Autorin spricht über ihren neuen Krimi „Schwanenritter“
„Sex and Crime“ am Chiemsee: Alma Bayer führt tief in die Abgründe menschlicher Seelen
In ihrem neuen Roman „Schwanenritter“, der im Chiemgau spielt, begibt sich Autorin Alma Bayer in die tiefen Abgründe der menschlichen Seele. Was es mit einer Orgie im Schloss und den Gugelmännern auf sich hat, verrät sie im OVB-Interview.
Prien – Karrieresüchtige Journalisten, die auch Sex zum Erreichen ihrer Ziele einsetzen, eine vom Leben enttäuschte Heldin, geheimnisvolle Guglmänner, der Schwanenritter-Geheimbund und natürlich Märchenkönig König Ludwig II. bilden die Zutaten für den unterhaltsamen Kriminalroman „Schwanenritter“, der eine andere Seite des Chiemgaus zeigt. Ob Frauen oder Männer mehr auf „Sex and Crime“ abfahren und ob man als Bekannter einer Autorin auf der Hut sein muss, hat das OVB im Interview mit Autorin Alma Bayer ergründet.
„Inmitten des Lebens sind wir vom Tode umfangen.“ so lautet das Motto des Geheimbunds der bayerischen Guglmänner, die fest davon überzeugt sind, dass König Ludwig II. ermordet wurde und sein Antlitz am liebsten auf der Kampenwand in Stein gemeißelt sehen würde. Wie sind sie darauf gestoßen?
Alma Bayer: In Bayern ist das Erbe von König Ludwig II. sehr präsent. Gerade im Chiemgau kommt man am Kini nicht vorbei. Und damit auch an den Guglmännern mit ihren schwarzen Masken. Ich finde es einfach spannend, wenn eine Geschichte mehrere Ebenen hat und einen Bezug zur Wirklichkeit. Und von der haben die Guglmänner ja ihre ganz eigene Vorstellung.
Sind Sie denn schon mal einem Guglmann begegnet?
Bayer: Ich würde jetzt gerne sagen ja, aber er hat sich nicht zu erkennen gegeben (lacht).
Ihr näheres Umfeld muss ständig auf der Hut sein, oder?
Bayer: (lachend) Wie meinen Sie das jetzt?
Na, sonst findet man sich doch allzu leicht als Romanfigur in einem ihrer Bücher wieder, oder?
Bayer: Das Gegenteil ist der Fall: Ich versuche darauf zu achten, dass sich Freunde und Bekannte nicht wiedererkennen. Allerdings erlebe ich immer wieder, dass meine phantasievollsten Erfindungen von der Realität überholt werden. Oft genug treffe ich Tage oder Wochen später Personen, die genau wie beschrieben sind, ohne sie vorher gekannt zu haben. Gerade bei den Vorgängerromanen ist mir das öfter passiert. Dort wird mal ein Leichenteil in einer Plastiktüte durch Rosenheim transportiert. Und was mache ich? Wochen später laufe ich selbst mit einer Leiche durch die Stadt – eine Taube hat Suizid an meinem Fenster verübt und ich wollte sie nicht einfach in die Tonne schmeißen, also habe ich mich auf die Suche nach einem idyllischeren Ort gemacht (lacht).
Sie haben also keine skrupellosen Gigolos und Schamanen, die ihr Geld widerwillig als Reporter verdienen, im Umfeld?
Bayer: Noch nicht, aber wahrscheinlich treffe ich bald welche (lacht).
Ja dann würde es sich fast anbieten, demnächst eine Schlossführung zu buchen. Vielleicht erlebt man dabei ja auch etwas Spannendes...
Bayer: Aber nicht, dass man mir dann die Schuld gibt.
Finden Sie sich denn in Fanny Fischer teilweise wieder?
Bayer: Ein Stück von einem selbst steckt wahrscheinlich irgendwie in jeder Person.
Im Buch ist immer wieder unterschwellige sexuelle Spannung spürbar. Wer fährt darauf mehr ab: Frauen oder Männer?
Bayer: Worte lassen Raum für Fantasie. Ich glaube, es gibt sogar Studien, die belegen, dass Frauen – im Gegensatz zu Männern – Worte anregender finden als Bilder oder Filme.
Sex und Crime sind also eine gute Verbindung?
Bayer: Ich würde sagen, Sex ist ein Teil des Lebens und als solcher macht er auch Geschichten lebendiger. Allerdings wundere ich mich immer, wenn das so hervorgehoben wird. Ich finde es eher unnatürlich, Sex auszuklammern, schließlich schreibe ich keine Kinderbücher. Bei meinen ersten beiden Büchern hatte ich mich gewundert, dass die wenigen Sexszenen in den Rezensionen so prominent behandelt wurden, während extrem gewalttätige und grausame Szenen in vielen Büchern als selbstverständlich hingenommen werden. Also, ich habe lieber die schöneren Bilder im Kopf. (lacht)
Kriminalroman „Schwanenritter“: Darum geht‘s
Die Zustände bei den Chiemgauer Nachrichten – natürlich nicht zu verwechseln mit der Chiemgau-Zeitung und dem OVB – vermitteln ein bedenkliches Bild der menschlichen Seele. Einst war Fanny Fischer Chefreporterin der Chiemgauer Nachrichten. So lange, bis sich sich auf eine verhängnisvolle Affäre mit dem ehrgeizigen Redakteur Tom Wildner einließ. Nun wohnt sie in einem Wohnwagen am Ufer des Chiemsees und arbeitet als Schlossführerin auf Herrenchiemsee. Irgendwie hat sie sich schon fast damit arrangiert. Nur dumm, dass der Ex-Gspusi eines Tages bei einer ihrer Führungen tot im Prunkbett von König Ludwig II. liegt. Hat die Orgie etwas damit zu tun, die in der Nacht zuvor im Spiegelsaal stattfand? Oder der Geheimbund der Guglmänner? Fanny Fischers Instinkte zumindest sind geweckt und sie fängt an zu ermitteln. Damit nicht genug, verliebt sie sich auch noch in den zuständigen Kommissar.
Was ist wichtiger für einen guten Autor? Eine blühende Vorstellungskraft oder eine gute Beobachtungsgabe?
Bayer: Beides. Man muss das, was man beobachtet, weiterdenken können und dabei Ursachenforschung betreiben: Was fühlen die Menschen? Wovon träumen sie? Was sind ihre Ziele? Nur wer weiß, warum Menschen etwas tun, kann glaubwürdig beschreiben, was sie tun.
Gerade durch die Perspektivwechsel kommt ein hohes Tempo ins Buch. Wie schwer ist es dabei, sich als Frau in die Psyche eines Mannes zu versetzen – etwa wenn es um sexuelle Vorlieben oder Freundschaft geht?
Bayer: Erstaunlicherweise fällt mir das sehr leicht. Das liegt vielleicht auch an meinem Umfeld: Ich lebe mit drei Männern, einem Erwachsenen und zwei Teenagern. Und ich bin in einem kleinen oberbayerischen Dorf vor allem mit Jungs groß geworden, weil es keine gleichaltrigen Mädchen gab. Meine Hoffnung ist daher natürlich, dass Männer sich in meinen Beschreibungen wiederfinden.
Finden im Spiegelsaal wirklich Veranstaltungen wie beschrieben statt?
Bayer: Es ist durchaus vorstellbar, oder?! Und die beschriebenen Boten- und Geheimgänge passen gut zum Charakter von König Ludwig II., der ja sehr menschenscheu war.
Wie würden Sie denn gerne auf einem Spiegelsaal-Ball auftreten? Als beobachtendes Mäuschen oder mittendrin?
Bayer: Natürlich mittendrin, mit pompösem Kleid, Maske und tanzend (lacht).
Denken Sie, dass die Schlösserverwaltung eher erfreut ist über den Roman oder eher nicht? Schließlich wird das Schloss Herrenchiemsee als nicht vollständig idyllischer Ort dargestellt.
Bayer: Ich habe das Schloss als Tatort gewählt, weil ich Herrenchiemsee liebe und von diesem wunderbaren Ort erzählen wollte. Diese herrliche Anlage verdient es, wenigstens in der Fantasie wieder mit Leben gefüllt zu werden. Also gehe ich davon aus, dass die Schlösserverwaltung erkennt, mit wie viel Liebe zum Detail der Krimi Schwanenritter geschrieben ist.
Der Krimi kann fast schon als Lexikon durchgehen, so zahlreich wie bairische Begriffe dort auftauchen – und auch erläutert werden. Absicht?
Bayer: Lokalkolorit gehört für mich auf jeden Fall dazu und ich mag das Bairische sehr. Hier gibt es Begriffe, die auch das Wesen der Menschen treffsicher beschreiben, mit Wärme und Witz. Im Grund ist Bairisch sehr zärtlich, auch wenn es oft poltert. Die Übersetzungen im Buch sind vor allem eine Serviceleistung für die Leser, denn ich hoffe doch sehr, dass das Buch über Bayern hinaus gelesen wird
Wie wird es mit Fanny Fischer weitergehen?
IBayer: ch sitze gerade schon am Nachfolger (lacht) und da ist sehr viel Musik drin. Nur so viel vorweg: Wir haben doch das tolle Chiemsee-Festival in Übersee und bei dem wird etwas Unvorhergesehenes passieren... Wie es der Zufall will, ist Fanny Fischer mittendrin (lacht). Nächsten Sommer wird das Buch herauskommen.
