Gewalttat in Aschau im Chiemgau
Anklage im Fall Hanna erhoben: Das wirft der Staatsanwalt dem Angeklagten vor
Wohl kaum handfeste Beweise, aber Tausende Seiten Ermittlungsakten: Der Staatsanwalt hat im Fall Hanna Anklage bei der Jugendkammer des Landgerichts Traunstein erhoben. Wofür sich der Beschuldigte verantworten muss. Und was nun auf das Gericht zukommt.
Aschau im Chiemgau - Die Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigestelle Rosenheim, hat ihre Arbeit am Fall Hanna vorerst abgeschlossen, der Vorwurf gegen den bisher dringend Tatverdächtigen lautet auf Mord. Das teilte Oberstaatsanwalt Gunther Scharbert auf OVB-Anfrage mit, bevor er an das Landgericht Traunstein verwies.
Der Tatverdächtige sitzt seit mehr als einem halben Jahr in U-Haft
Der junge Mann war am 19. November 2022 festgenommen worden, rund sechs Wochen nach dem gewaltsamen Tod von Hanna. Die 23-Jährige hatte in der Nacht auf den 3. Oktober den Club „Eiskeller“ in Aschau besucht.
Gegen halb drei hatte die Medizinstudentin den Club allein verlassen, um zu ihrem nur wenige hundert Meter entfernten Elternhaus zu gehen. Dort war sie jedoch nie angekommen. Am frühen Nachmittag entdeckte ein Spaziergänger den leblosen Körper der jungen Frau in der Prien treibend.
Höchst aufwendige Ermittlungen der Polizei
Die Polizei ermittelte mit Hochdruck. Bis zu 60 Ermittler suchten in der Soko „Club“ nach Spuren und vernahmen Hunderte der Besucher des Eiskeller an jenem Abend. Auf Hinweise hin suchte die Polizei nach einem Jogger, der in der Tatnacht gesichtet worden war.
Der Mann meldete sich und sagte als Zeuge aus - bevor er Wochen später als Tatverdächtiger erneut ins Visier der Ermittler geriet. Der Verdacht gegen ihn erhärtete sich, der Ermittlungsrichter erließ Haftbefehl. Seitdem sitzt der junge Mann - laut Polizei zwischen 18 und 21 Jahre alt, aus dem südlichen Landkreis Rosenheim stammend - in Traunstein in Untersuchungshaft.
Harald Baumgärtl verteidigt den Beschuldigten
Den Mann wird der renommierte Strafverteidiger Harald Baumgärtl vertreten. Nach Überzeugung des Anklägers handelte der Beschuldigte aus Heimtücke. „Dass die Anklage auf Mord lautet, ist nicht weiter überraschend“, sagt Baumgärtl, „bereits der Haftbefehl lautete auf Mord.“ Nach seiner Überzeugung wird sich das aber schwer belegen lassen. „Es gibt keine Zeugen, es gibt keinen stichhaltigen Beweis zum Tathergang.“ Gegenüber den Ermittlern habe sein Mandant nach wie vor keinerlei Angaben zu den Vorwürfen gemacht.
Polizei sichtete Videos der Überwachungskameras
Vieles in der fatalen Nacht ist rätselhaft. Die Ermittler nehmen an, dass die Tat am Parkplatz der Kampenwand-Bahn begangen wurde. Im Bärbach gleich daneben fand die Polizei den Ring, den Hanna in der Nacht getragen hatte.
Nicht weit davon entfernt fanden die Ermittler auch eine auffällige Armbanduhr, nach deren Besitzer wochenlang mit großen Aufwand gesucht wurde. Schließlich ermittelte die Polizei einen 32-jährigen Mann aus Baden-Württemberg. Er hatte die Uhr wenige Tage vor der Gewalttat bei einem Ausflug in Aschau verloren: Mit dem Arm war er an einem Ast hängengeblieben, das Armband war dabei gebrochen. Mit der Tat aber hatte der 32-Jährige nichts zu tun.
Polizeisprecher Stefan Sonntag sprach von einer der aufwendigsten Ermittlungen in der Geschichte des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Die Nachforschungen hätten die Beamten auch emotional sehr gefordert. Unter anderem sichteten die Polizisten auch Gigabyte von Videosequenzen, die aus den Überwachungskameras des „Eiskeller“ stammten.
Tausende von Seiten als Pflichtlektüre fürs Gericht
Nun liegt der Fall bei der Jugendkammer des Landgerichts Traunstein, den Vorsitz wird voraussichtlich Richterin Jacqueline Aßbichler führen. Das Gericht muss zunächst die Anklage zulassen, außerdem gilt es Termine für eine vorhersehbar sehr aufwendige Hauptverhandlung zu finden: Es werden sicherlich Besucher des „Eiskeller“ als Zeugen aufgerufen werden, die helfen können, die Nacht auf den 4. Oktober zu rekonstruieren. Außerdem werden vermutlich verhältnismäßig viele Gutachter zu Wort kommen.
Bis es dazu kommt, könnte es ohnehin dauern, denn auf das Gericht kommt überaus viel Arbeit zu: Die Ermittlungsakten umfassen rund 40 Leitz-Ordner und knapp 20.000 Seiten. Anders als Staatsanwalt und Verteidiger erhielt das Gericht zuvor keinen Einblick in die Ergebnisse der Ermittlungen. Harald Baumgärtl rechnet damit, dass in den ersten Septemberwochen die Hauptverhandlung beginnen könnte.