„Judenhass ist wieder auf unseren Straßen“
Erste Kundgebung für Israel in Rosenheim: Wie Bürger und Politiker Solidarität zeigten
Am 19. November fand in Rosenheim erstmals eine Kundgebung für Israel statt. Bei der von der Baptistengemeinde und der Brothaus-Kirche organisierten Veranstaltung zeigten sich die Rosenheimer solidarisch mit Israel. Warum der Antisemitismus nie verschwunden ist und wir darüber reden sollten.
Rosenheim. Zu Beginn der Israel-Kundgebung am Sonntag (19. November) waren Teilnehmer, Gäste und Redner am Salzstadel in Schweigen gehüllt. Leo Hornedo, einer der Organisatoren, bat um eine Schweigeminute, um den Opfern zu gedenken, die durch die Attacken der Hamas ums Leben gekommen waren. Spürbar betroffen schwiegen die Teilnehmer, unter ihnen viele ältere Menschen aber auch Familien mit Kindern.
Mit „Schalom“ begrüßte kurz darauf Ludwig Spaenle die knapp 150 Besucher, die sich am Salzstadel versammelt hatten. „Judenhass ist wieder auf unseren Straßen”, sagte der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, der an diesem Tag nach Rosenheim gekommen war, um an der „Kundgebung für Israel gegen Antisemitismus” teilzunehmen.
„Das ist eine Kundgebung für Israel, für das ganze Leid, das dort passiert ist”, erklärte Gaby Hornedo, die zusammen mit ihrem Mann Leo die Veranstaltung organisiert hatte. Das Paar habe Freunde in Israel und so den Schmerz hautnah miterlebt, wie sie erzählte. Nachdem sie und ihr Mann von einer Kundgebung am Münchner Odeonsplatz gehört hatten, seien sie sofort der Meinung gewesen, dass es sowas auch in Rosenheim geben müsse. „Das muss überall stattfinden und gehört werden”, so Hornedo.
Gerade Rosenheim habe eine massive NS-Vergangenheit, betonte eine Teilnehmerin. Hergard Hänel besuchte die Kundgebung, um Solidarität mit Israel zu bezeugen. „Gerade wir in Rosenheim haben es erst recht nötig, die Wahrheit deutlich auszusprechen und dafür gerade zu stehen”, sagte sie. Für Israel wünsche sie sich vor allem Gottes Segen und nur das Allerbeste für das Land.
„Ungezügelter Antisemitismus bricht sich Bahn“
Dass aktuell Judenhass und Antisemitismus in Deutschland wieder sehr präsent seien, betonten fast alle Redner, die sich bei schönem aber windigem Wetter am Salzstadel solidarisch äußerten. Die Reden wurden immer wieder durch Applaus unterbrochen und sorgten für breite Zustimmung im Publikum.
Unter den Gästen waren auch bekannte Gesichter aus der Politik. So zeigte sich unter anderem Daniel Artmann, zweiter Bürgermeister der Stadt Rosenheim, bestürzt über Bilder aus deutschen Städten, in denen die Taten der Hamas gefeiert würden. „Ungezügelter Antisemitismus bricht sich Bahn”, meinte er und betonte, dass sich dieser nicht nur auf das rechte politische Milieu beschränke. Sein persönlicher Platz sei an der Seite des Staates Israels und an der Seite aller Juden, bekräftigte Artmann.
Auch Landrat Otto Lederer hob hervor: „Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz.” Er erzählte von der langjährigen Freundschaft, die zwischen der israelischen Stadt Beer Sheva und dem Landkreis Rosenheim bestehe. „Wir haben nicht den Glauben daran verloren, dass wir eines friedlichen Tages unseren gemeinsamen Schüleraustausch fortsetzen”, so Lederer.
Man wisse natürlich auch um die Opfer in der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und die fatale humanitäre Situation der Menschen dort. Trotzdem sei der Angriff der Hamas nicht zu rechtfertigen. „Wir stehen fest zum jüdischen Leben in Israel, aber auch in Deutschland, in Bayern und bei uns in Stadt und Landkreis Rosenheim”, so Lederer.
Ursprung des Christentums liegt im Judentum
Der Pfarrer der Christkönig-Kirche in Rosenheim, Sebastian Heindl, wies in seiner Rede darauf hin, dass Jesus auch Jude gewesen sei. „Das dürfen wir nicht vergessen”, so Heindl. Er sei stolz darauf, in einem Land leben zu können, in dem Menschen mit unterschiedlichen Glaubensvorstellungen in Freiheit und Würde leben. „Das heißt aber auch, dass wir als Christen jeden Menschen und jedes System, das das bedroht, verurteilen.”
Dass Jesus Jude gewesen sei, ist auch Dieter Klee wichtig. Er kam extra aus Wasserburg nach Rosenheim und betonte: „Das Christentum hat seine Wurzel im Judentum”. An der Kundgebung teilzunehmen sei ihm ein Herzensanliegen gewesen. „Wir müssen als Christen aufstehen und in diesem Staat Flagge zeigen”, sagte Klee und hob die israelische Fahne, die er wie viele andere Teilnehmer an diesem Tag mitgebracht hatte. Auch deshalb sei er froh, dass mehrere Politiker in Rosenheim gesprochen haben. „Wir sollten in allen gesellschaftlichen Schichten darüber reden”, meinte er.
„Nie wieder ist jetzt“
„Die Sicherheit und Existenz Israels ist Staatsräson Deutschlands”, bestätigte Daniela Ludwig, Bundestagsabgeordnete der CSU. Sie habe selbst mit Betroffenen und Angehörigen gesprochen und so plötzlich hautnah gespürt, was es heißt, als Volk Israels täglich bedroht zu sein. „Es ist unsere verdammte Pflicht, dagegen anzugehen”, sagte sie zum Antisemitismus, der sich in Deutschland aktuell vermehrt zeige. „Wir haben gedacht, nie wieder ist nie wieder, aber nie wieder ist jetzt”, so Ludwig.
Zum Credo „nie wieder”, äußerte sich auch Abuzar Erdogan, Rosenheimer SPD-Stadtrat. So habe die Mahnung seiner Meinung nach nicht wirklich Früchte getragen. Der Antisemitismus sei nie wirklich in Gänze ausgelöscht worden, sondern in der Mitte der Gesellschaft immer noch vorhanden. „Deshalb müssen wir uns noch viel verstärkter diesem Thema widmen”, so Erdogan, denn in Deutschland dürfe es nie wieder Anzeichen für Antisemitismus und Judenhass geben.
Routine des Gedenkens genügt nicht mehr
„Wir sind in eine Routine des Gedenkens gekommen”, sagte Harald Eckert. Er ist Mitglied des Arbeitskreises „Israel, Juden, Nahost” der Evangelischen Allianz Deutschland und betonte, dass diese Routine aufrichtig sei, aber nicht mehr genüge. „Vor allen Dingen in der Beziehung zu den jüdischen Mitmenschen in unserer Region möge sich etwas verändern”, forderte Eckert. Sein großer Wunsch sei es, dass regional und national ein festerer Stand eingenommen werde, als es bisher der Fall gewesen sei.
Kurz vor Schluss tönte dann die israelische Nationalhymne durch die Rosenheimer Innenstadt, die live mit Gitarre und Gesang gespielt wurde und bei der viele Teilnehmer mitsingen oder mitsummen konnten. Nach einem gemeinsamen Gebet bedankten sich die Organisatoren für das zahlreiche Erscheinen der Bürger aus Rosenheim und Region. Die Polizei zog nach der Veranstaltung eine positive Bilanz: Es habe keine Zwischenfälle gegeben, auch Gegendemonstrationen seien an diesem Sonntag ausgeblieben.
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