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Kinderarzt klärt auf

Mykoplasmen bei Kindern in der Region: Wie ernst die Lage ist – und welches Medikament fehlt

Beunruhigung wegen Mykoplasmen? Nicht angebracht. Kinderarzt Otto Laub gibt Entwarnung.
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Von Mykoplasmen hat man bisher selten gehört. Woher kommt dieser Erreger auf einmal?

In den vergangenen Wochen war die Kinderstation im Rosenheimer Klinikum überdurchschnittlich stark belegt. Warum Mykoplasmen derzeit oft in den Schlagzeilen auftauchen, was Eltern dazu wissen müssen und warum es bei den Medikamenten ein Problem gibt, erklärt Kinderarzt Otto Laub.

Rosenheim – „Welle von Lungenentzündungen bei Kindern“: Schlagzeilen wie diese liest man in den vergangenen Wochen immer wieder. Hintergrund ist die derzeitige Verbreitung von sogenannten Mykoplasmen. Auch im Klinikum Rosenheim ist die Lage bei Atemwegsinfekten bei Kindern derzeit angespannt. „Bis etwa vor zwei bis drei Wochen hatte die Kinderklinik eine überdurchschnittlich hohe Belegung, zu der vorwiegend fieberhafte Luftwegsinfekte, zum Teil mit Sauerstoffbedarf, beigetragen haben“, erklärt eine Sprecherin auf OVB-Anfrage. „Aktuell hat die Belegung etwas abgenommen und liegt heute (Stand: 1. Oktober 2024) bei etwa 70 Prozent auf der Jugendlichen- bzw. Eltern-Kind-Station.“

Wie viele der Infekte durch Mykoplasmen ausgelöst waren, ist nicht bekannt. Ob für Eltern Grund zur Beunruhigung besteht und welches Problem es bei der Behandlung der Infektion gibt, erklärt der Rosenheimer Kinderlungenfacharzt Otto Laub im OVB-Interview. 

Mykoplasmen: Häufiger als üblich?

Von Mykoplasmen hat man bisher selten gehört. Woher kommt dieser Erreger auf einmal?

Otto Laub: Mykoplasmen sind bakterielle Erreger, die im Laufe eines Jahres immer wieder ohne besondere Saisonalität auftauchen. Wir sehen diese Keime hier immer wieder im frühen Sommer, aber auch im Herbst.

Und dieses Jahr besonders?

Laub: Im Augenblick sehen wir in unserer Region, aber auch anderen Regionen Bayerns eine Art Endemie, das heißt ein gehäuftes Auftreten von durch Mykoplasmen verursachte Erkrankungen innerhalb einer Bevölkerung oder einer begrenzten Region, wie zum Beispiel im südöstlichen Oberbayern. Derartige Endemien sind für Mykoplasmen alle drei bis vier Jahre sehr typisch.

Warum haben wir die letzten Jahre nichts davon gehört? 

Laub: Zum einen, weil es in den letzten Jahren kein derartig gehäuftes Auftreten von Mykoplasmen-Infektionen gegeben hat. Außerdem war in dieser Zeit die Aufmerksamkeit auf Anderes gerichtet, zunächst auf die Pandemie und die durch Corona verursachten Geschehnisse. Dann ist in den letzten beiden Jahren die RSV-Welle, vor allem 2022 bis 2023, im Fokus gestanden, die ja auch beinahe die stationäre kinderärztliche Versorgung an den Rand des Zusammenbruchs geführt hat.

Mykoplasmen in Rosenheim: Kein Grund zur Panik

Ist der Anstieg der Erkrankungen jetzt ein Grund zur Beunruhigung –  gerade bei Eltern?

Laub: Nein, das finde ich nicht. Wie schon gesagt, treten solche Infekt-Häufungen mit Mykoplasmen, wie wir sie derzeit beobachten, bereit seit Langem mit einer gewissen Regelhaftigkeit auf. Wir hatten ja auch im Frühjahr und Frühsommer eine Keuchhusten-Welle. Da hat sich kaum jemand aufgeregt, obwohl Keuchhusten für zum Beispiel Babys und Kleinkinder, aber auch ältere Menschen durchaus gefährlich ist.

Wie zeichnen sich Mykoplasmen-Infektionen aus?

Laub: Mykoplasmen sind Bakterien, die in der Lage sind, sehr geschickt unser Immunsystem zu täuschen. Der Erreger dringt im Rahmen der Infektion in die oberflächlichen Atemwegszellen ein und baut dabei seine eigene Zellwand in die Zellwand der befallenen Zelle ein. Mit seinen übrigen Zellbestandteilen kann der Erreger dann die Strukturen der befallenen Zelle nutzen, um sich selbst zu vielfach nachzubauen. Indem also die Zellwand des Bakteriums in die Zellwand der Atemwegszelle integriert wird, ist es für unser Immunsystem nicht mehr auffindbar und tritt erst wieder in Erscheinung, wenn die replizierten Bakterien nach einer gewissen Zeit unter Zerstörung der befallenen Körperzelle freigesetzt werden.

Wie verläuft eine Infektion?

Laub: Mykoplasma pneumoniae wird typischerweise in den Atemwegen gefunden. Der Erreger kann eine tage- bis wochenlange Erkrankung mit eingeschränktem Allgemeinbefinden, Kopfschmerzen, wiederkehrendem Fieber und einem hartnäckigen bis keuchhustenartigen Husten aufgrund einer Tracheobronchitis oder Pneumonie verursachen. Manifestationen, die auf die oberen Atemwege begrenzt sind oder Mitteloherentzündungen werden hierbei seltener gesehen. Neben Atemwegsinfektionen kommen auch weitere Manifestationen durchaus nicht so selten vor, wie zum Beispiel Hautausschläge oder eine Urtikaria, ein Nesselausschlag. Nicht so selten sehen wir aber auch eher subklinische Verläufe.

Das heißt?

Laub: Subklinisch meint „leicht verlaufend“ und ist klinisch oft schwerer erkennbar, aber halt auch ansteckend. Die Erkrankung ist aber, wenn erkannt, durchweg gut behandelbar.

Aber in der Regel ist Antibiotikum wirksam?

Laub: Das ist durchaus richtig. Allerdings haben wir auch hier und auch in diesem Jahr im Moment ein großes Problem, weil es offenbar nicht gelingt, die notwendigen modernen Antibiotika in der benötigten Menge zur Verfügung zu stellen. Wie das auch im dritten Jahr nach Corona noch immer möglich ist und warum dieses Miss-Management nicht abgestellt werden kann … das müsste in Berlin bei Herrn Lauterbach nachgefragt werden.

Ist das schon länger der Fall?

Laub: Seit circa zwei bis drei Wochen sind Roxithromycin und Clarithromycin, die Protagonisten von sogenannten Makrolidantibiotika, die bei Mykoplasmeninfektionen zum Einsatz kommen, in unserer Region, aber wohl auch überregional, nicht erhältlich. Wir versuchen auch ältere Medikamente zurückzugreifen, die noch verfügbar sind. Das bedeutet aber wie auch in den letzten beiden Jahren, dass Ärzte und unsere medizinischen Fachangestellten sich hinters Telefon klemmen und die nächstgelegenen Apotheken abtelefonieren. Das bedeutet einen nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand.

Kinderarzt gibt Entwarnung: Ansteckungsgefahr gar nicht so groß

Was müssen Eltern jetzt wissen?

Laub: Ein krankes Kind gehört nicht in die Tageseinrichtungen -Kinderkrippe, Kindergarten, Schule oder Hort, genauso wenig wie Kinder mit akutem Husten – trocken oder produktiv. Ein wenig zur Besonnenheit möchte ich aber an dieser Stelle schon aufrufen: Nicht jedes Kind in einer Kindertageseinrichtung wird sich anstecken, vor allem, wenn regelmäßig gelüftet wird oder die Kinder sich viel im Freien bewegen. Und es macht sicher wenig Sinn, jedes Kind, das im Augenblick ohne besondere weitere Krankheitssymptome bei eigentlich abklingendem Infekt noch vereinzelt hustet, sofort wieder nach Hause zu schicken. Auch ist die Gefahr einer Ansteckung mit Mykoplasmen nicht so zu verstehen, dass da in schöner Regelmäßigkeit ganze Gruppen oder Klassen infiziert werden. Es braucht schon einen relativ engen und länger dauernden „Haushaltskontakt“. Das Bakterium wird übrigens vor allem auch in der Familien übertragen.

Kann man sich irgendwie vor einer Infektion schützen?

Laub: Einen wirksamen Impfschutz gibt es leider nicht. Normalerweise sind Isolierungen von Patienten nicht nötig. Das kann allerdings in Ausbruchssituationen, wie wir sie im Augenblick bei uns sehen, auch ein wenig anders sein. Dann sind milde Isolationsmaßnahmen von Patienten bei erfolgter Diagnose durchaus sinnvoll und wichtig. Grundsätzlich zu empfehlen ist sicher, dass sich Kinder auch im Herbst und Winter viel bewegen, vorzugsweise im Freien, und das bei jedem Wetter. Kälteresistenz meint, dass Kinder ihre Infektabwehr durch Erhöhung ihrer Widerstandsfähigkeit gegen niedrige Außentemperaturen vermehren. Dazu dann noch eine vernünftige Ernährung, dann ist schon sehr viel getan.

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