren, dass die Regierung ihr Gesicht nicht verlieren möchte. Vielleicht damit rechne, dass die Demonstrationen nun schärfer werden und damit die Legitimation verlieren. Vielleicht rechneten die Politiker damit, dass sich der Zusammenhalt verliere, dass man wieder untereinander streitet und sich gegenseitig Schuldvorwürfe macht. „Das alles sind Mutmaßungen“, räumt Steingraber ein, aber aus der Luft gegriffen seien sie nicht.

Blasmusik und Volkstanz sind dieses Jahr Stimmungsmacher und zugleich Kulisse für Gespräche zwischen Bauernverbänden und Politik.

Fakt sei, dass der Vorschlag, die Agrardieselsubvention zu streichen, unverändert in die parlamentarische Beratung im Bundestag gehe. Fakt sei aber auch, dass der Bauernverband Chancen sehe, in dieser Beratung im Bundestag doch noch seine Forderungen zu erreichen. Denn auch im Bundestag sind die Demonstrationen Thema. „Wie bei uns zu Hause, wird dort auch an jeder Ecke darüber gesprochen, was die Bauern, die Handwerker und die Bevölkerung beschäftigt. Mit verwunderten Gesten und teils Ratlosigkeit, genauso wie bei uns am Küchentisch, wird auch dort diskutiert.“

„Jetzt ist die Zeit der Gespräche. Da kommt es uns wie ein Geschenk zugute, dass fast gleichzeitig mit den Beratungen im Bundestag die Grüne Woche stattfindet. Hier wird alles da sein, was Rang und Namen hat und hier können und werden wir und insbesondere unsere Vertreter weiter daran arbeiten, unsere Ziele zu erreichen und künftig eine bessere Politik für den ganzen Mittelstand zu bekommen“, erklärt Steingraber.

Joachim Rukwied macht gerne Werbung für die Landwirtschaft. In diesem Jahr wird sich der Präsident des Deutschen Bauernverbandes bei der Grünen Woche in Berlin vermutlich in Gesprächen mit Vertretern aller Partien den Mund fusselig reden.

Die Gespräche bei der Grünen Woche sieht auch Theresa Albrecht, die Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, als Chance. „Wir müssen mit den Politikern sprechen, dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken“, sagt sie. Im Gegenteil: „Wir müssen den Druck steigern, müssen den Politikern klar machen, dass es so nicht weitergeht.“ Frust und Existenzangst seien im Kollegenkreis groß. Die Wiedereinführung der 19 Prozent Mehrwertsteuer in der Gastronomie hat Spuren hinterlassen. Vor allem in der Kritik: Die Ungleichbehandlung. Denn Essen auf‘d Hand wird nur mit sieben Prozent besteuert. Unfair, meinen die Wirte. „Die Steuern auf Lebensmittel müssten überall gleich sein – egal, wo und wie sie verkauft werden“, findet Theresa Albrecht. Die Grüne Woche wäre gerade in der jetzigen angespannten Situation eine gute Gelegenheit, dieser Forderung im Gespräch mit Politikern Nachdruck zu verleihen.

„Es ist immer sinnvoll, im Austausch zu bleiben, um gemeinsam nach konstruktiven Lösungen zu suchen“, sagt Peter Prinz von Lobkowicz, Geschäftsführer der Schlossbrauerei Maxlrain. Er sieht in der Grünen Woche eine einmalige Chance, dass Politiker, Hersteller und Verbraucher ins Gespräch kommen. Wenn am Freitag (19. Januar) im Biergarten der Bayernhalle „o‘zapft“ wird, fließt mit dem Maxlrainer ein Bier in die Maßkrüge, das 16 Mal in Folge mit dem Bundesehrenpreis für Bier ausgezeichnet wurde. Doch die Maxlrainer sind nicht nur als Botschafter höchster bayerischer Brauqualität in Berlin. Sie haben auch ein klares Signal im Gepäck: „Mehr Vertrauen in die Bürger“, betont Lobkowicz. „Mehr Eigenverantwortung und mehr Unternehmertum. Ständige, unvermittelte und überzogene Verordnungen und Regeln erdrücken unsere soziale Marktwirtschaft.“ Weniger und dafür gezieltere Bürokratie sorge nicht nur dafür, dass sich Unternehmen wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren könnten, sondern ziehe auch einen geringeren Verwaltungsaufwand und damit letztlich sinkende Steuerausgaben nach sich. 

Boykott oder Teilnahme? Darüber diskutieren auch die Trachtler des Trachtenvereins „Almarausch“ Ostermünchen. Reise und Hotels für etwa 40 Leute sind schon gebucht. Die Vorfreude auf die Auftritte in der Bayernhalle und die gemeinsame Zeit in Berlin ist groß. Und doch schwingen auch Zweifel mit, ob die Botschaft der Protestkundgebungen und Mahnfeuer nicht noch stärker nach Berlin getragen werden sollte – etwa mit einem Boykott der Grünen Woche. „Damit würden wir aber vor allem dem Mittelstand und den Ehrenamtlern schaden, also den Menschen, die über Wochen alles vorbereitet und viel Geld ausgegeben haben, um unsere Kultur und die Leistung der Menschen in unserer Region zu präsentieren“, sagt Vereinsvorstand Andreas Neichl.

Ehrenamtliche Werbung für die Region

Ein Boykott der Grünen Woche wäre für Walter Weinzierl der falsche Weg. Der Ehrenvorsitzende des Trachtenvereins „d‘Mangfalltaler“ Kolbermoor ist schon in Berlin. „Ich finde es viel wichtiger, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.“ Walter und Annelies Weinzierl bringen ab Montag Berliner Schülern einen bayerischen Volkstanz bei, werben ehrenamtlich für bayerische Tradition und Lebensfreude sowie Urlaub in der Region.

In den Startlöchern für künftige Aktionen

Der Bauernverband will zwar die Chance ergreifen und mit den Politikern aller Parteien reden, wappnet sich aber schon für den Fall des Scheiterns. Die Grüne Woche werde auch zur Zerreißprobe, befürchtet Steingraber. „Ich kann jetzt schon sagen, dass es zahlreiche Fotos geben wird von Vertretern unserer bäuerlichen Verbände zusammen mit Politikern. Fotos, die zeigen, dass Gespräche stattfinden. Aber auch Fotos, die bewusst benützt werden, um uns zu spalten. Steht diesem entschlossen und geschlossen entgegen“, fordert er seine Berufskollegen auf. Er habe in seiner Arbeit mit Vertretern der Politik gelernt, so Steingraber, dass Ergebnisse Zeit brauchen. „Diese Zeit geben wir ihnen jetzt, aber dann kommen wir wieder – mit unübersehbaren Aktionen!“

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