Reha-Sport gegen das Einrosten
Dehnen, Strecken, Beugen: Nicole Bliemel bringt Wasserburg in Bewegung – Darauf kommt's an
Wer rastet, der rostet: nicht aber bei Nicole Bliemel aus Amerang. Sie leitet in Wasserburg Kurse für den Reha-Sport. Warum man die Übungen nicht unterschätzen darf – und worauf es ankommt.
Wasserburg – Abba tönt aus den Lautsprechern, das bringt Schwung ins Aufwärmtraining. Zu Nicoles Reha-Sportkurs sind an diesem Morgen ein gutes Dutzend Teilnehmer gekommen, mehr Frauen als Männer, im Alter von 50 plus, die einen schlank, die anderen eher fest. Gut möglich, dass es ihnen nach den Feiertagen auch darum geht, überflüssige Pfunde loszuwerden.
Die Teilnehmer marschieren zur Musik, die Arme bewegen sich im Rhythmus, die Beine schwingen, die ersten Schweißperlen bilden sich auf der Stirn. Diesmal, eine dreiviertel Stunde lang, sollen die verklebten Faszien gelockert werden. Die Beugeübungen strengen an, Nicole zählt: noch 4, noch 3, noch 2 und ein letztes Mal. Und weiter geht's: dehnen und strecken, in die Hocke gehen, Ausfallschritt machen, mit den Händen den Boden berühren. Die 45 Minuten sind schnell vorbei.
Nicole Bliemel ist im Wasserburger Fitness-Studio Skyfit seit gut zwei Jahren für den Rehasport zuständig. Die 54-Jährige aus Amerang weiß, was zu tun ist, um die Beweglichkeit zu erhalten oder wieder herzustellen. Reha-Sport werde vom Hausarzt in der Regel ohne große Hürden verordnet. „Im Sozialgesetzbuch steht, dass bei einer Behinderung, die länger als ein halbes Jahr andauert, Anspruch auf Reha-Sport besteht“, sagt Nicole und fügt hinzu: „Verschreibungen schlagen nicht auf das Budget des Arztes. Das ist aber nicht in allen Praxen bekannt.“ Verschrieben würden im Normalfall 50 Einheiten, verteilt auf anderthalb Jahre. Auch bei psychischen Leiden könne Reha-Sport beantragt werden.
Die häufigsten Beschwerden der Kursteilnehmer sind orthopädischer Art, berichtet Bliemel. So kommen etwa Leute mit Teilprothesen oder nach Bandscheibenvorfällen ins Studio. Oder wenn sie unter Osteoporose, Atemwegserkrankungen, Übergewicht oder Diabetes leiden. „Der Sport in der Gruppe ist eine gute Sache“, findet die Kursleiterin. Auf diese Weise komme man auch raus aus den vier Wänden, rein in die Bewegung, und könne Kontakte knüpfen.
Es gehe vor allem darum, den wohlstandsverwöhnten Körper zu bewegen. Manchmal ist der Kraftanteil in der Übungsstunde etwas höher, manchmal niedriger. Abwechslung muss sein – Bälle, Stöcke, Schwingstäbe oder Rollen bringen spielerische Effekte ins Training. Nicole empfiehlt, zweimal in der Woche zum Kurs zu kommen, aber auch daheim regelmäßig zu üben – damit es nicht zu lange dauert, bis sich Erfolge einstellen. Sich selbst motivieren, den inneren Schweinehund überwinden: Wer das schaffe, sei auf einem guten Weg. „Ich kann die Leute ja nicht zur Bewegung tragen“, sagt sie.
Für Werner Gartner, gute 70 und Kursteilnehmer seit drei Jahren, ist der Rehasport zwingend: „Ich muss doch auf meine Bandscheiben aufpassen.“ Er habe das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun: „Ich bleibe am Ball.“ Sabine Brand, 64, ist seit einem Jahr dabei, einmal in der Woche. Sie habe „mehrere Baustellen“ in ihrem Körper zu umsorgen: Hüfte, Rücken. Die Gymnastik bringe ihr auf jeden Fall etwas, sie sei durch die Kurse motivierter geworden, überhaupt etwas zu tun.
Hauptsache dranbleiben
Dem Schreiber dieser Zeilen, der unter den Folgen eines Oberschenkelhalsbruchs leidet, attestiert Nicole Bliemel Defizite bei der körperlichen Koordination. Im Klartext: Wenn Beine und Arme gleichzeitig bewegt werden sollen, geht es mitunter durcheinander. „Aber das ist normal, das wird besser, du wirst sehen.“ Hauptsache dranbleiben, sagt die Leiterin.


