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Expertin klärt über Finanzierung des Heimplatzes auf

Verschenktes Haus, Vermögen, Ehepartner: Diese knallharten Regeln gelten in Sachen Pflege

Collage aus einem Bild im Pflegeheim, auf dem eine Altenpflegerin eine alte Dame mit ihrem Rollator begleitet, und einem Proträtfoto von Regina Lengmüller, Leiterin des Referats Stationäre Hilfe zur Pflege beim Bezirk Oberbayern.
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Einen Platz im Pflegeheim zu bekommen, ist ein Glücksfall und zugleich eine Kostenfrage. Regina Lengmüller, Leiterin des Referats Stationäre Hilfe zur Pflege beim Bezirk Oberbayern (rechts), erklärt im OVB-Interview, ab wann Menschen Hilfe zur Pflege erhalten.

Plätze im Pflegeheim werden immer teurer. Die Renten sind dafür längst zu klein. Eine Rosenheimer Familie fragt sich: Was wird aus denen, die daheim bleiben? Müssen sie ausziehen? Die Expertin Regina Lengmüller vom Bezirk Oberbayern erklärt die gesetzlichen Regeln.

Rosenheim/Kolbermoor – Nach dem Ringen der Rosenheimer Familie von Theo M. (Anmerk. Red.: Name von der Redaktion geändert) um einen Platz in einem Pflegeheim in Kolbermoor äußert sich Regina Lengmüller, Leiterin des Referats Stationäre Hilfe zur Pflege beim Bezirk Oberbayern, zu den Grundlagen der Sozialhilfe. Auf den konkreten Fall kann sie aus Datenschutzgründen nicht eingehen. Doch kann ihre Erläuterung der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen allen Familien helfen, die einen Pflegeplatz oder ambulante Pflege für einen Angehörigen brauchen und dafür nicht genug Geld haben.

Ein Senior wird in einem Kolbermoorer Pflegeheim nicht aufgenommen, weil es vom Bezirk Oberbayern keine Übernahmegarantie für die Hilfe zur Pflege gibt. Der Bezirk verwehrt einen positiven Bescheid, weil der Mann noch 10.000 Euro auf seinem Bankkonto hat. Dabei ist klar, dass das Geld bis April zur Finanzierung seines Eigenanteils am Pflegeplatz reicht und ab Mai die Sozialhilfe einspringen muss. Warum kann der Bezirk nicht jetzt schon zusichern, dass er die Hilfe zur Pflege zahlt?

Regina Lengmüller: Bei dem von Ihnen geschilderten Fall besteht wegen des vorhandenen Vermögens gegenwärtig keine Notlage, die beseitigt werden müsste. Einen positiven Bescheid auf Hilfe zur Pflege kann ein Sozialhilfeträger nur erlassen, wenn sich eine Person nicht selbst helfen kann. Hier sprechen wir vom Nachrangprinzip der Sozialhilfe. Das Schonvermögen beläuft sich für Ehepaare auf 20.000 Euro, für Alleinstehende auf 10.000 Euro. Die von Ihnen angesprochene Hilfe suchende Person kann sich aus einem Vermögen von 10.000 Euro, das diesen Freibetrag übersteigt, selbst helfen. Dieser rechtliche Hintergrund ist allen Pflegeheimen bekannt. Aus unserer Sicht ist es deshalb absolut nicht nachvollziehbar, warum ein Pflegeheim einer Person die Aufnahme verweigert, die ihre Pflege aus eigenen Mitteln decken kann.

Muss ein pflegebedürftiger Mensch sein gesamtes Vermögen für die Finanzierung eines Heimplatzes einsetzen?

Regina Lengmüller: Nein, das muss er nicht. Die pflegebedürftige Person muss – wie bereits ausgeführt – nur das Vermögen einsetzen, welches das Schonvermögen übersteigt. Mit ihrem darüber liegenden Vermögen kann sich die Person selbst helfen und ihre Heimkosten begleichen.

Ab wann besteht ein Sozialhilfeanspruch?

Regina Lengmüller: Ein Sozialhilfeanspruch besteht ab dem Zeitpunkt, ab dem wir über die Notlage informiert werden, sofern eine Person bedürftig ist. Den Antrag können die Person selbst, Partner, Angehörige oder Personen aus dem sozialen Umfeld stellen. Wir empfehlen, sich bei uns sechs bis acht Wochen, bevor die eigenen Mittel zur Neige gehen, zu melden. Außerdem ist es sehr sinnvoll, die Zeit bis zur Antragstellung zu nutzen, um die erforderlichen Unterlagen zusammenzustellen. Alle Fragen dazu beantwortet unsere Beratung vor Ort für Stadt und Landkreis Rosenheim gerne in einem persönlichen Gespräch.

Wie verhält es sich mit Vermögen oder Eigentum, das vorher verschenkt wurde?

Regina Lengmüller: Schenkungen, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor Eintritt der Bedürftigkeit erfolgt sind, können im Falle einer Hilfegewährung von den Beschenkten zurückverlangt werden.

Kann der Sozialhilfeträger für die Dauer des Verkaufs von Wohneigentum dem Bedürftigen die Hilfe zur Pflege auch als Darlehen gewähren?

Regina Lengmüller: Ja, das kann er. Sofern der Verkauf einer Immobilie beabsichtigt ist, und der Verkauf sich nicht zeitnah realisieren lässt, kann Sozialhilfe auch als Darlehen gewährt werden.

Und wie sieht es mit der Rückforderung von Schenkungen von Wohneigentum aus?

Regina Lengmüller: Wenn eine Person ihre Wohnung verschenkt hat und über keine weiteren Mittel verfügt, ist sie aus sozialhilferechtlicher Sicht bedürftig. Da sie nicht mehr Eigentümerin der Immobilie ist, scheidet die Gewährung eines Darlehens aus. Der Bezirk Oberbayern gewährt der Person deshalb Sozialhilfe. Falls die Schenkung – wie oben ausgeführt – weniger als zehn Jahre zurückliegt, fordert der Bezirk Oberbayern darüber hinaus die Schenkung zurück.

Was passiert, wenn ein Ehepartner ins Heim geht, der andere aber mit einem Wohnrecht im verschenkten Zuhause wohnen bleibt?

Regina Lengmüller: Diese Konstellation gibt es immer wieder. Bei Schenkungen lassen sich die Übergebenden – also beispielsweise die Eltern – meist ein Wohn- oder Nießbrauchrecht einräumen. Damit kann der Partner oder die Partnerin in der Wohnung bleiben. Auf all diese persönlichen Entscheidungen haben wir als Sozialhilfeträger keinen Einfluss. Unabhängig davon fordert der Bezirk Oberbayern die Schenkung von den Beschenkten zurück. Ein eingetragenes Wohn- oder Nießbrauchrecht wirkt sich auf die Rückforderung in der Regel wertmindernd aus.

Gehört eine angemessen große Wohnung, die von einem Ehepartner weiter bewohnt wird, zum Schonvermögen?

Regina Lengmüller: Das kommt auf die Größe der Wohnung an. Wenn die Größe angemessen ist, zählt die Wohnung zum geschützten Vermögen. Der Sozialhilfeträger zieht sie nicht zur Finanzierung der Pflegekosten heran.

Wäre dann zum Beispiel eine 65 Quadratmeter große Wohnung, die bislang ein Ehepaar bewohnt hat, auch für eine Einzelperson angemessen?

Regina Lengmüller: Eine selbstgenutzte eigene Immobilie gilt für eine Einzelperson bis zu einer Wohnfläche von 88 Quadratmetern immer als angemessen. Insofern handelt es sich bei Ihrem Beispiel um eine angemessene Größe. Grundsätzlich gilt: Selbst wenn eine Person in einer sehr viel größeren Immobilie lebt, muss sie nicht ausziehen. In diesem Fall kann für den pflegebedürftigen Partner Hilfe zur Pflege auf Darlehensbasis gewährt werden. Ein Verkauf der Immobilie wäre also nicht erforderlich, solange der Partner oder die Partnerin dort wohnt. Zur Absicherung des Darlehens fordert der Bezirk jedoch die Eintragung einer Grundschuld.

Das gemeinsame Einkommen der Ehepartner kann für die Finanzierung der Heimkosten herangezogen werden. Gibt es einen definierten Selbstbehalt für den Ehepartner, der zu Hause wohnen bleibt?

Regina Lengmüller: Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, da wir viele unterschiedliche Faktoren betrachten müssen. Es ist auf jeden Fall sichergestellt, dass der bisherige Lebensstil des zu Hause lebenden Partners berücksichtigt wird. Diesem bleiben Einkünfte über dem Niveau der Grundsicherung.

Hilfe zur Pflege sollte so früh wie möglich beantragt werden, heißt es in allen Ratgebern. Wenn Antragsteller alle Unterlagen einreichen und daraus ersichtlich ist, wann das Vermögen aufgebraucht ist, wieso ist es dann nicht möglich, auch frühzeitig einen Bescheid zu erlassen?

Regina Lengmüller: Selbstverständlich ist es möglich, die Antragsunterlagen frühzeitig einzureichen. Sofern ersichtlich ist, dass im Folgemonat Hilfe zur Pflege erforderlich sein wird, wird eine Kostenzusage zeitnah erteilt. Für die Entscheidung, ob Hilfe gewährt wird, sind immer die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse ausschlaggebend. Eine Entscheidung weit in die Zukunft hinein ist nicht möglich, da zwischenzeitlich Änderungen in den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen eintreten können. Diese müssen wir dann entsprechend berücksichtigen. Wenn das Vermögen verbraucht ist, reicht ein erneuter formloser Antrag mit dem Nachweis der aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

Beratung vor Ort in Rosenheim

Mitarbeiter des Bezirks Oberbayern beraten vor Ort für Stadt und Landkreis Rosenheim auch im persönlichen Gespräch zu Leistungen der ambulanten und stationären Hilfe zur Pflege. Im Pflegestützpunkt Rosenheim in der Wittelsbacherstraße 38 ist immer mittwochs und freitags Sprechtag. Terminvereinbarungen sind unter beratung-ro@bezirk-oberbayern.de und per Telefon unter der 089/2 19 82 10 61 möglich.

Wie lange dauert die Bearbeitung eines Sozialhilfeantrags?

Regina Lengmüller: Selbstverständlich sind wir bestrebt, über Erstanträge möglichst zeitnah zu entscheiden. Der Bezirk Oberbayern muss vor einer Kostenübernahme aber prüfen, ob Hilfe suchende Personen ihren Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen selbst decken können. Das heißt: Selbst wenn eine Person bereits Leistungen in einer Pflegeeinrichtung in Anspruch nimmt, darf der Bezirk Kosten erst übernehmen, wenn er die finanziellen Verhältnisse und damit die Anspruchsberechtigung abschließend geklärt hat. Wenn die relevanten Antragsunterlagen dem Bezirk vorliegen und sich keine Fragen ergeben, entscheidet der Sachbearbeiter über die Kostenübernahme.

Nach Informationen aus Pflegeheimen der Region liegt die Bearbeitungszeit gegenwärtig bei bis zu neun Monaten. In dieser Zeit müssen die Pflegeeinrichtungen die Kosten überbrücken. Mehrere Heime im Landkreis Rosenheim haben in diesem Jahr Insolvenz angemeldet. Ist der Bezirk Oberbayern nicht in der Pflicht, für die Kostensicherheit der Heime zu sorgen, indem er Bescheide zeitnah erstellt?

Regina Lengmüller: Der Bezirk gewährt Sozialhilfe für rund 15.000 Menschen, die in Oberbayern stationär versorgt werden. Das zeigt, dass sehr viele Personen Selbstzahler sind oder es andere Kostenträger gibt. Gleichzeitig gilt für die Gewährung von Sozialhilfe – wie bereits geschildert – immer das Nachrangprinzip. Deshalb kann der Bezirk, bevor er die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Hilfe suchenden Personen geprüft hat, keine Kostenzusagen geben und auch nicht in Vorleistung gehen. Auch lehnen wir immer wieder Sozialhilfeanträge ab, weil keine Bedürftigkeit besteht.

Für den wirtschaftlichen Druck, der auf den Pflegeheimen lastet, sind sicher viele Faktoren verantwortlich – unter anderem die stark gestiegenen Kosten. Auch der Fachkräftemangel belastet viele Heime sehr. Diese Umstände führen nach Erfahrungen des Bezirks zunehmend zu finanziellen Schieflagen. Dem tragen wir Rechnung, indem wir nach einer Kostenzusage die ungedeckten Heimkosten immer im Voraus an die oberbayerischen Pflegeeinrichtungen überweisen. Derzeit zahlen wir rund 30 Millionen Euro jeweils am Monatsanfang für den vollständigen Monat. Diese Systematik gibt den Einrichtungen eine gewisse Flexibilität, da sie ihren Beschäftigten die Gehälter jeweils erst am Monatsende erstatten. Damit treten aus unserer Sicht für die Einrichtungen keine Liquiditätsprobleme auf.

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