Bruckmühler Familie baut Zuhause barrierefrei aus
Martins (3) Reise ins Ungewisse: So ergreifen die Eltern des schwerkranken Buben die Initiative
Weil es durchaus möglich ist, dass der dreijährige Martin aus Bruckmühl, der an einem seltenen Gendefekt leidet, irgendwann auf den Rollstuhl angewiesen ist, bauen dessen Eltern das Zuhause barrierefrei um. Eine finanzielle Belastung, die Martins Schwester Vanessa mit einer Spendenaktion minimieren will.
Bruckmühl – Wohin geht die gesundheitliche Reise für den kleinen Martin Reitberger aus Bruckmühl? Diese Frage bestimmt seit mehr als einem Jahr den Alltag der Eltern des Dreijährigen. Der Bub von Manuela und Markus Reitberger leidet an einem seltenen Gendefekt, der nicht nur mit schweren Krampfanfällen und lebensbedrohlichen Situationen einhergeht, sondern auch die Entwicklung des Dreijährigen massiv beeinträchtigt. Um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, baut die Familie derzeit die eigenen vier Wände behindertengerecht um. Eine Herkulesaufgabe, die viel Zeit und Geld kostet. Daher hat Martins große Schwester Vanessa (22) jetzt eine Spendenaktion ins Leben gerufen.
Die ersten Monate des kleinen Buben, der am 18. Juli 2021 sechs Wochen zu früh auf die Welt gekommen war, waren eigentlich unauffällig. „Alles lief in geordneten Bahnen“, berichtet Martins 42-jährige Mama Manuela Reitberger. So habe Martin zwar Hilfe benötigt, um das Umdrehen, Krabbeln und Gehen zu lernen, was aber bei Kindern, die als Frühchen geboren worden sind, nicht ungewöhnlich sei.
Erst im Oktober 2022 – Martin war gerade 15 Monate alt – wurde den Eltern nach und nach klar, dass etwas nicht stimmte. Der Bub bekam plötzlich hohes Fieber, auf die Gabe von Zäpfchen sprach er nicht an. Das Ehepaar fuhr daraufhin in die nächste Kinderklinik, während der Autofahrt hatte der Bub dann bereits das Bewusstsein verloren, fing im Krankenhaus plötzlich zu krampfen an. „Bis zu vier Ärzte standen an seinem Bett, kämpften bis in die Morgenstunden um Martins Leben. „Doch plötzlich war die Nulllinie erreicht“, erinnert sich Manuela Reitberger an die wohl dramatischsten Minuten ihres Lebens zurück.
Plötzlich kommen die Vitalzeichen zurück
„Er lag da wie tot“, schilderte die 42-Jährige bereits vor wenigen Wochen gegenüber dem OVB. „Die Ärzte sagten uns, wenn er jetzt nicht kommt, müssen wir ihn gehen lassen. Ich habe Martin weinend angeschrien, dass er sich jetzt nicht einfach davonmachen kann.“ Vielleicht die Initialzündung für den kleinen Buben, der plötzlich wieder Vitalzeichen zeigte und nach und nach zu sich kam.
Doch die Krampfanfälle, die bei ihm immer wieder durch verschiedene Virusinfektionen wie Influenza oder RSV ausgelöst werden, sollten ein ständiger Begleiter des Buben werden – und immer wieder zu lebensbedrohlichen Situationen führen, die in der Regel mit einem Krankenhausaufenthalt endeten. Weshalb Martins Eltern ihren kleinen Buben im Medizinisch Genetischen Zentrum (MGZ) in München testen ließen. Und endlich eine Diagnose bekamen: Entwicklungsverzögerung, eine sogenannte RORB-gen-assoziierte Epilepsie mit hoher Statusneigung. „Es nennt sich Mikrodeletion 22q11.23 – das ist sehr selten und kaum erforscht“, weiß Manuela Reitberger heute.
Genetischer Zwilling dringend gesucht
Martin (3) aus Bruckmühl leidet an dem Gendefekt Mikrodeletion 22q11.23. Seine Eltern haben erfahren, dass es wohl in München zwei Buben gibt, die ebenfalls betroffen sind. „Wir würden uns gerne mit den Eltern austauschen, um eine Vorstellung zu bekommen, wo unsere Reise hingeht, wenn Martin älter wird“, sagt Manuela Reitberger. Wer hier helfen kann, kann sich zwecks Kontaktaufnahme an redaktion@mangfall-bote.de wenden, Telefon 08061/370010.
Für das Bruckmühler Ehepaar das größte Problem: die Ungewissheit, welche Auswirkungen dieser Gendefekt auf Martin haben wird. Daher hatte sich die Familie vor wenigen Wochen ans OVB gewandt, um über die Geschichte von Martins Schicksal vielleicht einen der extrem seltenen Gen-Zwilling zu finden und dadurch nähere Infos über die Erkrankung und deren Folgen zu bekommen. „Wir haben mittlerweile zahlreiche Rückmeldungen erhalten, aber leider handelte es sich dabei nur um ähnliche Gendefekte, nie um genau diesen“, verrät Mama Manuela jetzt gegenüber dem OVB.
So bleibt rund um die Frage, wohin Martins körperliche Reise führen wird, weiterhin vieles offen. Seit August 2024 zeigt sich beispielsweise, dass das Gehen eine große Hürde für den kleinen Mann werden könnte. „Im August 2024 haben wir bemerkt, dass Martin schnell erschöpft ist und kaum gehen möchte. Er sitzt lieber in seinem Bollerwagen“, berichtet Mama Manuela. Weshalb der kleine Kämpfer auch jüngst aufgrund seiner nachlassenden Beinmuskulatur wieder einige Zeit im Krankenhaus verbringen musste.
Mittlerweile ist der Bub wieder daheim – und kann dort diversen Handwerkern, die sich fast schon die Klinke in die Hand geben, beim Werkeln zuschauen. Denn Reitbergers lassen ihr Zuhause aktuell barrierefrei umbauen. „Letztlich gibt es für Martin drei mögliche Ausfahrten“, beschreibt Mama Manuela bildlich, wie sich der Gendefekt ihres kleinen Sohnes auswirken könnte. „Entweder es bleibt bei der aktuellen Schwerbehinderung von 80 Prozent. Oder es wird noch schlechter, oder aber besser.“
Dass Martin die dritte Ausfahrt – also eine deutliche Verbesserung seines gesundheitlichen Zustands – nimmt, ist natürlich der größte Wunsch der Bruckmühler Familie. Verlassen wollen sich Reitbergers darauf aber nicht. „Es ist leider auch gut möglich, dass wird uns irgendwann auf einen Rollstuhl einstellen müssen“, sagt die Mama. „Daher ist es für uns wichtig, jetzt bereits hier die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Martin hier auch gut leben kann.“
Die Dusche muss dringend umgestaltet werden
So wird aktuell der Flur umgestaltet, „damit dort keine Stufen mehr drin sind“. Als Nächstes steht dann der Umbau des Badezimmers an, wie Manuela Reitberger verrät. Denn auch die Dusche ist aufgrund einer Stufe nicht barrierefrei. „Zudem ist sie so klein, dass Martin dort aufgrund seines Gendefekts Platzangst bekommt“, verrät die 42-Jährige. Also notwendige Umbauten, die allerdings extrem ins Geld gehen. Zwar würden einige der Handwerker auf Spendenbasis arbeiten, ihr Mann Markus den Handwerkern zudem tatkräftig zur Hand gehen. Dennoch sei die finanzielle Belastung groß, nachdem die Familie bereits verschiedene Therapien für ihren kleinen Buben aus der eigenen Tasche bezahlt.
Martins große Schwester Vanessa Reitberger, die in Tirol lebt und arbeitet, hat daher über das Spenden-Portal GoFundMe (https://gofund.me/ec7383d0) eine Spendenkampagne für die Umbauarbeiten ins Leben gerufen. 9000 Euro will die 22-Jährige für den barrierefreien Umbau einsammeln, fast 3000 Euro sind bereits zusammengekommen. „Nachdem ich so weit weg wohne und dadurch nicht mehr unterstützen kann, war es mir wichtig, wenigstens das zu tun“, sagt Vanessa Reitberger, die „unglaublich dankbar für jede noch so kleine Spende“ ist.
Denn auch wenn zwischen ihr und ihrem kleinen Bruder ein Altersunterschied von fast 20 Jahre liegt, lässt sie das Schicksal des kleinen Buben alles andere als kalt. „Ich habe mir immer ein Geschwisterchen gewünscht“, sagt Vanessa Reitberger gegenüber dem OVB. „Und Martin ist wirklich etwas ganz, ganz Besonderes!“
