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Rechtsstreit vor Arbeitsgericht Rosenheim

Weil „LoB“ zu gering ausfiel: Mitarbeiter verklagt Gemeinde Bad Endorf

Geldscheine (links) und das Rathaus von Bad Endorf (rechts)
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Für tolle Arbeit erhalten die Beschäftigten des Marktes Bad Endorfer nicht nur ein Bürger-, sondern auch ein finanzielles Lob. Jetzt klagte ein Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht, weil seines zu gering ausfiel.

Lob ist gelebte Wertschätzung. Es macht glücklich und soll motivieren. Fällt es aber zu gering aus, kann es sich ins Gegenteil verkehren. So passiert in Bad Endorf. Hier endete ein zu geringes Lob vor dem Arbeitsgericht. Jetzt wurde ein monatelanger Prozess beendet. Hier die Details.

Bad Endorf – Leistungsorientierte Vergütung gibt es nicht nur in der freien Wirtschaft. Auch Gemeindeverwaltungen haben die Möglichkeit, besondere Leistungen und außergewöhnliches Engagement von Mitarbeitern zu honorieren. Das Lob im öffentlichen Dienst heißt „leistungsorientierte Bezahlung“ – kurz LoB. Dieses Leistungsentgelt ist im Paragraph 18 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) tarifrechtlich verankert und wird zusätzlich zum regulären Gehalt gezahlt. Es soll dazu beitragen, „die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern“ sowie „Motivation, Eigenverantwortung und Führungskompetenz“ zu stärken.

Einer von 80 klagt gegen seine Bewertung

Einmal im Jahr erhalten auch die etwa 80 Beschäftigten der Marktgemeinde Bad Endorf auf dieser Grundlage ein Leistungsentgelt. Jetzt hat ein Mitarbeiter dagegen vor dem Arbeitsgericht in Rosenheim geklagt. Er war mit seiner Bewertung nicht einverstanden. Hatte er in den Jahren zuvor immer eine Gesamtpunktzahl von mindestens 35 Punkten erhalten, waren es 2022 nur 30.

Ohne plausible Begründung, so seine Kritik, sei sein Punkteniveau von einem Jahr aufs andere herabgesetzt worden. Hatte er 2020 für 35 Punkte ein Leistungsentgelt von 1573 Euro und im Jahr darauf von 1227 Euro erhalten, waren es 2022 für 30 Punkte 1897 Euro. Aufgrund von Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst fiel die Leistungsprämie zwar höher aus. Dass er aber nur 30 statt der gewohnten 35 Punkte erhalten hatte, akzeptierte der Mitarbeiter nicht.

Sollen Kritiker mundtot gemacht werden?

Als Ursache vermutete er nicht nur den Versuch, kritische Mitarbeiter mundtot zu machen, wie er gegenüber dem OVB betonte, sondern auch eine persönliche Bereicherung in der Führungsriege. Denn im Topf, so sein Argument, seien immer zwei Prozent des Bruttoarbeitslohnes aller Beschäftigten. Und wenn einer mehr bekomme, bleibe für den anderen weniger übrig.

Doch so einfach ist es nicht. In Bad Endorf fließt das leistungsbezogene Entgelt nicht in einen Topf für alle, sondern in Abteilungs-Töpfe. „Es gibt einen Topf für Führungskräfte, je einen für Bauamt, Standesamt, Bürgeramt, Finanzverwaltung, Bauhof, Tourist-Info und alle geringfügig Beschäftigten“, erklärt Verwaltungsleiter Martin Mühlnickel. In den Abteilungs-Topf kommen zwei Prozent des Brutto-Vorjahreseinkommens aller Mitarbeiter der jeweiligen Abteilung. Heißt also: Keine der Führungskräfte wird aus dem Topf ihrer Fachabteilung bezahlt.

Welche Kriterien bewertet werden

Die Bewertung der Mitarbeiter erfolgt über die in der Dienstvereinbarung festgelegten Bewertungskriterien. Dazu zählen unter anderem Arbeitsmenge und -sorgfalt, Wirtschaftlichkeit, Bürger- und Kundenorientierung, Motivation, Lernbereitschaft oder Teamfähigkeit. Einmal im Jahr müssen die Fachbereichsleiter ihre Teammitglieder bewerten. Pro Kategorie gibt es zwischen einem und fünf Punkten. Eine textliche Orientierung erklärt genau, wofür wie viele Punkte vergeben werden können.

Drei Punkte für „Dienst nach Vorschrift“

Der goldene Mittelwert (3 Punkte) steht für den sprichwörtlichen Dienst nach Vorschrift. Wer die vertraglich vereinbarten Erwartungen dauerhaft übertrifft, motiviert ist, Eigeninitiative zeigt und auch Zusatzaufgaben übernimmt, kann mit vier Punkten rechnen. Wer seinen Job in der Verwaltung als Berufung lebt, ihn mit Leidenschaft erfüllt, dem Bürger zuvorkommend und freundlich begegnet, ihm trockene Gesetze verständlich und höflich erklärt, der kann die Höchstpunktzahl 5 erreichen. Am Ende gibt es eine Gesamtpunktzahl, mit der über eine komplizierte Formel der prozentuale Anteil des einzelnen Mitarbeiters am Abteilungs-Topf ermittelt wird.

12.000 Euro Anwaltskosten für ein Plus von 219 Euro

Nachgerechnet hat das Arbeitsgericht Rosenheim den Bad Endorfer Fall nicht und deshalb auch kein Zahlungsurteil gefällt. Es schlug einen Vergleich vor: 31 Punkte. Ein Ergebnis, das die für Beschwerden zuständige Betriebliche Kommission der Gemeinde Bad Endorf bereits im Vorfeld des Rechtsstreites angeboten hatte, das aber vom Kläger abgelehnt worden war. Die beklagte Gemeinde Bad Endorf stimmte dem Vergleich zu: „Das soll dem Rechtsfrieden zwischen den Parteien, vor allem aber dem Betriebsfrieden in der Verwaltung dienen“, betonte der Anwalt.

Auch der Kläger gab sich zufrieden. Die Gemeinde muss ihm nun 219,80 Euro nachzahlen. Was davon netto übrig bleibt, wird nicht einmal reichen, um die Gerichtskosten zu zahlen. Die Gemeinde Bad Endorf trägt noch dazu Anwaltskosten in Höhe von etwa 12.000 Euro.

Verfahren ist in aller Munde

„War es das wert?“, fragten drei Gemeinderäte, die an der Gerichtsverhandlung teilnahmen, um sich eine eigene Meinung zu bilden, denn das Verfahren ist in Bad Endorf in aller Munde. „Aufgrund der Klage gegen uns mussten wir einen Rechtsanwalt einschalten“, antwortet Verwaltungsleiter Martin Mühlnickel auf OVB-Nachfrage. Sei ein Mitarbeiter mit dem „LoB“ nicht zufrieden, gebe es ein mehrstufiges Beschwerdeverfahren, das mit einem persönlichen Gespräch mit dem Abteilungsleiter – also dem Bewerter – beginne. Das diene der innerbetrieblichen Einigung.

„Sogar der Bürgermeister hat sich in diesen Fall eingeklinkt, die LoB-Bewertungen der gesamten Abteilung studiert und keinen Fehler gefunden“, beschreibt Mühlnickel das frühe Bemühen um eine Befriedung des Streits und erklärt: „Es ist unlogisch, dass man jedes Jahr immer nur die gleiche Punktzahl erreicht.“

Im konkreten Streitfall habe aber auch das Gespräch in der betrieblichen Kommission nicht gefruchtet: „Wir hatten 31 Punkte angeboten. Der Mitarbeiter beharrte auf 35 Punkten. Es war kein Kompromiss möglich.“ Einem Mitarbeiter um des lieben Friedens willen die gewünschte Punktzahl einfach zu schenken, obwohl sie der Bewertung widerspricht, würde das gesamte LoB-System aushebeln. Zudem wäre es rechtswidrig.

LoB – Fluch oder Segen?

2007 wurde die leistungsorientierte Bewertung im öffentlichen Dienst eingeführt. Das Modell sei gut gemeint, sei aber nicht ganz unumstritten, sagt Mühlnickel: „Erst wurden die Leistungsprämien nach Gießkannenprinzip undifferenziert gezahlt. Dann hat das Bundesarbeitsgericht diese Methode als tarifwidrig eingestuft. Dann musste ein System der leistungsbezogenen Bezahlung betrieblich vereinbart werden. 2020 erkannten jedoch die Tarifparteien im Nachhinein dann doch wieder die Betriebsvereinbarungen an, die vorher dennoch das Gießkannenprinzip in den Jahren vor 2020 zum Inhalt hatten“, beschreibt Mühlnickel den tarifrechtlichen Wirrwarr.

Motivator fürs Team

Der Markt Bad Endorf hat in seiner Dienstvereinbarung ein Punkte-Bewertungssystem verankert. Bis auf diese eine habe es nie Beschwerden gegeben, die bis vor Gericht führten, versichert Mühlnickel. Ganz im Gegenteil: „Wir haben unsere Führungskräfte geschult, damit sie die leistungsorientierte Bewertung als Motivator ihres Teams richtig einsetzen“, so der Verwaltungschef.

Ist Bad Endorf ein Einzelfall?

Der Streit in Bad Endorf scheint ein Einzelfall zu sein. Im Kreisverband Rosenheim des Bayerischen Gemeindetages sind alle 46 Kommunen des Landkreises Rosenheim vereint. Dort waren Probleme mit der leistungsorientierten Bezahlung noch nie auf der Tagesordnung. In allen Gemeinden wird das Punkte-Bewertungssystem praktiziert. Parallel dazu finden persönliche Gespräche statt: „Es ist wichtig, sich in regelmäßigen Abständen mit den Mitarbeiten zusammenzusetzen, ihnen ein Feedback ihrer Leistungen zu geben, Lob auszusprechen und wenn nötig auch Kritik zu üben“, sagt Bürgermeister-Sprecher Bernd Fessler, Bürgermeister der Gemeinde Großkarolinenfeld.

„Grundgedanke ist hervorragend“

Auch der Vize-Vorsitzende des Kreisverbandes, Bruckmühls Bürgermeister Richard Richter, würdigt den Grundgedanken der LoB als „hervorragend“. Enttäuschend sei allerdings, was den Mitarbeitern nach einem guten Gespräch von ihrem Leistungsentgelt übrig bleibe. „Da freut sich der Staat am meisten“, ordnet er die Höhe der Prämien nach Steuerabzug ein. „Aufwand und Ausschüttung stehen in keiner Relation“, bedauert er, dass anders als in der Wirtschaft der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes keinen wirklichen Spielraum zulasse, um hervorragende Leistungen der Mitarbeiter einer Gemeindeverwaltung finanziell gebührend zu würdigen.

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