Aus Alt mach Neu
Kulturschock im Motorraum: Hagen Schneider aus Edling verwandelt VW-Oldtimer in E-Auto
Hagen Schneider aus Edling bastelt seit Jahren an Oldtimern. Jetzt hat der 45-Jährige seinen VW-T2 Transporter ins neue Zeitalter geholt. Wie er die Verwandlung in ein Elektrofahrzeug gemeistert hat.
Edling – Einen 44 Jahre alten VW-T2 Transporter zu einem Elektroauto umzubauen, dafür mussten in Edling einige Umstände zusammen kommen. Das Auto sieht jetzt nach zwei Jahren Arbeit aus wie neu, fährt so flott wie noch nie und ist auf den heutigen Straßen durchaus ein Sympathieträger, wie spontane Kommentare der Mitmenschen zeigen. Hagen Schneider aus Edling hat seinen Transporter auf Elekto umgerüstet. Er hat so viel Freude daran gefunden, dass er bereits das nächste Fahrzeug in Arbeit hat.
Gewohnt, mit dem Vorhandenen auszukommen
Der 45-Jährige stammt aus der ehemaligen DDR, und ist es gewohnt, mit dem Vorhandenen auszukommen. Schon als Kind schraubte er Seifenkisten zusammen. Heute entwickelt der Wirtschaftsinformatiker mit seiner eigenen Firma für andere Unternehmen Software, damit diese ihre Produkte einfacher vermarkten können. Das erklärt auch, weshalb der VW-Bus technisch mit ausgeklügelter Batteriezellenüberwachung, funkgesteuerter Zentralverriegelung, Navigationsgerät und anderen modernen Annehmlichkeiten ausgestattet ist.
Zudem mag Schneider Oldtimer, findet es aber schade, „wenn die dann nur rumstehen“. Sie sollten sich bewegen, das sei für die Technik besser. Doch zum täglichen Einkaufen fallen nur kurze Strecken an. Das ist aber – obwohl es viel zu oft gemacht wird – schlecht für einen Verbrennungsmotor. Der Verbrauch, Abgaswerte und der Verschleiß sind hoch, so etwas sollte doch besser gehen, dachte sich der Technikfreund, denn einen Elektromotor muss man nicht warm fahren.
Alles fing an mit einem Geschenk: Ein Trabi
Ein Schlüsselereignis war für den 45-Jährigen vor vielen Jahren seine Heirat. „Freunde fanden es witzig, mir einen gebrauchten Trabi zu schenken“. Der Trabant war einmal das am weitesten verbreitete Auto in der DDR. Der wurde hergerichtet, dann folgten weitere Autos und somit kam eins zum anderen.
Jetzt löst ein Blick in den Motorraum beim unvorbereiteten Betrachter erst einmal einen Kulturschock aus: Dort, wo ein Motor mit Zylindern, Schläuchen, Riemen und seinen filigranen Formen mit Duft von Öl sein sollte, befindet sich ein ziemlich großer elektrischer Motor, rund 60 PS stark, erheblich schlichter in der Erscheinung und als Industrieware quasi von der Stange.
Plötzlich aber ist alles ganz einfach: Das Getriebe bleibt, wo es ist, denn ihm ist es letztlich gleich, wer seine Eingangswelle antreibt. Es existiert eine Auswahl an Adapterplatten, die Elektromotor mit dem Getriebe der unterschiedlichen Fahrzeugtypen verbindet, das war schon alles.
Ein H für Historisch scheidet somit auf dem Kennzeichen aus, da Wesentliches fehlt. An dieser Stelle befindet sich das E für elektrisch.
Der Transporter ist in seiner Form auch ideal für die notwendigen Batterien, die unter der Ladefläche liegen und in diesem Fall aus einem „BMW i3“ stammen. Der VW ist auch noch aus einem anderen Grund ideal, denn er hat als Doppelkabine (Doka) eine zweite Rückbank und eine Ladefläche. „Dokas gab es meist nur bei der Bundeswehr und im Bausektor“, weiß Schneider. Ein Modell von der Bundeswehr war innen sehr gepflegt, wenn auch sonst komplett verrostet.
Weitere Artikel und Nachrichten aus der Region Wasserburg finden Sie hier.
„Auf dem Dach befinden sich jetzt Fotovoltaikelemente, auf der Ladefläche sind sie zusammenfaltbar und erzeugen bis zu 720 Watt Strom, da darf das Auto gerne auch mal draußen stehen. Das lädt ständig und so hält auch ein Kühlfach die Einkäufe im Sommer auf Temperatur. Gut 180 Kilometer Reichweite genügen für die Kurzstrecken“, beschreibt der Bastler weiter.
Sind Schneider und der TÜV bei diesem Umbau Freunde geworden? Seine Erfahrungen sind unterschiedlich, um eine Einzelabnahme kommt da niemand herum. „Für die einen ist das Teufelszeug, aber es gibt auch Prüfstellen, die sich mit so etwas auskennen.“ Stolz macht ihn, dass er bereits saubere und perfekte Arbeit bescheinigt bekommen hat. Die Prüfer honorieren, wenn sie nicht suchen müssen, sondern sich alles aufgeräumt präsentiert.
Extreme Bestimmungen und Vorschriften
Andererseits: „Die Vorschriften und Bestimmungen sind extrem, da stehen wir uns bei der Energiewende selbst im Weg“, sagt der 45-Jährige. Wichtig sei es, genau zu arbeiten: „Wer denkt, das merkt keiner, macht schon einen Fehler.“
Das Auto fährt sich überraschend flott, dabei spielt das Getriebe eine untergeordnete Rolle, das Drehmoment des Motors beeindruckt über den ganzen Drehzahlbereich. Praktikabel ist es daher, den vierten Gang durchgehend zu nutzen. Der Motor beschleunigt ohne Kupplung vom Stand bis nahezu 110 Stundenkilometer, das genügt für die Fahrt zum Einkaufen vollauf. Insgesamt war es Schneider wichtig, dass seine Frau gut damit zurechtkommt.
Nach herkömmlichen Kriterien rentiert sich der Umbau vom Aufwand eher nicht, bis zu 30.000 Euro hat alles gekostet, allerdings samt Restaurieren mit Schweißen, Rost entfernen und Lackieren des Oldtimers. Doch wer in einer eingesparten Kilowattstunde einen Gewinn sieht und lieber vorhandene Fahrzeuge nutzt, statt sie wegzuwerfen und somit Energie und Rohstoffe einspart – der tut es gern. Ganz aktuell befindet sich übrigens ein Citroën HY, der sogenannte Wellblechlieferwagen, im Umbau zum E-Fahrzeug.


