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Schneiderfahrten, Aufklärungsbedarf, Mehraufwand

Kinderkrankheiten und viele Falsch-Infos beim E-Rezept: So sind die Erfahrungen in der Region

E-Rezept kann jeder, auch der Bundesgesundheitsminister: Dr. Karl Lauterbach lässt sich im Herbst 2023 vom 86-jährigen Peter Jordan zeigen, wie‘s geht.
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E-Rezept kann jeder, auch der Bundesgesundheitsminister: Dr. Karl Lauterbach lässt sich im Herbst 2023 vom 86-jährigen Peter Jordan zeigen, wie’s geht.

„Seit dem 1. Januar gibt es nur noch das E-Rezept“. Stimmt nicht. „Wir dürfen nicht mehr ausdrucken“. Stimmt nicht. „Sie brauchen eine E-Gesundheitskarte“. Stimmt nicht. „Sie brauchen ein Smartphone“. Stimmt auch nicht. Was stimmt denn nun?

Söchtenau – Claus Heissler wohnt in Söchtenau. Da ist die Zahl der Ärzte überschaubar, eine Apotheke gibt es nicht. Seine Hausärztin hatte Urlaub, die Vertretung war in Sachen E-Rezept schon auf dem neuesten Stand, lud Heissler das Rezept auf dessen Gesundheitskarte. Ein Smartphone hat Claus Heissler nicht, das Rezept lesen und vorher in der Apotheke anrufen war folglich nicht möglich. In der Apotheke in Bad Endorf angekommen, hatte Heissler Glück. Das Medikament war vorrätig. „Sonst wäre ich umsonst gefahren, hätte die 17 Kilometer hin und zurück nochmal machen müssen. Oder mir das Medikament bringen lassen. Und ich wäre sicher kein Einzelfall.“ Damit hat er recht, bestätigt Thomas Riedrich. In seinen Apotheken hätten die Botenfahrten spürbar zugenommen.

Schneller, leichter, einfacher, viel praktischer als vorher, sei es, das E-Rezept. Hieß es. Wird es vielleicht auch. Ist es aber noch nicht für alle. Schneiderfahrten, Fehlinformationen und Unsicherheit sorgen für Verdruss und Mehraufwand. „Bei uns stehen immer wieder Kunden in der Apotheke und halten uns mit großen fragenden Augen ihre Karte hin“, sagt Thomas Riedrich. Ja, da sei noch Aufklärungsarbeit fällig.

Karte ins Lesegerät, beim Arzt und in der Apotheke, und schon gibt es das gewünschte Medikament ohne Papierkram.

Die gute Nachricht für alle, die sich mit technischen Neuerungen ein wenig schwer tun: Es gibt eine Übergangsfrist. Noch können und dürfen Ärzte Papierrezepte ausstellen. Sie müssen aber seit Jahreswechsel technisch in der Lage sein, auch E-Rezepte auszustellen. Und das auch für Patienten, die weder ein Smartphone noch eine elektronische Gesundheitskarte haben. Es muss nur einmal im Quartal die ganz normale Karte der Krankenversicherung in der Praxis eingelesen werden.

Folgerezepte kommen auf Anruf

Dann reicht künftig ein Anruf beim Arzt, der lädt das Rezept auf eine Speicherplattform und von der kann es die Apotheke wieder herunterladen. „Wir Apotheker stehen schon seit über einem Jahr in den Startlöchern, warten, dass es losgeht“, sagt Riedrich, Teil einer Apotheker-Dynastie. Derzeit hänge es noch sehr stark vom Standort ab, ob in der Apotheke mehr E-Rezepte eingelöst werden oder eher die Papiervariante vorgelegt wird. Zu den Riederich‘schen Apotheken gehört auch die im Kaufland. Da ist der Anteil der Papierrezepte noch sehr hoch. An anderen Standorten, wo die Ärzte in der Nachbarschaft schon sehr auf das E-Rezept setzen, beträgt dessen Anteil laut Thomas Riedrich bis zu 90 Prozent.

Dr. Fritz Ihler, Chef des Ärztlichen Kreisverbandes und selber Hausarzt, hat in seiner Praxis nur noch Einzelfälle, die auf Papierrezepten bestehen. „Es läuft ganz gut mit dem E-Rezept“, berichtet er. Allerdings solle man schon darauf schauen, was besser zum Patienten und seiner Situation passt. „Wenn jemand relativ spät in der Praxis steht, brauche ich dem kein E-Rezept auszustellen. Das kann in der Apotheke womöglich nicht gleich ausgelesen werden. Da fülle ich besser ein Papierrezept aus“, erklärt Ihler.

Erleichterung für Dauerpatienten

Generell findet Ihler das E-Rezept sinnvoll, gerade auch für Dauerpatienten, die seit Jahren das gleiche Medikament nehmen. „Die sparen sich beim zweiten oder dritten Rezept den Weg in die Praxis, weil ein Anruf genügt.“ Das sind auch die Patienten, mit denen die Apotheker so gar keine Probleme haben. Gesundheitskarte einlesen, Rezept runterladen, Medikament aushändigen, fertig.

Schneiderfahrten bei Nischenprodukten möglich

Schwieriger wird es, erklärt Riedrich, wenn Patienten Nischenprodukte oder neu zugelassene Medikamente brauchen und vorher nicht nachfragen (können), ob das Präparat vorhanden ist. Oder wenn der Arzt ein Medikament einer Firma aufgeschrieben hat, mit der die Krankenkasse des Patienten keinen Rabattvertrag hat. „Dann kann es passieren, dass Patienten den doppelten Weg haben oder wir das Medikament per Bote zu ihm bringen“, sagt Riedrich.

Das E-Rezept auf dem Handy

Smartphone-Besitzer tun sich da etwas leichter. Sie laden das E-Rezept aufs Handy, können es lesen und so vorher anfragen, ob das Medikament denn in der Apotheke ihres Vertrauens vorhanden ist. Dann geht es über eine sichere E-Rezept-App an die gewünschte Apotheke. Für die Nutzung der E-Rezept-App benötigen Versicherte eine elektronische Gesundheitskarte sowie ihre Versicherten-PIN, die sie bei ihrer Krankenkasse erhalten.

Die E-Rezept-App der gematik

Rezepte elektronisch empfangen und einlösen: Dafür benötigen gesetzlich Versicherte die E-Rezept-App der gematik. Diese können in den gängigen App Stores (App Store, Google Play, AppGallery) sowie auf der gematik-Webseite heruntergeladen werden. Auf der gematik-Webseite findet man außerdem Informationen, wie man das E-Rezept auch ohne Smartphone nutzen kann.

Arzt Ihler und Apotheker Riedrich sind sich einig, dass das E-Rezept noch einige Anfangsschwierigkeiten hat. Wie zum Beispiel, dass das vom Arzt ausgestellte E-Rezept gelegentlich einen halben, manchmal gar einen ganzen Tag braucht, bis der Apotheker es auslesen kann. „Aber die Routine kommt schon noch“, ist Ihler sicher. „Und wenn es dann mal rund läuft, ist es für alle Beteiligten eine Erleichterung. Aber das wird wohl noch ein paar Wochen oder Monate dauern“, ergänzt Riedrich.

Logistische Fragen brauchen noch Antworten

Und auch für logistische Fragen, wie zum Beispiel die Belieferung von Altenheimen mit den Patienten ihrer Bewohner geregelt werden kann, wird sich eine Lösung finden, ist Ihler optimistisch.

Wovor Thomas Riedrich eindringlich warnt: Die Rezepte online einzulösen. Im Netz seien zu viele Fälschungen unterwegs, die zum Teil lebensgefährlich seien, so der Apotheker. Es gebe, so Riedrich, ernst zu nehmende Schätzungen, dass die Hälfte aller im Netz verkauften Präparate Fälschungen sein. Und gefälscht werde ohne Rücksicht auf Verluste, das habe erst jetzt wieder der Ozempic-Skandal gezeigt. Eigentlich ein Diabetes-Mittel, ist es auch bei Nicht-Diabetikern als Abnehmspritze sehr gefragt. Und verführt offensichtlich zu Fälschungen.

Der QR-Code, der mittlerweile auf jeder in der Apotheke bezogenen Medikamentenpackung zu finden ist, ermöglicht einen lückenlosen Nachweis von der Herstellung im Pharmaunternehmen bis zur Übergabe an den Patienten, erklärt Riedrich. Außerdem sei die Apotheke vor Ort in der Regel schneller. Er bekomme in seine Apotheken vier Medikamentenlieferungen täglich vom Großhandel, einmal über Nacht und dreimal während des Tages. Und: In der Apotheke gibt‘s den einen oder anderen Tipp von den PTAs oder Apothekern und in der Erkältungssaison eine Packung Papiertaschentücher noch obendrauf.

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