Landeskriminalamt mit neuen Infos
Nigerianische Mafia: Was hat ein Rosenheimer mit Love-Scamming, Geldwäsche & Menschenhandel zu tun?
Seit zwei Jahren beobachtet der Verfassungsschutz die nigerianische „Black Axe“-Bruderschaft. Jetzt hat die Polizei 19 Wohnungen durchsucht und elf Männer festgenommen. Darunter auch ein Rosenheimer.
Rosenheim – Hinter den Mitarbeitern des bayerischen Landeskriminalamts, des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd und des Polizeipräsidiums Schwaben Nord liegen anstrengende Monate. „Die Ermittlungen gegen die nigerianische ‚Black Axe‘-Bruderschaft laufen seit über zwei Jahren“, sagt Erster Kriminalhauptkommissar Ludwig Waldinger am Telefon.
Moderne Form des Heiratsschwindels
Um diesen Zeitpunkt herum muss es gewesen sein, als das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz zum ersten Mal auf den Verein aufmerksam geworden ist. Der Vorwurf: Betrug durch „Love oder Romance Scamming“ und Geldwäsche. Beim „Love Scamming“ handelt es sich um eine moderne Form des Heiratsschwindels. Betrüger erstellen auf Social-Media-Plattformen oder Dating-Portalen gefälschte Profile und spielen ihrem Gegenüber die große Liebe vor. Am Ende des Tages sind sie jedoch lediglich am Geld ihrer Opfer interessiert.
„2023 wurden alleine in Bayern mehr als 450 Fälle angezeigt, der eingetretene Schaden beläuft sich auf mehr als 5,3 Millionen Euro“, sagt Ludwig Waldinger. Wie viele dieser Fälle auf die nigerianische „Black Axe“-Bruderschaft zurückzuführen sind, ist jetzt Gegenstand der Ermittlungen.
Mafiaähnliche nigerianische Organisation
Nach dem Jahresbericht des bayerischen Verfassungsschutzes für 2023 handelt es sich bei der „Confraternity Black Axe“ um eine von vier mafiaähnlichen nigerianischen Organisationen. Ihre Betätigungsfelder liegen – so heißt es in dem Bericht – sowohl in ihrem Heimatland als auch im internationalen Ausland insbesondere in den Bereichen Rauschgiftkriminalität, Internetbetrug, Geldwäsche, Menschenhandel und Schleusung.
„In Europa bildet Italien hierbei den geografischen Schwerpunkt. Mittlerweile ist eine Ausweitung und Verlagerung auch nach Deutschland und insbesondere nach Bayern festzustellen“, heißt es vom Verfassungsschutz. Von den italienischen Sicherheitsbehörden wird unter anderem die „Confraternity Black Axe“ als „mafiaähnlich“ eingestuft. In Italien kam es laut dem Jahresbericht in den vergangenen Jahren vermehrt zu großangelegten Festnahmen und Verurteilungen.
Ermittlungsverfahren eingeleitet
Ein ähnlicher Erfolg gelang jetzt auch in Deutschland. Nachdem genügend Informationen gegen die „Confraternity Black Axe“ gesammelt wurden, wurde vonseiten der Justiz ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. „Wir haben verdeckt ermittelt und konnten deshalb auch nicht mit Opfern sprechen“, erklärt Waldinger. Nach und nach hätte sich der Verdacht erhärtet. Möglich gewesen sei das durch die enge Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz, aber auch aufgrund von Analysen des Bundesnachrichtendienstes.
350 Beamte durchsuchen 19 Objekte
Am Dienstag, 23. April, schlugen die Beamten schließlich zu. 350 Beamte durchsuchten 19 Objekte in Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und Bayern. Insgesamt konnten elf Männer festgenommen werden, die alle die nigerianische Staatsbürgerschaft haben und zwischen 29 und 53 Jahre alt sind. Einer von ihnen befand sich zur Zeit der Durchsuchung in einer Asylunterkunft in Rosenheim.
Bei den Durchsuchungen wurden neben Peitschen, einer schwarzen Axt – dem Symbol der Organisation – und Aufklebern auch zahlreiche Mobiltelefone und Datenträger sichergestellt. In den kommenden Tagen und Wochen werden die Beamten sich jetzt laut Kriminalhauptkommissar Ludwig Waldinger alle Fotos und Nachrichten ganz genau anschauen – zum Teil mit Unterstützung eines Dolmetschers. Ziel sei es, genügend Beweise zu sammeln, um die Verdächtigen hinter Gitter zu bringen.
Erstes Verfahren dieser Art
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hatte die Staatsschutzkammer des Landgerichts München I bereits im Vorfeld des Aktionstages Haftbefehle erlassen. Die jetzt in die offene Phase gehenden Ermittlungen stellen das erste grundlegende Verfahren gegen eine nigerianische Bruderschaft in Deutschland dar.
Keine Scham vor Anzeigen
In diesem Zusammenhang weist Ludwig Waldinger noch einmal darauf hin, bereits beim geringsten Verdacht die Polizei einzuschalten und keine Scham davor zu haben, Anzeige zu erstatten. „Nur so kann den skrupellosen Kriminellen das Handwerk gelegt werden“, wird Justizminister Georg Eisenreich in einer Pressemitteilung zitiert.