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Experten äußern sich

„Allianz des Misstrauens“: Was es mit der Rosenheimer Friedensinitiative wirklich auf sich hat

Ähnlich wie in vielen anderen Städten hat sich auch in Rosenheim eine Friedensinitiative gegründet (Symbolbild).
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Ähnlich wie in vielen anderen Städten hat sich auch in Rosenheim eine Friedensinitiative gegründet (Symbolbild).

Hunderte Menschen haben vor einigen Tagen an einem Friedensmarsch durch Rosenheim teilgenommen. Organisiert wurde die Veranstaltung von der neu gegründeten Friedensinitiative. Doch wer steckt dahinter? Und welche Ziele verfolgt die Initiative? Eine Spurensuche.

Rosenheim – Peggy Galic (49) trägt eine gelbe Warnweste. Ihr Rednerpult ist schräg gegenüber des Mittertors aufgebaut. Sie blickt kurz in die Menge, schaut auf die zahlreichen Plakate und Schilder. „Frieden schaffen, statt Waffen“ steht da, oder „US-Raketen in Deutschland? Nein Danke!“.

Alle Mitglied in „DieBasis“

Galic ist in Rosenheim keine Unbekannte. Sie ist Mitglied der Partei „Die Basis“, hat heuer für den Bundestag kandidiert und arbeitet im Gesundheitswesen. Jetzt hat sie – gemeinsam mit Vroni Herwegh (51) und Florian D. Pfaff, einem ehemaligen Major der Bundeswehr – die Rosenheimer Friedensinitiative gegründet. Alle drei sind Mitglied in der Partei „DieBasis“.

Das erste Treffen der Initiative fand am Samstag, 22. März, in Rosenheim statt. Eingeladen wurde zu einer Kundgebung samt Friedensmarsch. Galic wird später von nahezu 1.000 Teilnehmern sprechen, die mit „Trommelwirbel und Transparenten für Frieden und Diplomatie eintraten“.

Kundgebung wurde gefilmt

Ein Großteil der Kundgebung wurde gefilmt. Auch die einzelnen Redebeiträge sind mit wenigen Klicks im Internet zu finden. Aufgezeichnet sind dort unter anderem die Reden von Peggy Galic und Vroni Herwegh. Die hat sich auch Dr. Matthias Pöhlmann angeschaut. Er ist Theologe und Sektenbeauftragter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB).

„Der Inhalt der Reden ist komplett verräterisch. Es kommt zu einer radikalen Umdeutung und Verschiebung der historischen Realität. Das führt meines Erachtens zu einer Verharmlosung der Nazi-Verbrechen und einem radikalen Angriff auf unsere Demokratie“, sagt Pöhlmann am Telefon. Er liefert auch gleich einige Beispiele.

Grundgesetz außer Kraft gesetzt?

Da wäre beispielsweise die Rede von Peggy Galic, die in Minute 10:29 behauptet, dass in Artikel 143 des Grundgesetzes stehe, dass das Grundgesetz außer Kraft gesetzt sei. In Wirklichkeit dreht sich Artikel 143 um das Thema Sondervermögen. „Das ist ungeheuerlich“, sagt Pöhlmann. Auch in der Rede von Vroni Herwegh habe es einige bedenkliche Aussagen gegeben. So vergleicht sie in Minute 5:38 die aktuellen Diskussionen mit der NS-Propaganda anlässlich des Überfalls auf die Sowjetunion 1941. „Unerträglich. Und das Publikum merkt es nicht oder will es nicht merken“, sagt Pöhlmann.

Das unterstreicht auch Florian Rieder. Er arbeitet bei der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern. „Die frisch gegründete Friedensinitiative Rosenheim ist der rechts offenen verschwörungsideologischen Szene zuzuordnen“, zeigt sich der Experte überzeugt. Während sich in den vergangenen Jahren noch fast alles um die Corona-Pandemie drehte, beschäftige sich die Szene nun mit anderen Themen. Unter anderem eben mit Krieg und Frieden, wie es in Rosenheim der Fall ist.

Unübersichtliche Szene

„Die Szene zerfasert zunehmend, wird unübersichtlich und versucht über eine immense Zahl an Veranstaltungen, Gruppennamen und Labels eine gewisse Größe und Breite zu simulieren“, sagt Rieder. Auch er habe sich die Videos genau angeschaut – und unter anderem auf die Teilnehmer geachtet. Unter ihnen befanden sich beispielsweise der mehrfach verurteilte Neonazi Peter M., aber auch Vertreter der AfD und der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo).

Und auch sonst hätten einige Teilnehmer keinen Hehl aus ihrer „Nähe zu extremen Rechten“ gemacht. Rieder erzählt am Telefon von T-Shirts mit dem Aufdruck „Ich bin ein mir Reichts-Bürger“, Schilder, auf denen die Worte „Brandmauer = Betrug am Wähler“ stehen oder der Tatsache, dass die Zeitung „Klartext“ verteilt wurde, die Rieder zufolge extrem rechte Narrative verbreitet.

Es handelt sich um eine Allianz des Misstrauens

Matthias Pöhlmann

„Es handelt sich um eine Allianz des Misstrauens“, sagt Matthias Pöhlmann. Dieses Misstrauen schweiße zusammen und bringe Menschen aus ganz unterschiedlichen Kontexten zusammen, die „vielleicht schon eine Affinität zu verschwörungsideologischem Denken haben“. Der Theologe stört sich vor allem daran, dass all das unter dem „Deckmantel des Friedens“ passiert. „Ich habe den Eindruck, dass Querdenker, Verschwörungsideologen und auch antidemokratische Kräfte versuchen, die Friedenssehnsucht von Menschen zu instrumentalisieren und in eine sehr problematische Richtung zu lenken“, sagt er.

Denken in Schwarz-Weiß-Kategorien

Pöhlmann spricht von einer Täter-Opfer-Umkehr, von einem Denken in Schwarz-Weiß-Kategorien. „Wenn man solche Initiativen kritisiert, heißt es immer sofort, dass man gegen den Frieden ist“, weiß Pöhlmann. Das unterstreicht auch Florian Rieder. „Nicht jede Friedensbewegung ist rechts abgedriftet“, sagt er. Aber er macht auch deutlich: „Das, was in Rosenheim am Samstag auf die Straße gegangen ist, gehört zum verschwörungsideologischen Milieu.“

Es sind Bezeichnungen, mit denen zumindest Peggy Galic nichts zu tun haben möchte. „Wir sind weder für rechte noch für linke Thesen zu haben. Wir sehen uns selbst politisch bewusst als die Mitte“, sagt sie auf OVB-Anfrage. Die Ankündigung der Versammlung habe sie über verschiedene Kanäle verteilt, einzelne Personen und Gruppierungen wurden nicht persönlich eingeladen. „Die Menschen gehen aus unserer Erkenntnis nicht als Parteimitglieder zu einer solchen Versammlung, sondern als Privatpersonen“, unterstreicht Galic.

Ablehnung einer Verantwortungstragenden Demokratie

Was einen Großteil dieser Menschen vereint, weiß Florian Wenzel, Demokratieexperte aus Halfing: „Wie bei Corona gibt es keinerlei Bewusstsein für die Tatsache, dass Demokratie immer bedeutet, Entscheidungen zu treffen, die zwischen unterschiedlichen Werten abwägen müssen“, sagt er. Die Friedensinitiative lehnt in seinen Augen die „verantwortungstragende Demokratie“ insgesamt ab und wählt vermeintlich freundliche Worte wie „Zusammenhalt und Miteinander“, ohne zu erläutern, wie das konkret aussehen soll.

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