Amerikanische TH-Professorin im OVB-Interview
„Macht mich traurig“: Wie eine Amerikanerin aus der Region den US-Wahlkampf erlebt
Wie ihre Landsleute Donald Trump wählen können, ist für sie ein Rätsel. Seit eineinhalb Jahren lebt Amber Schneeweis, ursprünglich aus Minnesota, in Deutschland. Was sie sich von der Wahl erhofft, und wie die politische Anspannung sogar ihre Familie beeinflusst hat, erzählt sie im OVB-Interview.
Rosenheim – Nach wochenlangem Wahlkampf ist es nun so weit. Am Dienstag, 5. November, wird in den USA gewählt. Dann wird sich entscheiden, ob die kommenden vier Jahre der Republikaner Donald Trump oder die Demokratin Kamala Harris das Land regieren wird. Die Meinung im Land ist gespalten. Eine Woche vor dem Wahltag waren die beiden Kandidaten quasi gleichauf. Auch in Deutschland blick man mit Spannung in die USA. Denn auch hierzulande, insbesondere auf die Wirtschaft, könnte ein Wahlsieg Trumps drastische Auswirkungen haben, wie Experten befürchten.
Beliebtheit von Donald Trump: „Verstehe es auch nicht“
Das Verständnis für Trump fehlt auch hierzulande vielen Menschen, wie Amber Schneeweis immer wieder erlebt. Schneeweis ist US-Amerikanerin. Stammt ursprünglich aus Minnesota. Seit eineinhalb Jahren lehrt sie an der Technischen Hochschule in Rosenheim im Bereich Materialwissenschaft und -technik. „Ich werde oft gefragt, wie meine Landsleute jemanden wie Trump unterstützen können – und ich habe dafür auch keine Erklärung“, sagt sie im OVB-Interview. „Ich verstehe es auch nicht.“
Beeindruckt zeigt sie sich davon, wie gut die Deutschen über die Präsidentschaftswahl in den USA informiert sind. „Sie wissen vermutlich viel mehr über uns, als die meisten Amerikaner über Deutschland wissen“, sagt Schneeweis. Außerdem sieht sie Parallelen im Wahlverhalten der Menschen – und auch eine Möglichkeit für die Popularität Trumps. „Ich denke, es ist ähnlich wie in Deutschland. Dass sich manche Menschen von anderen Parteien im Stich gelassen fühlen. Dass sich viele Dinge ändern und die Menschen Angst davor haben und ein Gefühl von Sicherheit wollen“, sagt die Professorin. „Ich vermute, Donald Trump gibt manchen dieses Gefühl.“
„Bei einer Direktwahl würde er, denke ich, nicht gewinnen.“
„Es ist absurd, was er teilweise erzählt. Ich weiß nicht, wie Leute ihm zuhören können und ihn trotzdem noch unterstützen.“ Selbst wenn sie sonst die republikanische Partei unterstützen würde, könnte sie die Partei in diesem Fall nicht wählen. Schneeweis hofft, dass ihr Land Kamala Harris wählt. „Ich kann mir auch gar nichts anderes vorstellen – obwohl es ja schon einmal passiert ist, dass Trump gewählt wurde“, sagt sie.
Schneeweis rechnet eigentlich auch nicht damit, dass die Mehrheit der Amerikaner ihre Stimme für Trump abgeben würde. Doch das Wahlsystem in den USA mache die Sache kompliziert. Denn die Bürger wählen ihren Präsidenten nicht direkt – sondern über Wahlleute. Es könnte also sein, dass mehr Menschen ihre Stimme für Harris abgeben und dennoch Trump Präsident wird. So wie im Jahr 2016, als Hillary Clinton gegen Trump verlor. Damals erhielt die Kandidatin der Demokraten 2,6 Millionen Stimmen mehr, als ihr Gegner. Dennoch wurde Donald Trump schließlich Präsident, weil er schließlich auf mehr Wahlleute kam. Auch bei dieser Wahl vermutet Schneeweis: „Bei einer Direktwahl würde er, denke ich, nicht gewinnen.“
So funktioniert das Wahlsystem in den USA
Das Wahlsystem in den USA basiert auf einem indirekten Wahlsystem, bei dem die Bürger nicht direkt den Präsidenten wählen, sondern Wahlleute, die sogenannten „Electors“. Diese bilden das Electoral College, das letztendlich den Präsidenten bestimmt. Jeder Bundesstaat hat eine bestimmte Anzahl an Wahlleuten, die sich aus der Summe der Senatoren und Abgeordneten des Staates im Kongress ergibt. Die meisten Bundesstaaten verwenden das „Winner-takes-all“-Prinzip: Der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem Staat erhält alle Wahlleute dieses Staates.
Um Präsident zu werden, benötigt ein Kandidat die Mehrheit der 538 Wahlleute, also mindestens 270 Stimmen. Die Präsidentschaftswahlen finden alle vier Jahre am ersten Dienstag nach dem ersten Montag im November statt. Neben den Präsidentschaftswahlen gibt es auch Zwischenwahlen, die alle zwei Jahre stattfinden, um Teile des Kongresses neu zu besetzen. Dieses System spiegelt die föderale Struktur der USA wider und soll sowohl die Bevölkerungsstärke als auch die Interessen der einzelnen Bundesstaaten berücksichtigen.
„Stimmung ist angespannt“
In den USA seien die meisten Menschen froh, wenn die Wahl endlich rum ist, schätzt Schneeweis. „Die Stimmung ist angespannt.“ Die Amerikaner seien froh, wenn sie in den Nachrichten, im Fernsehen und im Radio endlich wieder etwas anderes sehen und hören können. Doch es ist nicht nur die Anspannung, die den Menschen zu schaffen macht. „Es macht mich traurig, dass das Thema die Menschen so spaltet“, sagt Schneeweis. Auch sie musste diese Spaltung schon in ihrer eigenen Familie miterleben. „Mein Onkel und mein Vater sprechen nicht mehr miteinander, seit 2016 Trump gewählt wurde“, sagt die TH-Professorin. „Und ich glaube, das ist in vielen Familien so.“