Nachruf
DDR-Flucht, Unternehmerin und Wahlheimat in Breitbrunn: Regina Steinickes bewegtes Leben
Regina Steinicke, geboren 1930 in Stendal, führte ein von Arbeit und Disziplin geprägtes Leben. Trotz vieler Herausforderungen blieb sie bis ins hohe Alter aktiv und reiste regelmäßig zwischen ihren Wohnorten.
Breitbrunn – In seinem Seelenamt ging Pfarrer Mirco Hoppe auf ihren von Arbeit und Disziplin geprägten Lebensweg ein.
Regina Steinicke wurde 1930 in Stendal (Sachsen-Anhalt) geboren und wuchs in den Kriegsjahren auf. Bereits mit vier Jahren reiste sie mit dem Zug alleine zur Oma nach Wolbrechtshausen. Aufgrund ihres Untergewichts ging es 1939 zur „Kinderlandverschickung“ ins baden-württembergische Au am Rhein.
Ihre Eltern betrieben in den Kriegsjahren eine Wehrmachtskantine in Gardelegen (Sachsen-Anhalt) und Regina arbeitete am Wochenende als junges Mädel mit zwölf Jahren mit. Wegen des Schulbesuchs blieb sie bei Bekannten unter der Woche in Stendal.
Kartoffeln und Speck als Gegenleistung
Weil es Kriegszeiten waren, ging es mit Notfalltasche und BBC-Radio in den Luftschutzkeller, wenn es wieder einmal Fliegeralarm gab. Ab 1945 half Regina auf einem Bauernhof mit, wofür es Kartoffeln und Speck als Gegenleistung gab.
1947 gelang die Flucht zum Großvater ins niedersächsische Wolbrechtshausen. Dort besuchte sie jedoch keine weitere Schule, sondern kämpfte wie alle ums Überleben. Sie arbeitete in einem Stoffgeschäft und half im Haushalt.
Im gleichen Jahr lernte sie in Bismark (Sachsen-Anhalt) Manfred Steinicke kennen und lieben. Ihre Eltern betrieben dort inzwischen die Gaststätte „Tivoli“. Schon 1948 läuteten die Hochzeitsglocken und sie schenkten den Kindern Dieter, Angela, Sibylle und Carola das Leben. Schier unfassbar wurde ihnen ihr kleiner Junge mit gerade mal zehn Monaten durch einen schrecklichen Unfall wieder genommen.
Die Familie Steinicke war in Bismark eine angesehene Unternehmerfamilie. Sie hatten es dort allerdings zu DDR-Zeiten schwer, mit ihrem Eigentum und ihrem Unternehmen zu bestehen. 1954 gab es innerhalb kürzester Zeit sowohl eine Explosion eines Getreidesilos im Betrieb in Bismark als auch einen Feuerausbruch. Ihr Ehemann wurde enteignet und sie mussten 1955 fliehen.
In Westdeutschland folgte der Neuaufbau in Schwaig, Nähe Erding, und ab 1958 die Selbstständigkeit im Handel mit Pfefferminze sowie dem Bau der ersten Trocknungsanlage für die Verarbeitung und Vermarktung von getrockneten Gemüsen und Kräutern. Parallel zum Geschäftsbetrieb wurden die drei Mädels umsorgt und aufgezogen. Die Geschäfte entwickelten sich immer besser und somit konnte der Betrieb ständig erweitert werden.
Durch einen Beschluss im Jahr 1969 zum Flughafenbau im Erdinger Moos kam es wegen fehlender Expansionsmöglichkeiten und Anbauflächen zur Betriebsaufgabe. Auf neuer Standortsuche wurde das Ehepaar jedoch fündig und kaufte im niedersächsischen Lüchow ein Grundstück zum Neubau von Trocknungsanlagen. Zeitgleich wurden ab 1980 auch im Gstadter Ortsteil Mitterndorf Gemüse und Kräuter angebaut und wieder getrocknet.
Rückkauf und Wiederaufbau
Nach dem Mauerfall 1989 bot sich die Möglichkeit des Rückkaufs und Wiederaufbau des 1955 verlassenen Betriebes in Bismark.
Im Jahr 2004 verstarb ihr geliebter Mann Manfred. Von da an kümmerte sich die Witwe verantwortungsvoll bis ins hohe Alter um die Geschicke und Entwicklungen aller Standorte .
Sie reiste mehrmals im Jahr von Breitbrunn nach Norddeutschland, um dort vor Ort Entwicklungen und Entscheidungen mitzutragen. Ganz wichtig waren ihr die Feiern und Zusammentreffen mit der inzwischen angewachsenen Großfamilie, wobei Regina bei diesen Anlässen gerne oft selbst aufkochte.
Trotz ihrer knappen Freizeit gönnten sich die Eheleute schöne Reisen, unter anderem nach Südafrika, Kalifornien und Mexiko.
Gerne ging sie gut Essen und fand – zum Leidwesen Ihrer Töchter – bis ins hohe Alter ein großes Gefallen an schnellen, sportlichen Autos.
Mit Unterstützung der ganzen Familie konnte sie bis zum Schluss eigenständig im Breitbrunner Haus leben. Ihr letzter Erdenweg wurde von zahlreichen Trauergästen begleitet.