Großer Aufwand für die Verwaltung
Ist das Prädikat „Luftkurort“ noch zeitgemäß? – Diese Entscheidung hat Bernau dazu getroffen
Ist es für eine Gemeinde heutzutage noch wichtig, ein Prädikat wie „Luftkurort“ zu tragen? Der Gemeinderat in Bernau war zunächst zwiegespalten. Am Ende kam er dann trotzdem zu einer einstimmigen Entscheidung.
Bernau – Der Chiemgau ist ein Ort, an dem tausende Menschen jedes Jahr ihren Urlaub verbringen. Gründe dafür gibt es viele. Die Berge, die Seen und die gute Luft. Um das auch offiziell zu bestätigen, gibt es das staatlich verliehene Prädikat „Luftkurort”. Viele Gemeinden im Chiemgau, wie beispielsweise Prien, Bad Endorf, Rimsting, Chieming, Grassau und Inzell dürfen dieses Prädikat führen. Auch Bernau darf das. Seit 1976 ist die Gemeinde ein „Luftkurort”.
Großer verwalterischer Aufwand
Gemäß der Bayerischen Anerkennungsverordnung (BayAnerkV) müssen Luftkurorte alle zehn Jahre eine Überprüfung ihrer Anerkennungsvoraussetzungen durchlaufen. Eine solche Überprüfung, die für das Jahr 2018 vorgesehen war, wurde in Bernau jedoch nicht durchgeführt. Da das damals verpasst wurde, wäre nun eine „große” Beantragung mit Vorlage aller notwendigen Unterlagen notwendig.
Für die Neubeantragung müsste die Gemeinde verschiedene Nachweise erbringen. Darunter ein Gutachten des Landratsamtes über die ortshygienischen Verhältnisse bei Wasser, Boden und Luft, eine Klimaanalyse mit Hinweisen zum Bioklima, ein Gutachten über die Luftqualität und eine ärztliche Beurteilung der gesundheitlichen Vorteile des Klimas. Hinzu kommen zahlreiche weitere Unterlagen, die die Gemeindeverwaltung erarbeiten müsste. „Es hängt so viel dran an diesem Luftkurort”, sagte Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber. „Das sind so Sachen, die müssen wir natürlich dann auch bezahlen, wenn es von den Ämtern kommt. Es steckt sehr, sehr viel Aufwand drin.” Ein Vergleich mit dem Markt Dießen am Ammersee zeigt, dass allein die Kosten für externe Gutachter zur Luftgüte und dem Bioklima bei etwa 15.000 Euro liegen.
Ein Zertifikat, das niemand braucht?
Bevor der Gemeinderat zu seiner Entscheidung kam, fanden sich Argumente für und gegen die erneute Zertifizierung. Peter Pertl (CSU) versuchte den Blick aus den Augen eines Besuchers. „Wenn er auf Bernau zufährt, sieht er die Autobahn, die Bundesstraße, die durch den Ort führt und die Bahnstrecke. Da ist ein Luftkurort auch nur schwer zu verkaufen.” Aus seiner Sicht sei der Begriff aus der Zeit gefallen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die abnehmende Bedeutung des Prädikats für den Tourismus.
Eine Umfrage der Tourist-Info im Herbst 2023 ergab, dass 78 Prozent der befragten Beherbergungsbetriebe das Prädikat als wenig bis gar nicht einflussreich auf das Buchungsverhalten der Gäste ansehen. „Ich höre da auch raus, dass die Tourist-Info das nicht unbedingt braucht”, sagte Matthias Vieweger (CSU) „und es ist schon ein großer Aufwand und kostet Geld.” Thomas Herian (BL) meinte, dass niemand nach dem „Luftkurort Bernau” suchen würde. Jakob Müller stellte die theoretische Frage eines Gastes, warum alle Gemeinden drumherum Luftkurort seien, aber Bernau nicht? Und Ursula Zeitlmann (Grüne) fragte, warum die Gemeinde den Aufwand betreiben sollte, wenn das Zertifikat niemand brauchen würde.
Kurbeitrag auch mit anderer Auszeichnung gerechtfertigt
Diese Maßnahmen sind nicht nur kostenintensiv, sondern erfordern auch erhebliche personelle Ressourcen. „Der Verwaltungsaufwand für eine Rezertifizierung ist sehr hoch“, sagte Bernaus Geschäftsführer Andreas Lukas. „Allerdings ist ein Prädikat auch die Grundlage für die Erhebung des Kurbeitrags.“ Der Kurbeitrag ist für den gesamten Ort 1,50 Euro pro Nacht pro Person ab 16 Jahren. Hier kommt nun aber ein zweites Prädikat ins Spiel, das Bernau ebenfalls führen darf, denn die Gemeinde ist offizieller „Erholungsort“. Diese Auszeichnung will die Gemeinde auch behalten. In der folgenden Abstimmung sprach sich der Gemeinderat einstimmig dafür aus, sich nicht um die Erneuerung als „Luftkurort“ zu bewerben. Was aber nicht heißt, dass Bernau ab sofort kein Luftkurort mehr ist. „Das läuft weiter. Wir sind noch Luftkurort“, sagt Biebl-Daiber. „Es ist einfach so, man muss in regelmäßigen Abständen prädikatisieren, aber es wird jetzt nicht weggenommen.“ Und falls sich die Gemeinde in Zukunft doch nochmal anders entscheiden sollte, ist eine erneute Bewerbung jederzeit möglich, so die Bürgermeisterin.